Youtube – Googles verpasste Social Media Chance?

Youtube – der Mediengigant

Mit Youtube hat Google einen global player in Sachen Medien eingekauft. Wirft man einen Blick auf die Zugriffszahlen von Youtube in Deutschland zeigt sich, das die Videoplattform nur noch von Facebook übertroffen wurde.

Bedenkt man, wie viele Versuche Google unternahm, um selbst ein Bein in die Social Network Branche zu bekommen, erscheint die Vernachlässigung des Social Network Potenzials in Youtube um so erstaunlicher.

Youtube spielt als global player eine beachtliche Rolle und wird deutlich intensiver frequentiert als MySpace oder Orkut – die Social Network Hoffnung von Google, die nur in Brasilien und Indien erfolgreich ist.

Youtubes unterschätztes Social Network Potenzial

Youtube hat – auch wenn das auf den ersten Blick nicht auffällt, den Ansatz eines Social Networks. Es verfügt über Profile und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Usern. Das beides bestenfalls rudimentär genutzt wird, liegt vor allem an der Qualität dieser Keyfeatures. Es macht nicht nur Mühe, die beiden Features zu finden – sie sind auch mehr als nur überholt, was Optik und Leistungsfähigkeit betrifft. Mit etwas mehr Sorgfalt gepflegt, hätte Youtubes Social Network Potenzial entwickelt werden können und sowohl das Wachstum der Videoplattform als auch den Einstieg von Google in Social Media deutlich beflügelt. Auch ohne die Entdeckung und Vitalisierung des Social Network Potenzials hat sich die Nutzung von Youtube weiter positiv entwickelt, fällt aber in der Wachstumsdynamik deutlich hinter Facebook zurück.

Youtube wurde von Google im Herbst 2006 übernommen. Das bei Google das Social Network Potenzial von heute knapp 150 Millionen täglicher Nutzer bis heute nicht erkannt und erschlossen wurde, zeigt, wie weit die Denkweise von Google vom Thema Social Network entfernt ist.

Die strategische Bedrohung

Facebook die neue Nr. 1 in Deutschland

Youtube kann als Abspielstation oder Storing-Website weiterhin erfolgreich sein. Seine Zukunft basiert aber nicht zuletzt darauf, das die Youtube-Nutzung sich als Gewohnheitsverhalten fest verankert. Die Gefahr für Youtube sind die Social Networks. Wenn

  • die Videonutzung stärker direkt in die Social Network Plattformen verlagert wird
  • die Impulse für die Videonutzung über den Freundeskreis stärker auf andere Plattformen führen

kann die bislang noch vorhandene Vormachtstellung von Youtube gefährdet, sein Wachstum begrenzt und die Nutzung reduziert werden. Beide Möglichkeiten liegen in der Hand von Facebook. Youtube kann unter den aktuellen Rahmenbedingungen nichts gegen diese Bedrohung unternehmen. Das bedeutet allerdings nicht, das es gegen diese Bedrohung keine Handlungsmöglichkeiten gibt.

Youtubes Handlungsmöglichkeiten

Youtubes Größe bietet ausreichend Ansätze, sich gegen diese Bedrohung zur Wehr zu setzen. Einige davon lohnt es sich genauer zu betrachten:

