Google Buzz – Googles 4. Anlauf sozial zu werden

Gestern stellte Google sein neues Projekt Google Buzz vor. Damit hat der 4. Versuch sich als Social Network Plattform zu etablieren Name und Inhalt.

Der strategische Hintergrund

Warum ist Google so hartnäckig daran interessiert eine globale soziale Plattform aufzubauen? Langfristig führt daran kein Weg vorbei, wenn Google weiterhin so gut verdienen will. Im Augenblick verdient das Unternehmen prächtig mit der Einblendung von Werbung passend zu Websiteinhalten und Suchanfragen. Auf längere Sicht sind jedoch Plattformen in mehrfacher Hinsicht im Vorteil, die von den Personen, die sie nutzen, umfassende Interessenprofile haben.

Werbung passend zum Interessenprofil

Diese Methode ist der Werbung passend zu Suchabfragen und Websites schon deshalb überlegen, weil sie präziser ist und die Bedürfnisse des Menschen eher trifft. Zudem ist diese Methode kampagnenfähiger, weil kompatibler mit den Abläufen von Kommunikationskampagnen.  Googles Geschäftsgrundlage ist dadurch strukturell bedroht.

Werbung ist nicht immer die bessere Lösung

Das Internet ist interaktiv und ermöglicht mehr als die Einbindung von Werbung. Niemand weiß das besser als Google. Je mehr Unternehmen die Möglichkeiten nutzen,

  • direkt zu verkaufen, statt zu bewerben,
  • Social Media als Dialog mit eigenen oder fremden Plattformen zu nutzen

desto mehr verliert Google.

Um seine Existenz und künftiges Wachstum abzusichern, ist eine Leistungsfähigkeit auf der Ebene sozialer Plattformen mit entsprechendem Instrumentarium für Google zwingend erforderlich.

Googles Social History

Orkut war der Versuch, eine eigene internationale Social Network Plattform zu etablieren. Orkut war in Brasilien erfolgreich, punktete in Indien und hat Nutzer auch in den USA. Das Ziel des global Players wurde weit verfehlt. Diese Rolle hat Facebook eingenommen. Interessanter Weise finden sich bei Google AdPlanner / Google Trends for Websites keine Daten über den Traffic von Orkut.

Open-ID war mit ein Kind von Google und dient der Vereinfachung des Login. Der Erfolg von Open-ID ist überschaubar und wird von seiner strategischen Bedeutung durch die anderen Provider der Open ID für Google minimieret.

iGoogle folgte als kleiner Anlauf sozialer zu werden. Die Startseite ermöglicht nicht nur externe Inhalte zu bündeln. Sie soll auch für gemeinsame Spiele mit Freunden genutzt werden. Der Versuch über eine Portalseite, die mit Gadgets und Kommunikationstools in Richtung soziale Kommunikation ausgebaut werden kann, zur Social Network Platform zu reifen, war bislang nicht erfolgreich.

Google Buzz folgt als logische Konsequenz der These von Jerry Oywang, das eMail eigentlich das größte soziale Netzwerk darstellt. Darüber ob eMail ein soziales Netzwerk darstellt, kann man geteilter Meinung sein. Gmails ca 150 Mio eMail accounts sollen jetzt als Basis der neuen sozialen Plattform dienen. Googles Strategie basiert dabei auf der Einbindung von externem Content – insbesondere von Bildern – auf einem Aktualisierungsdienst und vor allem auf der Vernetzung von Usern innerhalb von Google Mail / Gmail, die über die Kommunikation abgebildet wird.

Wird No. 4 so erfolgreich?

Die strategische Chance des 4. Anlaufs Google Buzz liegt in

  • der Nutzung des sozialen Filters,
  • einer hohen Convinience,
  • einer Verflechtung von Content mit Interessen und regionaler Orientierung.

Google zielt damit zuerst gegen Twitter, unterläuft die Contentseiten, indem Content von dort abgeholt und zum User gebracht wird und versucht auf diesem Weg ein den Social Network Plattformen adäquates, direkt einer Person zuzuordnendes Interessenprofil aufzubauen. Die regionale Orientierung ist die logische Folge der Erkenntnis, das die meisten Suchen regionale Aspekte haben und Social Network Plattformen ohne ausreichende regionale Dichte eher keiner erfolgreichen Zukunft entgegen sehen.

Was spricht gegen den Erfolg von Google Buzz?

  • Google fehlte bislang das „soziale Händchen.“
  • Versuche großere eMail Provider und Portale social zu werden sind kläglich gescheitert.
  • Die Leistung als Social Network Plattfom für den User ist eher me too als innovativ.
  • Das Wachstum der Social Network Plattform ist in der Startphase und mit diesen Features zu eng an den eMail Dienst geknüpft.

Was ist erfolgsentscheidend?

Letztendlich beantwortet sich die Frage nach dem Erfolg von Google Buzz mit den Antworten auf die Frage ob eMail tatsächlich ein social network ist und ob eine große eMail Plattform in der Lage ist seine Ausgangssituation in Form einer bestehenden großen Nutzerbasis erfolgreich zu nutzen.

Google wiederholt zumindest nicht einen Fehler von web.de und gmx, die ihren Anlauf zur Social Network Plattform außerhalb ihres eMail-Services versucht haben. Ob die interne Lösung – die soziale Plattform in den eMail-Dienst zu integrieren besser ist, ist nicht sicher.

Ob eMail als Basis für eine Social Network Plattform ausreicht  oder ob dazu ausgereifte Profile und Funktionen erforderlich sind, wir die Praxis zeigen.

Letztlich geht es auch darum, das Verständnis und die Nutzungsweise eines Dienstes zu Gunsten eines anderen zu verändern. Die reine Orientierung an Funktionen und ein me too – Angebot sind dafür keine Erfolgsgarantie. Dazu ist der Markt schon zu gesättigt.

Fazit

Nachdem aller guten Dinge eben nicht 3 waren, ist No. 4 zumindest der große Bruder der Versuche No. 2 und 3.

Für ein eigenes großes Netzwerk erscheint mir der Zug für Google abgefahren zu sein. Die Übernahme von Facebook wäre dafür die realistischere Methode.

Der Ansatz, User, Nutzung und traffic direkt an Google in Form eigener Plattformen zu binden, ist überholt.

Mit dem Gedanken sich über Content und Vernetzung in bestehende Plattformen einzuklinken, scheint man sich in Mountain View noch nicht wirklich befasst zu haben. Schade eigentlich. Das könnte dem Wettbewerb bei den Social Network Plattformen noch einmal deutliche Impulse geben und Googles Zukunft besser absichern, als die Versuche 1 bis 4.

Ich bin schon mal auf Anlauf No. 5 gespannt.