Der Personaler und web2.0

Eigentlich ist es nur eine kleine Annekdote, aber sie nicht nur wahr, sie ist auch zu treffend um sie ungenutzt zu lassen. Schließlich zeigt sie, wie Communitys auch funktionieren.

Ich bin Mitglied bei Xing – früher openBC. In einem der vielen Foren ging es unter anderem auch um neue Jobs und ein headhunter listete auf, was für tolle Jobs er im Angebot hatte.

Die ersten Reaktionen darauf waren freundliche Begrüssungen anderer Mitglieder, die sich bereits einmal auf eine der vielen tollen Jobs beworben hatten und bislang nichts mehr von diesem headhunter gehört hatten. Nichts mehr bedeutete, das sie nicht einmal eine Absage erhalten hatten.

Sicher lag es nicht in der Absicht des headhunters sich bei den IT-Spezialisten dieses Forums als „Luftnummer“ zu profilieren. Vermutlich wollte er sich als das Gegenteil ins Gespräch bringen. Sein Problem war einfach nicht daran zu denken, das er in dieser grossen Community einige Menschen finden würde, die mit seinem Verhalten nicht ganz einverstanden waren und seinen Eintrag dazu nutzten, ihn für alle anderen Leser sichtbar daraufhin anzusprechen.

Communitys beinhalten mehr oder weniger zwangsläufig das Risiko, mit eigenen Fehlern konfrontiert zu werden. Natürlich macht jeder Mensch Fehler. Die eigenen Fehler einfach zu ignorieren und darauf angesprochen keine akzeptable Stellung zu beziehen kann man eigentlich nur durch einen rüden Gegenangriff toppen.

Communitys geben jedem einzelnen Mitglied eine Plattform und können dadurch Anbieter durchaus „zur Rechenschaft“ zwingen. Wer bislang gewohnt war Kritik einfach zu ignorieren oder auszusitzen wird jetzt zumindest damit rechnen müssen, das der Preis dieses Handelns ein deutlich höherer sein wird.  Dies bedeuted nicht, das nun jedes Unternehmen und jede Person schutzlos unbegründeten Vorwürfen ausgesetzt wird. Es lässt sich sehr wohl beobachten, das die Mitglieder einer Community hier unterscheiden können. Und das sie andere Mitglieder, die deutlich über das Ziel hinausschießen zur Ordnung rufen.

Wie verändern Communitys Märkte? Die neue Wirtschaftlichkeit.

Communitys die auf Volunteers aufbauen können geniessen nachhaltige wirtschaftliche Wettbewerbsvorteile die sie als strategische Waffe einsetzen können.

  • Zum Beispiel in dem sie personal-intensive Leistungen kostenlos oder günstiger anbieten können.
  • Oder indem sie auf dieser Basis neue Geschäftsmodelle umsetzen können.

Wir erinnern uns an die ewige Diskussion über das Problem der Schwarzarbeit für die Bauwirtschaft. Da wird jenseits der Sozialsysteme Leistung erbracht, entsprechend günstiger angeboten und möglicherweise der eine oder andere Anbieter aus dem Markt gedrängt.

Was hat das mit Communitys und Volunteers zu tun? Die neue Wirtschaftlichkeit die sich ein wirtschaftlich aktives Unternehmen über den Einsatz von Volunteers erschließt, geht eben weit über den Vorteil aus der Schattenwirtschaft der Schwarzarbeit hinaus. Volunteers arbeiten komplett entgeltfrei. Damit ermöglichen sie es Communitys auch umfassende und hochwertige Leistungen komplett kostenlos anzubieten und nur über Werbung zu finanzieren. Ein Unternehmen, das als Community nicht auf Volunteers aufbauen kann, aber mit volunteerbasierten Geschäftsmodellen konkurrieren muß, startet mit einem strategischen Kostennachteil.

Diese neue Form von Wirtschaftlichkeit hat das Potenzial Branchen und deren Marketing zu verändern. Stellen Sie sich einfach vor, Ihr Unternehmen hätte die Notwendigkeit einer Community erkannt und plant deren Aufbau. Im Markt befindet sich eine weitere Community die volunteerbasiert ist und hochwertige Leistungen durch den Einsatz von Volunteers kostenlos anbieten kann, die in Ihrem Unternehmen teuer produziert werden müssen. In dem Fall wird das Communityprojekt Ihres Unternehmens schnell zu einem festen Kostenblock.

