DLD – Hubert Burda und die Ertragschancen im Internet.

„Online Advertising is still a lousy business.“

DLD 2010. Mit einer Bemerkung zu seiner Äußerung zur Online Werbung aus dem Vorjahr spielte Hubert Burda bei der Eröffnung der DLD auf die schwache Ertragsqualität der Online Werbung an.

Still a lousy business – das beschreibt die aktuelle Situation, rückblickend mit der goldenen Vergangenheit der Printwerbung verglichen. Damit verglichen würde auch eine deutlich bessere Ertragsqualität der Online Werbung sicher nur lousy aussehen.

Was heute noch als „lousy“ bezeichnet wird, dem kann morgen schnell als good old days nachgetrauert werden

Ich wage die Prognose, das die Medienhäuser die aktuelle Ertragsqualität ihrer Online Werbung in ein paar Jahren – wieder rückblickend betrachtet – als gar nicht so lousy einstufen werden, sondern eher als die „good old days“. Das klingt nicht sehr erfreulich, läßt sich aber leicht begründen.

Online Werbung ist zwar deutlich preiswerter als Printwerbung. Die Preise die für Online Werbung in einem redaktionell hochwertigen Umfeld – wie zum Beispiel in Focus oder Spiegel – bezahlt werden, liegen immer noch deutlich über den TKPs die in Social Networks erzielt werden.

Targeting gegen Redaktion – ein Qualitätswettbewerb in unterschiedlichen Preiskategorien

Für den Werbetreibenden stellt sich früher oder später die Frage, ob er für das hochwertige redaktionelle Umfeld seiner Werbung ein mehrfaches zu bezahlen bereit ist, als für eine im targeting im Grundsatz deutlich präziser steuerbaren Werbung in Social Network Plattformen.

Warum Online Werbung keine glänzende Zukunft bietet

Parallele Kanäle mit höherer Informationsqualität

Das bessere Erträge im Internet in Zukunft durch Online Werbung realisiert werden können, ist aus mehreren Gründen nicht zu erwarten. Der Preisdruck durch alternative Kommunikationskanäle beginnt erst zu wachsen. Die wenigen großen Social Network Plattformen, die in der agof gemessen werden, haben kumuliert – und ohne Facebook und Xing – schon eine Reichweite von drei Viertel der Internetnutzer aufgebaut. Hier entsteht ein nicht zu unterschätzender Kommunikationskanal mit dem strategischen Vorteil besserer Kenntnis der Zielgruppen – über die Profile der Nutzer und deren Verhalten.

Geringerer Kostendruck bei Wettbewerber ist ein  strategischer Nachteil der Medienhäuser

Social Network Plattformen arbeiten deutlich kostengünstiger als Medienhäuser, denn die Betreiberunternehmen  sind deutlich kleiner und schlanker, nutzen überwiegend user generated content und können in einigen Fällen auch noch auf volunteerbasierte Geschäftsmodelle – analog Wikipedia – aufbauen. Medienhäuser können mit ihren Kostenstrukturen hier nicht konkurrieren.  Es gibt Plattformen, die mit einem durchschnittlichen TKP von €0,10 profitabel arbeiten können. Das liegt für die etablierten Medienhäuser noch jenseits des Alptraums.

Die Zukunft liegt jenseits der Onlinewerbung – in eCommerce oder besserem

eCommerce ist als Geschäftsmodell fraglos deutlich besser als Online Werbung, nicht zuletzt weil dieses Konzept den Möglichkeiten und dem Leistungspotenzial des Internets – insbesondere der Interaktionsfähigkeit dieses Mediums – entspricht. eCommerce hat damit ohne Frage Zukunft. Ob die Zukunft der Medienhäuser in eCommerce liegt, erscheint mir deutlich fragwürdiger. Sicher werden aus Medienkonzerne keine Gemischtwarenläden des eCommerce werden. Das hätte wenig Zukunft. Das Beispiel Holidaycheck aus dem Hause Burda ist ein gutes Beispiel. Holiday Check ermöglicht dem Reisenden die Urteile und Eindrücke anderer Reisenden von seinem Urlaubsziel kennen zu lernen, bevor er bucht. Das Wissen einer ReiseCommunity wird für deren Nutzer erschlossen.