  • Die Festigung der habituellen Nutzung: Wenn der Medienkonsum via Youtube sich genauso als feste Gewohnheit etabliert wie der Medienkonsum über einen TV-Sender trägt dies zu einer Absicherung von Youtubs Zukunft bei. Individuell entwickelte Programme und Empfehlungen,die aktiv vorgeschlagen werden – auch bevor der User auf Youtube ist – sind ein Weg in diese Richtung. Ãœber die individuellen Nutzungsgewohnheiten lassen sich diese Vorschläge relativ einfach ableiten.
  • Der Zugriff auf den Freundeskreis: Der Weg Inhalte aktiv über den Freundeskreis zu verbreiten und damit den Medienkonsum via Youtube abzusichern, wirkt der Abhängigkeit von Social Network Plattformen entgegen. Um hier erfolgreich zu sein, ist ein Kanal in diese Freundeskreise und der Abgleich von Facebook Usern und deren Medienkonsum auf Youtube hilfreich.
  • Die Instrumentalisierung von Facebook: als offenes System lässt sich Facebook auch in einer Wettbewerbssituation konstruktiv nutzen. Ein Ansatz dazu ist die „Kanalisierung“ von wichtigen Themen innerhalb von Facebook – z. B. über die Öffnung von Facebook über Themenpages für den Content von Youtube. Dabei sollte nicht vergessen werden, den direkten Zugriff auf die Nutzer der jeweiligen Kanäle – und damit die Unabhängigkeit von Facebook – zu sichern.

Bescheidene erste Schritte

Es wäre unfair, die erkennbaren Versuche der Sozialisierung von Youtube zu verschweigen. Die Freunde der Youtube Nutzer sollen – nicht nur via Facebook – erschlossen werden um ein gemeinsames Nutzungserlebnis zu ermöglichen.

Dieser Ansatz wirkt noch etwas zögerlich und kann nur ein erster Schritt sein. Vor allem aber muss er in eine Gesamtstrategie eingebunden sein, die die Social Network Qualität von Youtube auf einen zeitgemäßen Standard anhebt und Youtube zugleich zukunftssicherer und unabhängiger machen kann. Das diese Gesamtstrategie noch nicht erkennbar ist, bedeutet nicht zwangsläufig, das sie nicht existent ist. Indiz für eine solche Strategie könnten Verbesserungen und Aktivitäten in die Richtung der erwähnten Handlungsmöglichkeiten von Youtube sein, also z. B. die Verbesserung der Youtube-Profile, möglichst in Verbindung mit angebundenen FB-Profilen, einer „individuellen Programmpolitik“ oder der aktiven Nutzung von Youtube-Themapages in Facebook um dort einen direkten Kanal für den Medienkonsum mit einem Zugriff auf den sozialen Feed und – bei elegantem Ansatz – auch auf die Nutzer selbst zu erhalten.

Fazit

Google wird weiterhin ein begehrliches Auge auf die Social Network Welt haben. Letztlich geht es darum, Potenziale zu sichern. Das Google beim Wettbewerb um die Vorherrschaft im Netz vorhandene Potenziale in der Größenordnung von Youtube nicht nutzen wird, ist eher unwahrscheinlich.

agof if 2010/III – die Entwicklung setzt sich fort

Die agof Studie if 2010/III ist veröffentlicht

Die agof hat heute die Zahlen der if 2010/III veröffentlicht. Auch wenn die unique users für die Nutzung von Social Network Plattformen nicht der Weisheit letzter Schluss sind, geben sie doch einen Hinweis auf die Entwicklung, betrachtet man sie im Vergleich mit früheren Ergebnissen. Das wiederum ist durch den Wechsel der Erhebungsmethode mit den bekannten Ausreissern in 2010/I nur sehr eingeschränkt – auf die Studien if 2010/II und if 2010/III – möglich. Zudem sind in der if nicht alle Social Network Plattformen enthalten. Facebook tritt hier bestenfalls als das berühmte „Schwarze Loch“ auf, das Nutzung und User geradezu magisch an sich zieht.

Die wichtigsten Erkenntnisse der if 2010/III

Auf den ersten Blick „in 3 nix neu“ – so könnte man die wichtigste Erkenntnis für die größeren und in der agof ausgewiesenen Social Network Plattformen zusammenfassen.