Wenn Ihnen das zu theoretisch klingt, werfen Sie doch einen Blick in die Strukturen der AARP. Dort sind sogar die Mitglieder des Boards ehrenamtlich aktiv. Einem sehr, sehr kleinen Stamm an bezahlten Mitarbeitern steht eine kleine Armee qualifizierter, berufserfahrener und motivierter Ehrenamtlicher gegenüber, die es dieser Organisation erlaubt, in jeder grösseren Stadt der USA Büros mit einem breiten Leistungsspektrum für die eigenen Mitglieder zu unterhalten. Und da diese Mitglieder auch noch Mitgliedsgebühren bezahlen, steht dem „Unternehmen“ AARP ein Milliardenbudget zur Verfügung.

Bislang kennen wir die Arbeit mit Volunteerstrukturen nur aus dem Vereinsleben. Für Wirtschaftsunternehmen ist dieses Thema neu. Die AARP hat hier mit dem ADAC eine Gemeinsamkeit. Beide stammen aus einer anderen Zeit. Und beide sind als Vereine gegründet und dürfen eigentlich keinen Profit machen. Diese Schranke bremst Unternehmen, die eben keine Vereine sind, aber trotzdem auf Volunteerarbeit aufbauen, nicht mehr.

Natürlich ist dies nicht das Ende des klassischen Unternehmens mit bezahlten Arbeitsplätzen. Es ist nur ein ungleicher Wettbewerb. Wer nicht in gleichem Maß auf Volunteers aufbauen kann, muß eben auf Dauer mehr Geld in die Hand nehmen um vergleichbare Wirkung zu erzielen. Oder in seiner Leistung um so viel besser sein, wie er teurer sein muß.

Wie verändern Communitys Märkte? Die Medienlandschaft

Communitys sind keine Medienunternehmen. Sie sind neben vielem anderen auch Marktzugänge mit eigenen strategischen Interessen. In einer Zeit in der Printmedien insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zunehmend an Boden verlieren, in der Radio und jetzt auch TV in der Nutzung vom Internet überholt werden, gewinnt das Thema Community auch für den Medienbereich besonders an Bedeutung.

Weil das Zeitbudget für den Konsum von Medien nicht im gleichen Maß wie die Medienlandschaft wächst. Wenn ein komplett neues Medien hinzukommt, leiden naturgemäß die bestehenden Medien darunter. Nun ist das Internet nicht nur ein weiteres Medium. Es ist zudem auch ein Medium, das die Beteiligung des Empfängers ermöglicht. Wer dies unterschätzt und auch im Internet in alter Manier kommuniziert, wird bald mit Liebesentzug bestraft. Wer als Unternehmen die eigenen Kunden aus einer echten – zweigleisigen – Kommunikation ausschließt, sollte sich nicht wundern, wenn diese nicht mehr mit diesem Unternehmen kommunizieren und sich lieber andersweitig informieren und bedienen.

KWICK! bietet für die mediale Chance der Communitys ein interessantes Beispiel. Ursprünglich war das Projekt ein Internetmagazin für die Region Stuttgart. Aus Ressourcengründen – und hier ist insbesondere der Aufwand an Redaktion und Contentproduktion zu nennen – wurde eine Community daraus. Als Community wiederum ist KWICK! so erfolgreich, das für und von der Community jetzt ein eigenes Onlinemagazin produziert werden kann. Das jetzt – weil es auf der Basis einer großen und kommunikativen Community von und für dies prodziert wird – auf Anhieb nach Page Impressions in der Nähe der Onlineausgaben etablierter Zielgruppenmedien aus dem Printbereich gestartet ist.
Communitys können also die Medienlandschaft bereichern und beeinflussen in dem sie neue Medien schaffen und alte durch Wettbewerbsdruck verändern. Ihr Vorteil dabei ist, das die Leserschaft gleichsam Teil des Projektes ist, das jeweilige Medium eben nicht von außen an die Leser herangetragen wird sondern direkt aus ihrer Mitte – und von ihnen getragen und produziert – entsteht.

Googles Unified Social Network

Auf Golem las ich gerade von Googles Plan des Unified Social Networks. Damit werden Kontakte und Inhalte von mehreren Social Networks zusammengefasst, damit der User sie übersichtlich von einem Punkt aus – via Google versteht sich – bedienen kann. Und damit immer auf dem laufenden ist, was sich in den verschiedenen Netzwerken tut, in denen er angemeldet ist.
Da zeigt sich wieder mal, wie smart Google ist. Statt nach seinem nicht ganz glücklichen Versuch mit Orkut noch mal eine eigene Community aufzubauen, macht es aus Googles Sicht mehr Sinn, die bestehenden Communitys anzuzapfen um so von deren know how und Kundenprofilen zu profitieren.