Crocodilisierte Geschäftsmodelle

Dieses Special Interest Community Geschäftsmodell erinnert mich ein wenig an Twitter. Nachdem Facebook – und andere Plattformen – diese Funktion in ihren Plattformen angeboten haben, war bei Twitters Wachstum die Luft raus. Es wird nun innerhalb der Plattformen gezwitschert. Facebook öffnete den Rachen, schnappte zu und vereinnahmte das ganze System durch Integration und entzog Twitter damit das Marktpotenzial, das dieser Dienst für sein weiteres Wachstum benötigt hätte . Das zeigt ein weniger wahrgenommenes Risiko von Geschäftsmodellen, dieser Art.

Ein Strategiewechsel der Social Network Plattformen gefährdet die besseren Ertragsquellen der Medienhäuser

Aktuell liegt die Strategie aller größeren Plattformen auf Reichweite und Technik. Für den Ertrag nutzt man  das System, das frühzeitig zur Verfügung stand und einfach zu handhaben ist – Online Werbung, wohl wissend, das es das ungeeignetste Instrument ist. Zum überleben und für die Finanzierung des eigenen Wachstums reichen diese lousy pennies den Plattformbetreibern. Das mit dem Ende der Fokussierung auf Reichweitenwachstum und der Schonkost Online Werbung auch die Abstinenz von den Fleischtöpfen beendet sein wird, ist in sich logisch. Dem Aufbau von Reichweite folgt deren wirtschaftliche Nutzung.

Die Fleischtöpfe der Plattformen sind allerdings die gleichen, wie diejenigen, die die Medienhäuser nach ihren Erfahrungen mit Online Werbung jetzt ins Blickfeld nehmen. Mit dem Unterschied, das die Plattformbetreiber in ihren Mitgliedern nicht nur über die Reichweite sondern faktisch über den direkten Marktzugang und einen deutlichen Informationsvorsprung an vermarktungsrelevanter Kenntnis der Konsumpräferenzen verfügen. Die Kostenstruktur ist auch weiterhin ihr strategischer Vorteil.

Wann ist ein Strategiewechsel der Social Network Plattformen zu erwarten?

Da reicht ein Blick auf die agof und die Nutzung von Social Networks in den verschiedenen Altersgruppen. In den Altersgruppen unter 30 gibt es kaum noch ungenutzte Wachstumschancen. Über 30 ist für viele Plattformen die Positionierung und die Nutzenstiftung anzupassen.

Warum ist dieser Strategiewechsel früher oder später unvermeidlich?

Eine ganze Reihe von Gründen sprechen für diesen Strategiewechsel.

  • Dem Aufbau von Reichweite und der Erschließung von Potenzialen in Form von Mitgliedern folgt dieser Strategiewechsel als logischer Ablauf.
  • Der stärkere Fokus auf die wirtschaftliche Nutzung von erzielter Reichweite bewirkt eine Stärkung der jeweiligen Unternehmensressourcen und damit auch eine Stärkung der Leistungs- und damit Wettbewerbsfähigkeit. Ãœberlebensnotwendig wenn das dynamische Wachstum in Verdrängungswettbewerb umschlägt.
  • Investoren sind nicht unendlich geduldig und werden zunehmen darauf drängen, die möglichen Erträge auch zu realisieren.
  • Vor allem aber lassen sich mit der Kombination von eCommerce und der Vermarktung von Konsumbedürfnissen zugleich Wettbewerbsvorteile für die innovativeren unter den Plattformen aufbauen. Seinen Nutzern konkrete Vorteile für deren Konsumgewohnheiten bieten zu können, ist im Verdrängungswettbewerb alles andere als nachteilig.

Richtige Erkenntnisse führen nicht immer zu den richtigen Schlüssen. Und nicht immer ist ein Unternehmen auch in der Lage richtige Schlußfolgerungen auch im Markt umzusetzen. Dafür sollte man auch in der dazu passenden Situation sein. Die Medienhäuser haben es bislang versäumt, die Voraussetzungen dafür aufzubauen.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.

2 Gedanken zu „DLD – Hubert Burda und die Ertragschancen im Internet.“

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