Lässt man den Ausreisser von 2010/I ausser Betracht, setzt sich auf den ersten Blick die Entwicklung in den einzelnen Plattformen fort und gibt genauer betrachtet doch kleine Überraschungen preis:

  • KWICK! hat um beachtliche +25% an unique usern zugelegt. Dieses Wachstum gegen den allgemeinen Trend fällt schon aus dem Bild, das die Branche insgesamt gibt.
  • die VZs gaben etwas mehr als –4% an unique users ab,
  • MySpace hat den turnaround nach unique users zumindest – noch? – nicht geschafft und verlor im 3. Quartal -5.5% seiner unique users.
  • wkw verliert gegenüber 2010/II nur -2% an unique users
  • Stayfriends hat es mit einem Rückgang von knapp -15% in einem Quartal sehr viel deutlicher getroffen, auch wenn dieser Einbruch durch die andere Form der Refinanzierung nicht so schnell und hart durchschlägt, wie bei einer rein werbefinanzierten Plattform.
  • die Knuddels schrumpften im 3. Quartal um gut -3% ihrer unique users,
  • Netlog dagegen hat es mit dem Einbruch um -20% bei den unique users unter die Millionengrenze gedrückt.

Rote Zahlen – wohin das Auge blickt – sieht man mal von dem kleinen gallischen schwäbischen Dorf ab, das gegen die blaue Flut Widerstand leistet und sich standhaft weigert  tiefer gelegt zu werden unterzugehen.

Unique Users bilden die Realität in den Social Network Plattformen nur unzureichend ab

Wer einmal im Monat in einer Social Network Plattform vorbeisieht, ist nach dem Verständnis der Branche kein aktives Mitglied und eher dabei, der Plattform vollends verloren zu gehen. Nach der Definition der agof ist dieser User als unique user genauso wichtig, wie die Mitglieder, die mehrmals die Woche oder täglich auf der Plattform aktiv sind. Ähnlich ist es mit der Art der Nutzung: ein User, der kurz einen Blick ins Mailfach wirft und dann schon wieder weg ist, trägt deutlich weniger zu Attraktivität und Erhalt von Plattform bei, als der User der seine 2 Stunden durchschnittlich auf der Plattform aktiv verbringt.

Um dem unique visitor der agof eine begleitende Information zur Seite zu stellen, nachfolgend die daily unique visitors von Google – die auch nicht der Weisheit letzter Schluss sind, wie ich sehr wohl weiss.

Social Network Plattformen I

Die VZs und wkw sind sich in dieser Tabelle zumindest in der Richtung einig. Es geht abwärts. Der Rückgang hat auch meinvz.net erfasst.

Social Network Plattformen II

Hier zeigt sich besonders deutlich der Absturz von MySpace, gefolgt vom Rückgang bei den Lokalisten. Der deutliche Einbruch bei Netlogs unique users agof fällt hier optisch nicht so sehr auf. Interessant ist das sich das Userwachstum nach agof – immerhin stolze 26% innerhalb eines Quartals – bei den daily unique visitors nicht in gleichem Maß zeigt. Es ist lediglich ein dezenter Peak im Juli 2010 zu erkennen.

In diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf Jappy.de angebracht. Jappy wird – weil nicht gemessen – gerne übersehen. Die Entwicklung dieser eigenständigen Plattform ist zumindest einen Blick wert, weil die Plattform zu den größeren deutschen Social Network Plattformen zählt und eine relativ stabile Entwicklung bei den daily unique visitors hat. Ein Novum, das Jappy mit einigen kleinen Plattformen teilt.

Und Facebook?

Der Netzwerkgigant etabliert sich in Deutschland weiter. Da wir keine agof unique users haben, können und müssen wir als Vergleichsbasis auf die Google Trends zurückgreifen.

Der Vergleich von wkw (größte Einzelplattform) und Facebook für den deutschen Markt zeigt die Entwicklung ganz eindeutig. Facebook marschiert weiter durch. Dieses Bild ist auch für andere europäische Regionen typisch, wenn wir mal die Niederlande ausklammern. Dort ist Hyves.nl noch nicht von Facebook eingeholt worden, der Trend zeigt allerdings an, das auch damit zu rechnen ist.