Damit das nicht zu offensichtlich ist, verpackt man diese Massnahme in ein nützliches Tool und indem man alle wichtigen Communitys über ein Tool vernetzt, gibt Google dem User die Übersicht über seine Kommunikation und seine sozialen Beziehungen in den einzelnen Communitys. Damit hätte Google quasi über Nacht die grösste Community aus dem Hut gezaubert und könnte auf eine genial einfache Weise auf das Wissen über die Mitglieder der jeweiligen Community zurückgreifen, weil ihm ja die Profile und das Verhalten aller Mitglieder offen ständen. Ein Wettbewerbsvorsprung den der Wettbewerb schwerlich so schnell nachvollziehen kann. Google könnte damit die qualitativ bessere weil präzisere und wirtschaftlich erfolgreichere Werbung im Internet anbieten.

Wenn die Communitys da mitspielen.

Je nachdem wie das Tool gestaltet ist, muss der Besuch der Community eigentlich nicht mehr nötig sein um direkt an ihr teilzunehmen. Schlecht für alle werbefinanzierten social networks. Und wer Beiträge nehmen will, steht dann – im direkten Vergleich – noch schlechter da. Auch wenn Googles Unified Social Network gar nicht so weit gehen wird, schwebt diese Möglichkeit als Damoklesschwert von da an über den social networks.  Sobald die Mitglieder sich erst einmal daran gewöhnt haben, ihre Kommunikation in ihren networks über ein Google Tool abzuwickeln, kann dieses Tool leicht erweitert werden. Die Inhalte der Profile, die sozialen Beziehungen, all das liesse sich möglicherweise ja schon mal duplizieren, so daß das Mitglied in seinem Datenbestand und damit in seinem sozialen Netzwerk bleibt, auch wenn dieses jetzt bei Google deponiert ist. Natürlich stehen dem Urheber-, Namens- und Designrechte entgegen, aber wie Google damit umzugehen bereit ist, zeigt sich ja an Youtube und an der Idee alle Bücher unabhängig von den bestehenden Rechten zu digitalisieren und ins Netz zu stellen. Ein simpler Passus bei den Nutzungsbedingungen von Googles Unified Social Network könnte dafür ausreichen, das das Mitglied einer Community mit der Nutzung des Tools auch bereit ist, sein Profil und seine Communitydaten zugleich bei Google zu deponieren.

Letztendlich liegt es an den Communitys, ob sie dieses mögliche trojanische Pferd in ihre Community einziehen lassen.

War der Wahlspruch von Google nicht mal „Don’t be evil“?

Das Potenzial und die Qualität von Googles Unified Social Network zeigt, das man bei Google mit diesem Schachzug nicht mehr all zu weit davon entfernt ist, das „Don’t“ ersatzlos zu streichen.

Beliebte Irrtümer 3: Communitys sind Seifenblasen ohne wirtschaftlichen Wert

Dieser Irrtum ist einfach zu widerlegen. Sie müssen dafür nicht Rupert Murdoch fragen. Der Mann ist alles andere als ein verträumter Romantiker, der sich in verspielten Projekten tummelt. Der Kauf von MySpace für mehr als eine halbe Milliarde Dollar hat sich für ihn schon gerechnet. Das Geld kommt allein über den Deal mit Google wieder rein. Googles Kauf von YouTube für 1,6 Milliarden $ klingt da schon spekulativer. Und die Übernahme von Doubleclick für mehr als 3 Milliarden $ zeigt auch das es sich nicht mehr um die Spielwiesen von Studys handelt. Wobei für die Spielwiese StudiVZ auch gute 80 Millionen bezahlt wurden.

Okay, es wird viel bezahlt. Aber wird damit auch viel verdient werden, mögen Sie sich jetzt fragen. Es wird. Nicht von jedem. Und nicht immer gleich ganz dicke Summen, aber letztendlich erklärt sich der ganze Hype wenn Sie ein paar Begriffe austauschen selbst.

Streichen Sie einfach mal das Wort Community und ersetzen es als Markt. Communitys sind nichts anderes als Märkte. Mit einem permanenten wie extrem wirtschaftlichen Zugang, mit einer intensiven Kenntnis der potentiellen Kunden.

