Relaunches, Features, Selbstverständnis – deutsche Plattformen im Wettbewerb mit Facebook

Relaunches, neue Features, neues Selbstverständnis – wie deutsche Plattformen im Wettbewerb mit Facebook agieren.

Facebook blüht und gedeiht auf hohem Niveau während die deutschen Social Network Plattformen mehr oder weniger schnell dahin schwinden. Eigentlich sollte dies Anlass genug sein, um sich grundsätzliche Gedanken darüber zu machen, wie dem zunehmenden Nutzerschwund und dem damit einher gehenden Abstieg in Bedeutungslosigkeit und wirtschaftliches Aus zu begegnen ist.

Nun wird das auch sicher gemacht. Zumindest wird es versucht. Betrachten wir die Ergebnisse dieser Ãœberlegungen, soweit sie von außen erkennbar sind, bleibt der Vergleich mit einer „Vogel Strauß Politik“ nicht fern.

Die VZs

Eigentlich befindet man sich nicht mehr im Wettbewerb mit Facebook – so die Erkenntnis der VZs. Was ja nichts anderes bedeutet, als das man den Wettbewerb aufgegeben hat. In einem System das dezente Neigung zum Monopol nicht verbergen kann, steht diese Aufgabe des Wettbewerbs für eine Vorstufe der Selbstaufgabe. Wenn man selbst den Wettbewerb aufgibt, ist das nun mal kein Ende des Wettbewerbs, lediglich der Beginn des eigenen Ende durch den Wettbewerb.

Natürlich ist auch diese Einsicht der VZs nicht final, sondern beta. Schließlich gibt es da noch einen Investor, der ungern zusehen wird, wie sein Investment sanft die Spree hinunter geigt und eine neue CEO.

Der Relaunch der VZs, oder das was davon bislang zu sehen ist, wirkt wie eine dezente Verbesserung der Usability und ist davon weit entfernt nachhaltig zur Existenzsicherung beizutragen.

 

Wer-kenn-wen

Der Versuch sich stärker am Alltag der User zu orientieren, ist für eine Social Network Plattform eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Im Fall von wkw besteht diese stärkere Orientierung an der Realität in einer Anbindung von Gruppen an bestehende Vereine.  Eine Verbindung von Gruppen mit Vereinen und ein für mich ausgesprochen gekonnt spießig wirkendes Vereinsheim als Hoffnungsträger für eine Trendwende im Abstieg? Da wo User wkw aktiv nutzen und zugleich Vereinsmitglied sind, ist die Etablierung entsprechender Gruppen sicher längst erfolgt. Was aber, wenn die Aktivität der Vereinskollegen bereits auf anderem Boden stattfindet? Dann kommt dieser Ansatz zu spät. Und das wkw von der Abwanderung nicht längst betroffen ist,  wird niemand bezweifeln.

Auch wenn der Ansatz der Userbindung über deren reales soziales Umfeld in der Sache richtig gedacht ist, wird das Vereinsheim in wkw nicht wirklich dazu beitragen, der Abwanderung Herr zu werden. Gut angedacht, aber leider nicht zu Ende gedacht.

 

Jappy

Die am meisten übersehene wie unterschätzte Plattform steht ebenfalls vor einem Relaunch. Die Version 4 von Jappy soll dieses Jahr an den Start gehen. Informationen über die Veränderungen gibt es hier.

Soweit man von diesen Informationen ausgehen kann, wird das neue Jappy an Usability und an Kommunikationsqualität zulegen. Ob dies ausreicht um dem Sog des großen blauen Lochs mit Namen Facebook erfolgreich entgegen zu wirken, ist mehr als nur fraglich. Hilfreich für Jappy ist der etwas höhere Altersdurchschnitt. Dadurch könnte der Abstieg etwas langsamer und später stattfinden.

Ansonsten fehlen erkennbare Ideen, wie der Herausforderung Facebook zu begegnen ist und man verfällt gemeinsam mit anderen überlebenswilligen deutschen Plattformen auf den gleichen Fehler – sich ausschließlich auf die eigene Plattform zu konzentrieren.

 

Fazit

Natürlich ist es richtig und empfehlenswert, die Qualität der eigenen Plattform systematisch zu verbessern. Leider wird die beste Qualität nicht ausreichen um den Netzwerkeffekt auszugleichen. Durch die Fokussierung auf die eigene Plattform bleibt als bestmögliches Ergebnis nur der etwas langsamere Abstieg, das verzögern des längst nicht mehr leise schleichenden Tods.

Die Chance für die deutschen Plattform liegt sicher nicht in einer ziellosen Konfrontation im Sinne eines entweder – oder für die User. Sie haben – im Gegensatz zu Facebook – die Möglichkeit ein zielführendes sowohl als auch intelligent gestalten und durch eigene Wettbewerbsvorteile zu stärken. Es wird Zeit diese Chancen zu nutzen, solange den deutschen Plattformen dafür noch Ressourcen zur Verfügung stehen. Der schleichende Rückgang an aktiven Usern geht letztlich auch mit einem Rückgang an wirtschaftlichen Ressourcen einher.

Für die Sicherung der Plattformexistenz ist die Fokussierung auf einen immer geringer werdenden Userstamm alles andere als ausreichend. Um User von Facebook zurück zu holen, ist eine offensivere Beschäftigung mit den Stärken und Schwächen von Facebook und Ansatzpunkten um diese zum eigenen Vorteil zu nutzen, nicht zu vermeiden.

Fürchtet Euch nicht, könnte man ein klassisches Zitat benutzen. Was immer ihr in den direkten Wettbewerb und die Nutzung von Facebook zu Eurem Vorteil investiert, ist besser getan, als in einen eleganteren schleichenden eigenen Untergang zu investieren.

Sack Reis?

Nico Lumma hat seine Meinung über die Bedeutung der deutschen Social Network Plattformen mit der Bedeutung des berühmten Sack Reis verglichen, der irgendwo in China umfällt. Das klingt ausgesprochen nachvollziehbar, trotzdem teile ich diese Einschätzung nicht ganz. Mit den Social Network Plattformen entsteht eine Infrastruktur, deren Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft erst langsam erkannt wird.

Man könnte es so sehen: Wir haben uns an die Monokultur von Windows gewöhnt und an dessen Folgen. Wir werden auch mit einer Monokultur bei Social Network Plattformen zurecht kommen. Allerdings geht die Bedeutung von Social Network Plattformen über die eines Betriebssystems von PCs hinaus. Windows hat meines Wissens nach nicht nachhaltig zu politischen Umstürzen beigetragen. Und Social Networks verfügen über das grundsätzliche Potenzial einigen Branchen – auch in Deutschland – die wirtschaftliche Basis zu entziehen.

Verschwinden alle leistungsfähigen deutschen Social Network Plattformen aus dem Markt, laufen wir Gefahr, das damit auch eine Kompetenz verschwindet. Auch wenn diese gerade nicht wirklich durch Innovationskraft beeindruckt.