Für die meisten deutschen Social Network Plattformen – sieht es eher düster aus. Viele kleine Plattformen sind für den Wettbewerb schlichtweg nicht gerüstet. Man hat all zu oft schlichtweg vergessen, eigene Stärken auf- und auszubauen, mit denen man einem globalen Gegner erfolgreich Paroli bieten könnte. Das ist schon aufgrund der Dynamik der Branche leicht verständlich. Wo es die kleinen Unternehmen hinter den Plattformen bis an und oft auch über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit forderte, die technische Plattform am Laufen zu halten, waren und sind plötzlich – neben dem ständig wachsenden Anspruch an Kommunikationstools und Möglichkeiten der Selbstdarstellung für die Mitglieder auch noch nutzenstiftende Elemente gefragt, die ein globaler Anbieter nicht kopieren kann.

Wird es neben Facebook noch eine Zukunft für andere Plattformen geben?

Ich bin davon überzeugt, auch wenn diese Zukunft sicher völlig anders aussehen wird. Nicht zuletzt lässt sich Facebook ja auch als Tool für Communitybuilding betreiben und ermöglicht den Aufbau von Communitys ohne dabei die technische Herausforderung stemmen zu müssen, die eine attraktive und zeitgemäße Social Network Plattform darstellt. Die Nische liegt meiner Meinung nicht im direkten Wettbewerb mit Facebook sondern in der Integration von Facebook in eine Nutzenstiftung für den regionalen und lokalen User, die ausserhalb der Möglichkeit eines global agierenden Unternehmens liegt.

Facebook gibt Gas – Werbeeinnahmen 2010 mehr als verdoppelt

Facebooks Werbeumsatz gegenüber Vorjahr mehr als verdoppelt

Bloomberg und Mashable melden es: Facebooks Werbeumsätze werden sich in 2010 mehr als verdoppeln. In 2009 lagen die Werbeumsätze zwischen 700 und 800 Millionen US-$. Nach Insiderinformationen wird Facebook in 2010 mehr als die angestrebten 1,5 Mrd. US $ in Werbung umsetzen und vermutlich 2 Millarden Umsatz mit Werbung generieren.

Mark Zuckerberg, Gründer und CEO von Facebook wurde gestern von TIME Magazin zum Mann des Jahres 2010 erklärt. Betrachtet man die Entwicklung der Umsätze von Facebook, wurde diese Wahl sehr direkt bestätigt. Facebooks Umsatzwachstum weisst eine Dynamik vergleichbar der von Google in deren früherem Stadium auf.

Facebooks Marktanteilsprung bei Display Werbung

Nach eMarketer hat sich der Marktanteil von Facebook an der Display-Werbung in den USA um knapp die Hälfte erhöht (von 6,6% Marktanteil auf 9,3%). Dieser Marktanteilssprung ging primär nicht zu Lasten von Yahoo (Marktführer) oder Google (Platz 2 hinter Yahoo in Display-Werbung). Mit diesem Marktanteilssprung hat sich Facebook in den USA auf Platz 3 bei Display Werbung geschoben.

Facebooks geschätzter Marktwert explodiert

Public Shares bewertet den Marktwert von Facebook derzeit mit über 43 Mrd. US-$. Damit hat sich der geschätzte Marktwert des Netzwerkgiganten in den letzten 3 Monaten um 60% erhöht und gegenüber März 2010 vervierfacht. Auch wenn es sich bei diesen Angaben nicht um reale Marktbewertungen über die Börse handelt, ist diese Entwicklung beeindruckend. In wie weit sie sich weiter fortsetzt, wird sich zeigen müssen. Die nun bekannt gewordene sehr positive Entwicklung bei den Werbeumsätzen dürfte die geschätzte Marktwertentwicklung von Facebook zumindest nicht dämpfen.

