Wenn Facebook ein Land wäre…..

…diese Bemerkung habe ich nicht zum ersten Mal und vermutlich auch nicht zum letzten Mal gehört. Reflexartig schalte ich da meine Aufmerksamkeit zwei Stufen herunter, weil ich zu wissen glaube, was als nächstes kommt. Und genau das ist falsch.

Mubarak sei Dank – ein Blick auf Facebooks politische Dimension

Das Beispiel eines Diktators, der auch durch die Nutzung von Facebook zurückgetreten wurde, wirft ein anderes Licht auf die Social Network Plattform. Facebook ist kein Land, aber es kann die politische Lage in einem Land deutlich verändern. Das wirft automatisch Fragen auf, lässt neue Themen erkennen.

Wird eine Plattform wie Facebook ein politisches Gestaltungsinstrument „von unten“ für nationale und internationale Themen? Wäre Facebook ein Land, hätte es sich sicher nicht so deutlich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen können. Damit hätte es nicht zuletzt auch weder vergleichbar aktiv zum Sturz des tunesischen Diktator Ben Ali noch von  Hosni Mubarak beigetragen. Die Existenz als politisch unterschätzte Plattform erlaubte die Nutzung durch die User zu Zwecken, die einem konventionellen Medium eines Landes nicht möglich wäre.

Wäre es möglich, das ein Fernsehsender oder ein Printmedium so deutlich zum Umsturz in einem anderen Land beiträgt, ohne das die Politik des Landes, in dem dieses Medium seinen Sitz hat, dies billigt? Oder dem entgegen wirkt, wenn dies nicht seinen Interessen entspricht? Wohl eher nicht.

Wer hätte vor Tunesien wirklich geglaubt, das eine Social Network Plattform so deutlich dazu beitragen kann, die politischen Geschicke eines Landes schnell zu verändern? Die regierende Klasse in Tunesien sicher nicht.

Wäre dieser Veränderungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist, ohne die Möglichkeiten von Social Media und Social Networks erfolgreich gewesen? Das ist unwahrscheinlich. Die Zensur des Internets „fünf vor zwölf“ war wirkungslos, weil die entscheidenden Prozesse früher in Gang gekommen waren. Wenn ein Volk sich seiner Kraft bewußt wird und diese Kraft für jeden ermutigend sichtbar und erlebbar wird, hilft der Griff zur Steckdose nicht mehr.

Kann und wird die Politik ein Instrument mit diesem Veränderungspotenzial künftig ignorieren? Das ist eher unwahrscheinlich.

Politische Bedeutung ohne politische Konsequenzen?

Cyberwar ist als Thema bei den meisten Nationen angekommen. Szenarien, in denen durch gezielte Angriffe via Internet die Infrastruktur des eigenen Landes beschädigt werden, sind nun mal wenig erfreulich. Der Sturz eines Diktators durch das eigene Volk mit Hilfe von Facebook klingt ausgesprochen positiv und ist es auch. Die damit belegte Leistungsfähigkeit einer Social Network Plattform wirft aber auch ein neues Licht auf die Plattform an sich.

Wenn ein mediales Instrument nennenswerte politische Bedeutung hat, wird es auch von der Politik als solches wahrgenommen. Das ist logisch. Bislang betrachten wir die politische Bedeutung von Social Media und insbesondere Social Networks bestenfalls aus dem Blickwinkel des Wahlkampfes von Barack Obama – also aus dem Blickwinkel nationaler Politik.

Die Veränderungen im Maghreb zeigen internationales politisches Veränderungspotenzial. Zwar hat in jedem Land die Bevölkerung „nur“ für Veränderungen im eigenen Land gesorgt. Diese Veränderungen und die Erfahrungen, die zu diesen Veränderungen geführt haben, dienten und dienen als Beispiel für andere. Vernetzung und Erfahrungsaustausch stehen in einer Plattform wie Facebook über nationale Grenzen zur Verfügung. Die internationale Dimension der Vernetzung wird bestenfalls nur durch Sprachbarrieren begrenzt. Damit finden Usern know how und internationale Unterstützung für Veränderungen im eigenen Land.

Wenn Social Network Plattformen sich durch das Volk als politische Entwicklungsbeschleuniger nutzen lassen, können sie dann auch als Instrument einer direkten aber subtilen politischen Einflussnahme in anderen Ländern genutzt werden?

Wer die Entwicklungen innerhalb der verschiedenen Plattformen in Deutschland aufmerksam  beobachtet, kennt das Problem des Missbrauchs von Social Network Plattformen durch Rechtsextreme. Diese unerwünschte Klientel hat als erste die politische Qualität von Social Network Plattformen entdeckt und versucht sie mehr oder weniger subtil für ihre Zwecke zu nutzen. Die Betreiber von Social Network Plattformen sind bei Gegenmaßnahmen mehr oder weniger auf sich allein gestellt und bewältigen diese Aufgabe in unterschiedlichster Qualität.

Das häßliche Gesicht der Wirtschaftspolitik

Auch die Wirtschaftspolitik hat ein hässliches Gesicht, über das man – gerade in Deutschland – nur sehr ungern spricht: die Wirtschaftsspionage. Nahezu jedes Land, das dazu in der Lage ist, sich auf diesem Weg Vorteile zu verschaffen, nutzt diese Methoden. In den USA gehört Wirtschaftsspionage offiziell zu den Aufgaben von Geheimdiensten. Das Wissen um die Anbahnung wirtschaftlich relevanter Kontakte via Linked In und Facebook klingt harmlos, muss es aber nicht sein. Insbesondere wenn dabei beiläufig auch Informationen anfallen, die für Wettbewerber interessant sein könnten. Wer sich mit wem vernetzt kann als Information nicht weniger interessant sein, wie eine auf den ersten Blick harmlose koordinierende Kommunikation auf militärischer Ebene. Und wer denkt bei der Kommunikation via Facebook oder Linked In daran, das die Vertraulichkeit dieser Kommunikation alles andere als gesichert ist.

Märkte und Politik

Stellen Sie sich vor, ein einzelnes Social Network wäre ein zunehmend wichtiger globaler Marktzugang für die verschiedensten Branchen und diese Plattform stamme aus Ihrem Land. Stellen Sie sich vor, die Nutzung dieser Plattform wäre für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Branchen zunehmend wichtig. Würden Sie versuchen dahingehend Einfluss zu gewinnen, das Unternehmen Ihres Landes Wettbewerbsvorteile hätten oder würden Sie dies nicht?

Politiker werden bei uns darauf vereidigt, Schaden vom Land fern zu halten und seinen Nutzen mehren. In anderen Ländern ist das ähnlich. Wir befinden uns in Deutschland in der Situation, das wir bestenfalls versuchen können, den Schaden aus einer erkennbaren monopolartigen Vormachtstellung eines einzelnen Social Networks zu reduzieren. Auf die Hilfe unserer Regierung sollte sich dabei niemand verlassen.

Wenn Facebook eine Nation wäre…..

….wäre Facebook dann eine Demokratie? Im Augenblick ist Facebook eine neutrale Plattform, die zu den unterschiedlichsten Zwecken genutzt werden kann. Auch um politische Macht zu erringen oder politische Verhältnisse zu verändern.

….wäre die Wahrscheinlichkeit diskreter politischer Einflußnahme vermutlich geringer. Für das Thema Social Media und Social Network Plattformen wird der Umgang mit der politischen Dimension – und daraus resultierenden Begehrlichkeiten- eine neue Herausforderung.