Ära Google

Von einer neuen Ära spricht man, wenn ein bedeutendes Ereignis oder eine Entdeckung oder Erfindung das bisherige Leben bzw. die Lebensumstände vieler oder gar aller Menschen nachhaltig verändert. Es beinhaltet grundsätzlich eine positive oder neutrale Bewertung dieses Zeitalters. (Wikipedia.de)

Eigentlich wollte ich nur die Reste der Weihnachtsdekoration entsorgen. Dabei kommen mir zwangsläufig Assoziationen. Nahe liegender Weise über das Vergehen allen Irdischen, also die Endlichkeit allen Seins. Aber was kommt danach fragt man sich bei solchen Gedanken unwillkürlich und schnippelt dabei weiter verblichene Reste einer Nordmanntanne in die Grüne Tonne. Selbst Sonnen entstehen und verglühen. Alles nur eine Frage der Zeit. Das macht schon nachdenklich.
Google zum Beispiel ist so eine Sonne, überstrahlt hell alles was zuvor und daneben am Suchmaschinenhimmel leuchtet und scheint unvergänglich, unvermeidbar und ewig das zentrale Gestirn zu sein. Aber wie um Himmels Willen sollte Googles Sonne schwächer werden? Wann immer darüber gesprochen wird, was ein neuer Wettbewerber leisten müsste, fällt der Hinweis auf das enorme Volumen an Daten, das Google in seinem kurzen Strahlen zusammengesammelt hat. Jeder Wettbewerber bräuchte Jahre um vergleichbares zu leisten.
Ich neige gelegentlich zum Widerspruch, deshalb frage ich mich ob ein Wettbewerber wirklich dieses Datenvolumen braucht. Gut, er müsste schon Abermilliarden Websites crawlen, um vergleichbar viel an Volumen in der Datenbank zu haben. Aber brauche ich als User von Google wirklich eine Trefferliste in Millionengrösse die nach der vierten, fünften oder sechsten Seite eh nicht mehr zu gebrauchen ist? Mehr als drei Seiten sieht sich doch eh niemand an und ich bin eigentlich hoch zufrieden, wenn da etwas verwendbares dabei ist. Wenn nicht, gibt es eine neue Suche.
Ist Google also unverwundbar? Schließlich trotzt der Suchmaschinengigant den Manipulationsversuche immer noch ganz ordentlich. Wenn man sich da an Altavista zurückerinnert …. Gut, man muss Google nicht manipulieren. Es geht auch ohne. Während ich diese Zeilen schreibe steht dieser Blog bei der internationalen Abfrage marketing social network bei mehr als 30 Millionen Treffern auf der ersten Seite der Trefferliste und ich habe da nix gemauschelt und ganz wenig geschraubt. Und die Seite steht das schon mehr als einen Tag. Auch das ist – neben allem Balsam auf die persönliche Eitelkeit – doch auch bedenklich, weil ich nicht glaube, das mein gelegentlich gepflegter Blog ein international herausragendes Werk ist.
Kann die Google Ära also genau so schnell zu Ende sein, wie sie begonnen hat? Möglicherweise. Vielleicht kommt aber auch die Gefahr von Google aus einer ganz anderen Ecke. Social Networks könnten das längere Ende im Wettstreit um die effizientere Werbung in der Hand haben. Das Open Social diesen Vorteil ausgleichen könnte, ist ja noch sehr fraglich und hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie sich die social networks entwickeln und verhalten. Letztlich ist das eigentliche Kapital von Google eben nicht eine grosse Datenbank in der die unendlichen Weiten des WWW abgebildet sind sondern eben die Fähigkeit Werbung etwas gezielter einzublenden, weil sie dem Inhalt der Website angepasst ist. Die Fähigkeit der Communitys liegt darin Werbung etwas gezielter auf den Betrachter auszurichten. Was tatsächlich das längere Ende des Seils im Tauziehen um die Werbemilliarden darstellen dürfte.
Womit wir – neben der Frage um die Vergänglichkeit allen Seins auch zur zweiten grossen Frage unserer Zeit kommen: Ist das Internet wirklich nur als Abspielplattform für Werbung zu verstehen? Kann Marketing nicht tatsächlich mehr als nur Werbung zu verbreiten? Welches mehr wird sich mancher fragen und an die Interaktivität und Dialogfähigkeit des Mediums erinnert werden müssen. Blendet der Internetnutzer nicht zunehmend Werbung aus – entweder durch technische Hilfen oder durch gezieltes weg sehen? Und wenn dies alles so sein sollte – wo bleibt da dann Google?
In der Tonne neben meinem Grüngut sicher nicht. Die ist jetzt voll. Als Vermarkter der Kommunikationsleistung der Communitys wäre sicher eine lukrative Nische zu finden, aber liegt das künftige wirtschaftliche Heil der Communitys tatsächlich nur in der Einblendung von Werbung? Das würde dem Medium Internet und den Fähigkeiten einer Community nicht gerecht. Ausserdem – vom Sonnengott der Suchmaschinen zum Nischenanbieter ist ein weiter Abstieg. Vielleicht sollte man in Mountain View mal einen prüfenderen Blick auf die Länge des eigenen Seils werfen. Nach dem entsorgen der botanischen Ãœberbleibsel von Weihnachten steht jetzt der Rest eines leckeren Stollens auf dem Plan. Anschliessend wartet die Arbeit an einem kleinen Vortrag zum Thema Web 2.0 und Engagement Marketing für den Management Circle auf mich. Möge mir der restliche Stollen Kraft und Inspiration liefern. Gott sei Dank ist morgen wieder Montag.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.