Social Media ROI – die Informationspyramide

Jerry Owyang von Altimeter veröffentlichte heute in seinem Blog Web Strategist einen  lesenswerten Artikel zum Thema Social Media ROI, deren Messgrößen und nicht zuletzt die Aggregation und Integration in Unternehmenskennzahlen.

Hier zwei Zitate aus dem Artikel Рweil sie so sch̦n treffend die Dinge auf den Punkt bringen:

The novice provide executives with engagement data.

The seasoned professional provides executives with business metrics first.

Nach den Erfahrungen von Altimeter ist diese Vorgehensweise eher die Ausnahme als die Regel:

  • 65% der Unternehmen orientieren sich primär an Engagement Data als wichtigster Orientierungsgröße
  • nur 22% messen die Ergebnisse ihrer Social Media Aktivitäten an wirtschaftlichen Ergebnissen.

Je mehr die wirtschaftliche Bedeutung von Social Media in den Unternehmen anhand von entsprechenden Fakten belegt wird, desto eher wird man dieses Instrument entsprechend seiner Chancen einsetzen.

VZs fliehen in die Nische

Das die direkte Auseinandersetzung mit Facebook nicht gewonnen werden konnte, ist und war naheliegend. Hier entschied nicht nur der Wettbewerb Clone gegen Orginal. Erwartungsgemäß hat sich die offene Plattform gegen die abgeschottete Lösung durchgesetzt, setzte sich die Plattform mit der schnelleren Entwicklung gegenüber der langsameren durch.

Das Interview von Clemens Riedl im Handelsblatt ist nicht nur Zeichen dafür, das sich die VZs auf die Realität zubewegen. Die Inhalte des Interviews lassen auch für die neue Strategie der VZs wenig Hoffnung auf Erfolg.

Die Positionierungsfrage

Die Frage Community oder Plattform, die von Riedl im Zusammenhang mit Facebook als Gegensatz zu den VZs angesprochen wird, ist für Social Networks von größerer Bedeutung, als die umgangssprachliche Benutzung der Begriffe erwarten lässt. Mit ihr wird nicht nur das Wesen definiert – aus ihr leiten sich auch strategische Optionen ab. Deshalb skizziere ich hier kurz die Unterschiede

Plattform: Social Networks, die sich als Plattformen definieren, sehen den Kern ihres Wesens in der technischen Dienstleistung. Sie stellen eine Kommunikationsplattform, die von

  • Individuen in und mit ihrem privaten sozialen Netz – dem Freundeskreis –
  • Communitys als Gemeinschaften, die z. B. durch gleiche Interessen und Vorlieben, Ziele oder Verhalten definiert werden

genutzt werden. In einer Plattform befinden sich also Individuen, private soziale Netzwerke (Freundeskreise) und Communitys – letzteres z. B. in Form von Gruppen oder Fans. Wichtige strategische Bedeutung der Positionierung als Plattform: Das Potenzial einer Social Network Plattform ist immer größer als das von Communitys. In einer Plattform können eine Vielzahl unterschiedlichster Communitys aktiv sein. Die größeren Social Networks sind immer als Plattformen entstanden, weil nur in dieser Positionierung das dynamische Wachstum möglich war, das die Wettbewerbssituation erzwang.
Community: hier finden sich Menschen zusammen, die nicht zwingend einem gemeinsamen sozialen Netz entstammen, aber durch Gemeinsamkeiten, wie z. B. Interessen, Werte, Ziele, Vorlieben etc. verbunden sind und auf dieser Ebene interagieren. Die strategische Bedeutung der Community liegt in ihrem kleineren Potenzial (gegenüber der Plattform), einer geringeren Wachstumsdynamik und ihrer höheren Attraktivität und Bindung.