Oder mit anderen Worten. Mit einer Community haben Sie ein Stück Marktzugang exclusiv. Mit besseren Kommunikationstools als in jedem anderen Instrument. Mit eingebauter Marktforschung. Mit permanenter Kundenbindung. Mit höherer Wirtschaftlichkeit und automatisierten Prozessen. Und der Chance auch an Produkten und Kommunikation anderer Anbieter zu partizipieren.

Oder sie haben diese Chance eben nicht. Und müssen dafür um so mehr investieren um diesen Nachteil wenigstens teilweise ausgleichen zu können.

Wilfried Schock

Community allerorten. Mogelpackungen inklusive

Wer sich wie ich berufsbedingt mit Communitys beschäftigt, wird es kennen. Das Stöhnen bei jeder Pressemitteilung über die neue und künftig marktführende Community. Nein, nicht noch eine. Oder das Augen rollen, beim Besuch einer neuen Community, die aus wenig mehr als einem schlichten Forum besteht, das mehr oder weniger sporadisch befüllt wird.

Nein, ich übertreibe nicht. Und es sind auch nicht nur die Klitschen um die Ecke, die das Etikett Community auf irgend eine Website aufklatschen, weil es hipp klingt und man damit möglicherweise besser wahrgenommen wird.

Heute habe ich zum Beispiel ein Communitybaby von Lycos besucht und mich angemeldet. Wenn wir davon ausgehen, das Design Geschmackssache ist, bleibt immer noch das merkwürdige Gefühl übrig, das man in dieser Community einfach nur Mails verschicken und empfangen kann, sowie Daten mit anderen Menschen austauschen. Natürlich sind wir alle irgendwo Community. Die der Internetnutzer. Die der Sandalenträger. Die der Erdbewohner. Und natürlich auch die der Lycosbenutzer. Und Lycos macht keine halben Sachen. Da hat man nun schon mal eine Community, also verbreitet man diese auch quer durch europäische und amerikanische Lande. Es ist ja egal was wirklich drin ist, solange nur Community drauf steht, wird sich irgendwer anmelden. Menschen wie ich zum Beispiel, die das aus professioneller Neugier ab und an zu tun gezwungen sind.

Bevor ich hier mit allzu negativem ende, jetzt die gute Nachricht. Es gibt auch hier Hoffnung. Wer auf dem Portal Lycos surft, findet diese Community nicht. Da sag einer, das sich Lycos nicht um seine User sorgt. Diese Community wird einem dort dankbarer Weise erspart. Das ist jetzt wirklich mal ein Grund zu jubilieren. Wenn Jubii als Community kein Anlass zur Freude bereitet, dann eben der Umgang von Lycos mit diesem neuen Baby. Wird wohl ein Waisenkind werden.

Beliebte Irrtümer 2: Communitys sind keine Jugendveranstaltung

Es liegt wohl an der Häufigkeit, mit der Communitys für Jugendliche gegründet und promotet werden, das wir sie als „Jugendveranstaltung“ verstehen. Wobei MySpace als das globale Aushängeschild der Communitys eher einem selbstverstandenen Jugendkult frönt als eine Jugendcommunity zu sein. Eine Community wird auf das getrimmt, was man selbst als cool und jugendlich versteht. Aber das ist ein anderes Thema und MySpace ist fraglich erfolgreich, auch wenn der Lack derzeit zu bröckeln beginnt.

Ein hübsches Beispiel dafür, das Communitys eben keine Jugendveranstaltung sind, findet sich in der AARP. Zu besichtigen unter aarp.org. Jeder zweite US-Bürger ab 50 ist dort zahlendes Mitglied. Die AARP nimmt mehr als eine Millarde US $ an Beiträgen und Gebühren ein und wurde 1957 gegründet. Drei grosse US Printmagazine mit Auflagen jenseits der 20 Millionen sind die ursprüngliche Kommunikationsleistung der AARP. Heute ist man ausgesprochen internetaffin.

Weitere, nicht weniger eindrucksvolle Beispiele für die Behauptung, das Communitys keine Veranstaltung für die Kids sind, liefert der US Präsidentschaftswahlkampf. Besuchen Sie die Sites der Kandidaten. Sie werden keine finden, die nicht teilweise eine Communitysite ist. Obama Barrack stützt seinen Wahlkampf komplett auf das Instrument Community. Letztendlich hat kein Kandidat eine Chance auf das mächtigste Amt der USA – und wohl auch weltweit – ohne die Unterstützung einer gut funktionierenden Community vertrauen kann.

Bedarf es weiterer Belege dafür, das das Thema Community ein sehr erwachsenes ist? Ich denke nicht.

Wilfried Schock