Social Media Strategieentwicklung – der POST Ansatz von Li und Bernoff kritisch hinterfragt

Ohne eine durchdachte und wettbewerbsfähige Social Media Strategie steht die Investition eines Unternehmens in Social Media auf einem unsicheren Fundament. Weil wir in Social Media in einem besonders intensiven Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Social Media Nutzer stehen, sollten wir der Wettbewerbsfähigkeit ebenso besondere Aufmerksamkeit widmen.
Der Ansatz aus dem heraus wir eine Strategie entwickeln hat weitgehenden Einfluss darauf wie unsere Strategie ausfällt. Es ist entsprechend empfehlenswert diesen Ansatz sehr sorgsam zu wählen, wie das Beispiel des POST Ansatzes von Li und Bernhof zeigt.

Der POST Ansatz einer Social Media Strategieentwicklung orientiert sich an People, Objektives, Strategy und Technology. In diesem Blogbeitrag von 2007 von Bernoff wird die Methode kurz skizziert, bei Claudia Hilker und Prof. Dr. oec. Daniel Michels und bei t3n finden sich umfassendere Beschreibungen dieses Planungsprozesses.

Das die Social Media Strategie eines Unternehmens zwangsläufig diese vier Bestandteile beinhalten muss, liegt in der Natur der Sache. Das im Entwicklungsprozess dieser Strategie allerdings einige Elemente mehr berücksichtigt werden sollten und vor allem die Wechselbeziehungen zwischen diesen Strategiebestandteilen nachhaltige Auswirkungen auf den möglichen Erfolg der Strategie haben, ist der Kern meiner Kritik an diesem Ansatz. Einige Aspekte davon – aber auch nicht einige – sonst wird dieser Beitrag zu umfassend – versuche ich nachfolgend zu beschreiben.

Social Media geht tiefer. Möglicherweise bis zum Geschäftsmodell

Wo wir mit unserer Entwicklung einer Social Media Strategie ansetzen, definiert auch, wie weit diese Strategie reicht. Setzen wir bei People und den Zielen von POST (zuhören, kommunizieren, motivieren, unterstützen und integrieren) an, bleiben nicht nur die Unternehmensziele im frühen Ansatz der Strategieentwicklung aussen vor – auch die Auswirkung von Social Media auf Geschäftsmodell und seine Prozesse bleibt aussen vor. Das kann folgenlos bleiben. Muss aber nicht. Zwei kleine Denkanstöße zu diesem Punkt:

  • Was glauben Sie, welchen Erfolg würden wir als Verlag mit dem Geschäftsmodell Enzyklopädie mit diese Strategieansatz im Wettbewerb mit Wikipedia erzielen?
  • Welchen Anteil und welche Bedeutung hat Kommunikation an und in Geschäftsmodellen und -prozessen und welche davon sind von den Veränderungen der Kommunikationsverhalten und -gewohnheiten mit, in und durch Social Media gefeit?

Eine Social Media Strategie nach dem Prinzip von POST klingt für mich zu sehr nach ceteris paribus – also einem eher experimentellen Ansatz oder der schlichten Hoffnung das sich doch nichts grundlegend verändern möge. Beides halte ich für eine in einem dynamischen Umfeld positionierte und in die Zukunft gerichtete Strategie für nicht sehr empfehlenswert.

Social Media dient Unternehmenszielen

Es ist eine Binsenweisheit – jede Investition in Social Media muss sich für ein Unternehmen rechnen. Der wirtschaftliche Nutzen einer Strategie stellt sich am ehesten dann ein, wenn man ihn gezielt angeht. Das spricht sehr dafür das Unternehmensziel, das wir als Unternehmen mit und in Social Media realisieren wollen, von Beginn an in unserer Social Media Strategie zu berücksichtigen – also die Strategie auf diesen Nutzen auszurichten. Die Objectives bei Bernoff / Li sind explizit nicht auf betriebswirtschaftliche Zwecke ausgerichtet sondern auf „den Aufbau von langfristigen Beziehungen mit den Konsumenten„. Meine Lebenserfahrung – das ist natürlich subjektiv – sagt mir, das Menschen eigentlich nur mit anderen Menschen – und nicht mit Unternehmen allgemeine Beziehungen unterhalten wollen. Bei der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde wird bislang von beiden Seiten – b2b wie b2c - eine gewisse Sinnhaftigkeit erwartet. Die Hoffnung mit allgemeinen Inhalten eine Kommunikation aufzubauen und aufrecht zu erhalten, die dann irgendwie in einen geschäftlichen Erfolg mündet ist ausgesprochen vage.

Nach meiner Logik sind die Unternehmensziele, die ich mit Social Media realisieren will, prägend für die entsprechende Social Media Strategie. Oder die Strategie läuft Gefahr an den Unternehmenszielen elegant vorbei zu gehen. Diesen Aspekt vermisse ich beim POST Ansatz.

Social Media ist Infrastruktur

Wir entwickeln in Social Media eine Infrastruktur (z. B. in Form einer eigenen Reichweite) die möglichst zielgerichtet sein sollte um in dem angesprochenen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit bestehen und aktiv gehalten werden zu können. Diese Infrastruktur ist nicht spontan und kurzfristig veränderbar.

  • Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Reichweite in Social Media für die Freunde des Angelsports aufgebaut. Diese Reichweite ist nur sehr eingeschränkt für das Thema Motorsport relevant.
  • Stellen Sie sich vor, Ihre Social Media Nutzungsform ist technisch wie konzeptionell auf die Distribution von Inhalten ausgelegt. Dann sollten Sie  besser nicht davon ausgehen, das Sie in dieser Nutzungsform auf eine aktive Beteiligung von Social Media Nutzern Ihrer Reichweite bauen können – auch wenn das erforderlich wäre. (Sie haben einen Traktor entwickelt, der auch dann nicht fliegen kann, wenn das spontan erforderlich wäre.)

Eine Social Media Strategie, die diesem Aspekt nicht ausreichend Rechnung trägt ist m. E. nicht vollständig. Im POST Ansatz fehlt dieser Aspekt soweit ich das erkennen kann.

Die Wechselwirkungen von Strategiebereichen entscheiden mit über Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit einer Strategie

Dieser Infrastrukturcharakter ist auch eine der Quellen der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Strategiebestandteilen einer (vollständigen) Social Media Strategie. Die Wechselwirkung zwischen Nutzungsform und Partizipation habe ich bereits angesprochen. Das es bei 5 Nutzungsformen und mindestens 12 elementaren Strategiebereichen zu einer Vielzahl von Wechselwirkungen kommt, macht die Strategieentwicklung nicht einfacher. Diese Wechselwirkungen zu ignorieren steigert überproportional das Risiko des Scheiterns der Strategie. Wer sich mit dem Thema Wechselwirkungen zwischen Strategiebestandteilen weiter befassen will, dem empfehle ich einen Blick in diese Seite. Dort werden die wichtigsten angesprochen. Die Vorlagensammlung meiner Arbeitsmappe zur Strategieentwicklung ist nicht zuletzt durch diese Wechselwirkungen deutlich über 140 Seiten dick.

Umfassend und wettbewerbsfähig.

Eine Strategie die nicht vollständig ist – also alle wesentlichen Bereiche umfasst – und die auch in Struktur und Inhalt durchgängig auf Wettbewerbsfähigkeit gebaut ist, verspricht in Social Media keinen dauerhaften Erfolg. Der Erfolg im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit und Beachtung der Social Media Nutzer ist durch nichts zu ersetzen. Entsprechende Aufmerksamkeit sollte diesem Aspekt in der Strategieentwicklung eingeräumt werden. Beim POST Ansatz fehlt mir dieser Aspekt besonders schmerzlich. Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung wird faktisch ausgeblendet. Diese Realitätsferne allein dürfte den Erfolg dieses Ansatzes in der Praxis verhindern. In meiner Methode ist Wettbewerbsfähigkeit für jede Entscheidung und jeden Strategiebestandteil ein fest definierter Prüfstein.

Fazit

Ein Konzept eines Kollegen zu kritisieren erfordert sicher etwas Kompetenz, selbst eine Methode zu entwickeln ist deutlich aufwändiger und anspruchsvoller und befähigt eher zu einer Meinung über die Methoden eine Erfolg ermöglichende Social Media Strategie abzuleiten.

Wer sich intensiver mit der Materie der Social Media Strategieentwicklung befasst und mich kennt, wird nachfühlen, das ich nur mangels relevanter Alternativen in den letzten 3 Jahren den steinigen Weg der Entwicklung einer eigenen Methode gegangen bin. Deshalb bitte ich diesen Beitrag nur als Hinweis darauf zu verstehen, das nicht jede Methode der Strategieentwicklung der Dynamik von Social Media stand hält und das die Auswahl der Methode der Strategieentwicklung oft über den Erfolg der Strategie entscheidet. POST ist als Methode der Strategieentwicklung PAST – ein früher und unbestritten treffender Ansatz Social Media zu verstehen, aber – aus meiner Sicht – keine empfehlenswerte Methode eine Social Media Strategie zu entwickeln.

Für die Augen

Da ich mir vorgenommen habe in jedem Beitrag zumindest ein Bild einzubauen und ich diesmal nicht schon wieder eine Tagcloud nutzen wollte, hier ein Ausschnitt aus einer – nicht mehr ganz aktuellen – Ãœbersicht (m)eines Social Media Strategieentwicklungprozesses.

Prozess

Weiterführende Informationen

Wer es gerne etwas konkreter, umfassender und aktueller hätte, weil für eine Social Media Strategie verantwortlich, dem empfehle ich

  • zu warten bis mein Leitfaden mit Arbeitsmaterial final ist. Das sind zwei Bände (einmal Vorlagen und Arbeitsmaterial, das andere mal die Gebrauchsanweisung/Leitfaden dafür). Fragen Sie mich nicht, wann das konkret der Fall ist. Sie können mir aber eine eMail schicken und ich benachrichtige Sie wenn das Werk verfügbar ist.
  • eines meiner Strategieseminare zu besuchen. Dafür gibt es Termine (Stuttgart: 23. 4.2015, Berlin: 29. 4. 2015, Köln: 5. 5. 2015)