Die VZ Strategie: Clemens Riedl kündigt im Interview des Handelsblatts die geplante Verschmelzung von StudiVZ und MeinVZ an. MeinVZ ist eine Plattform, StudiVZ war nie eine reine Studentencommunity. Die Verschmelzung dieser beiden Plattformen wird zwangsläufig eine noch heterogenere Plattform, als die beiden Einzelplattformen es für sich sind. In der Fokussierung auf eine Kernzielgruppe der 12-29jährigen verabschiedet sich das Unternehmen zugleich von der MeinVZ-Positionierung. Die wiederum war bislang der stabilisierende Pfeiler in der Entwicklung des Userbestands der VZs.

daily unique visitors der VZs nach Google Trends

Eine Orientierung in Richtung Community – wie sie sich in der Fokussierung auf die „Jugend“ andeutet, wäre für die VZs gleichbedeutend mit einer hausgemachten, zusätzlichen Beschleunigung des aktuellen Nutzerrückgangs. Zudem stellt der Wechsel von Plattformstrategie auf Communitystrategie Anforderungen, die leicht die Möglichkeiten des Unternehmens überfordern.

Um über die angedeutete Strategie eines Kommunikationsproviders im Markt erfolgreich zu sein erfordert es entweder die nötige technische Innovation oder eine hohe Reichweite in wichtigen Zielgruppen und die Fähigkeit, diese Reichweite auch in wirtschaftliche Ergebnisse umzuwandeln.  Allein letzeres ist mehr als fragwürdig. Beachten wir noch, das Kommunikationsprovider gerade bei jüngeren Wettbewerbern die mobile Kommunikation miteinschließen muss, stellt man sich damit auch in den Wettbewerb mit der entsprechenden Branche. Dies erfordert einen Wettbewerbsvorteil, der kaum in den Unternehmensressourcen oder der technischen Innovation liegen kann, sondern in der Entwicklung und Vermarktung innovativerer und preiswerterer Kommunikationsdienstleistungen. Diesen Wettbewerbsvorteil aufzubauen und im Markt umzusetzen ist für eine Plattform, die massive Probleme mit der eigenen Kerntechnik und der Mitgliederbindung hat, eher zu ambitioniert als realistisch.

Die Wettbewerbssituation verschlechtert sich für die VZs

Die VZs verabschieden sich aus dem Wettbewerb mit Facebook. Das erinnert ein wenig an MySpace. Dieser Anbieter repositioniert sich aber deutlich konsequenter und versteht sich jetzt als Entertainmentplattform. Von solch einem erkennbaren Schritt ist bei den VZs nichts zu erkennen.

Das sich die VZs aus dem Wettbewerb nehmen, bedeutet natürlich nicht, das dieser Wettbewerb beendet ist. Man konkurriert auch nach dieser Ankündigung weiter um User und um Werbekunden. Jetzt allerdings nicht mehr mit dem Anspruch in Deutschland auf gleicher Augenhöhe und Wertigkeit mitzuspielen.

Unternehmen, die Social Networks als Marketingtool verstehen – und nicht als Abspielkanal für Displaywerbung – nutzen diese Plattform für den Aufbau einer Kommunikationsbasis mit ihren Zielgruppen. Diese Kommunikationsbasis hat „Infrastrukturcharakter“, ist also nicht gerade kurzfristiger Natur. Die Frage, welche Plattform für den Aufbau einer Kommunikationsinfrastruktur zukunftssicherer ist, wurde von den VZs mit diesem Interview realistisch beantwortet: Facebook.

Die Achillesfersen der VZs

Die VZs glänzen gleich mit einer ganzen Reihe von Achillesfersen, die einzeln betrachtet kritisch sind.

Dynamik: auch richtige Entscheidungen werden bei den VZs erst später als in anderen Plattformen umgesetzt. Die Dynamik in der Entwicklung hängt deutlich hinter dem – ehemaligen, aktuellen und auch zukünftigen – Wettbewerber Facebook zurück und wird auch von anderen deutschen Plattform deutlich übertroffen. Das Unternehmen ist für seine Branche weder ausreichend innovativ noch dynamisch genug. Der Ansatz des Kommunikationsproviders wird der Realität und der Dynamik ebenso wenig gerecht, wie der technischen Entwicklung.

Positionierung und Strategie: Die Überlegung mit verschiedenen Marken communityähnliche Plattformen zu etablieren, ist gescheitert. Die geplante Zusammenführung von StudiVZ und meinVZ lässt im Markt keine positiven Entwicklungen erwarten und ist Wasser auf die Mühlen von Facebook. Dieser Zickzackkurs lässt nicht auf eine fundierte strategische Kompetenz im Unternehmen schließen.

Geschäftsmodell und Wertschöpfung: So erfreulich die schwarzen Zahlen des 2. Halbjahres bei den VZs auch sind, so wenig sollten sie darüber hinweg täuschen, das die VZs hier meilenweit hinter ihrem großen Nichtmehrgefühltenwettbewerber zurück liegen. Die Zukunft der Social Network Plattformen liegt weniger in der Displaywerbung, als im intelligenteren Einsatz von Empfehlungsmarketing und Userintegration. Hier bietet das offenere System von Facebook auf der technischen Ebene strategische Wettbewerbsvorteile, denen die VZs nichts entgegen zu setzen haben und schiebt die VZs auf der wirtschaftlichen Ebene über die Reichweite deutlich in die Zweitklassigkeit.

Vergleicht man innerhalb dieser 2. Liga die VZs mit Jappy oder KWICK!, zeigt sich, das die VZs einen vergleichsweise großen Apparat benötigen, der bei der geringen Ertragsqualität der gesamten Branche bedenklich ist.

Wirtschaftlichkeit und Rentabilität: Nach Riedl sind die VZs im zweiten Halbjahr 2010 vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen profitabel – bei kleinen Abschreibungen. Damit hangeln sich die VZs an der Wirtschaftlichkeitsgrenze entlang, wenn man Kostenbereiche ausklammert. Von einem rentablen Betrieb scheint man damit noch entfernt zu sein, insbesondere wenn man dieses Investment aus der Sicht des Investors betrachtet.

Eine Zukunft für die VZs?

Die Phase des Wachstums haben die VZs definitiv hinter sich. Die Strategie muss in der Konsolidierung der erzielten Reichweite und deren wirtschaftlichen Nutzung liegen. Auch dazu ist eine klare Strategie mit an der Realität und der Unternehmenssituation ausgerichteten Inhalten unverzichtbar. Kern dieser Strategie sollte eine leistungsfähige, offene Plattform sein, die aus Userebene wie auf Businessebene wettbewerbsfähig ist. Facebook ist weder unangreifbar, noch muss diese Plattform angegriffen werden. Die Einbindung von Facebook in die Konsolidisierung der eigenen Userentwicklung macht deutlich mehr Sinn und ist durch die offene Struktur von Facebook relativ schnell zu realisieren.

Wettbewerbs- und damit Zukunftsfähigkeit hängt in dieser Branche sehr weitgehend von der Unternehmensdynamik ab. Wer zu spät kommt, hat keine Zukunft mehr. In der Vergangenheit glänzten die VZs nicht mit Innovation und Dynamik in der Entwicklung nützlicher Features. Erfahrungsgemäß liegen hier die Ursachen in der Koordination der Entwicklungsressourcen, ihrer Arbeitsorganisation und nicht zuletzt in den Prioritäten.

Eine Zukunft für die VZs hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob sie jenseits der Abspielstation von Displaywerbung sinnvolle Leistungen für das Marketing von Unternehmen erbringen können. Und damit meine ich explizit nicht die Edelgruppen. Die Defizite der Unternehmen rund um das Thema Social Network Marketing bieten nur  eine überschaubare Zeitspanne um ganzheitliche, zukunftssichere und nicht zuletzt auch wertschöpfendere Leistungen zu entwickeln und zu vermarkten. Dies erfordert allerdings Kompetenz und Innovationskraft, für die sich die VZs bislang noch keinen Namen gemacht haben.