Social Media Strategie und Politik

Social Media Strategie und Politik

Jenseits des omnipräsenten Beispiel Obama, dessen Kampagne auf andere politischen Kulturen nicht uneingeschränkt übertragbar ist, bietet Social Media eine ganze Reihe von strategischen Vorteilen, die in Deutschland noch nicht erkannt werden.

Neben politischen Parteien sind vor allem NGOs und Bürgerbewegungen damit in der Lage in einer neuen Qualität nachhaltig und anhaltend Einfluss auszuüben.

Dieser Beitrag befasst sich mit den strategischen Eckpunkten von Social Media in der Politik, beschreibt die Ursachen der strukturellen Veränderungen, zeigt die Konsequenzen für die politische Landschaft auf, skizziert die Eckpunkte einer politischen Social Media Strategie, gibt Hinweise auf die Voraussetzungen einer erfolgreichen Nutzung von Social Media und die Konsequenzen die sich daraus für politische Kräfte, Parteien und Bewegungen ergeben.

Social Media und die strukturelle Veränderung der politischen Landschaft

Die Parteien wirken nach unserer Verfassung an der politischen Meinungsbildung mit. In der Praxis ist ihr Einfluss auf die politische Meinungsbildung deutlich größer als in der Verfassung angesprochen. Dies hat praktische Gründe. Um Politik zu machen, benötigt man Mehrheiten und ohne Organisation und kommunikative lassen sich Mehrheiten kaum bilden.

Social Media verändert die politische Landschaft auf zwei Ebenen. Gruppen und Gruppierungen jenseits der etablierten Parteien können sich jetzt schnell, einfach und effizient organisieren.

Zugleich ermöglicht es Social Media eine eigene kommunikative Reichweite aufzubauen und macht damit unabhängig von der Wahrnehmung und Unterstützung durch die etablierten Medien.

Beide Veränderungen beinhalten das Potenzial die politische Landschaft strukturell zu verändern, weil sie den strukturellen Vorteilen der etablierten politischen Parteien – also deren Vorsprung in Organisation, Wahrnehmung, kommunikative Reichweite über die Medien – ein gleichwertiges Instrument entgegen setzen können.

Konsequenzen dieser Veränderungen

Kleinere Gruppen können sich jetzt mit Hilfe der Möglichkeiten von Social Media sehr viel schneller und effizienter organisieren und für Mehrheiten arbeiten, ohne darauf angewiesen zu sein, das die Medien sie wahrnehmen bzw. durch Berichterstattung unterstützen. Das Monopol der Parteien auf politischen Organisation hat sich in dem Grad erledigt, in dem sich Social Media als Instrument politischer Einflussnahme etabliert.

Social Media bietet nicht nur zusätzliche Wege der Information und Kommunikation, auch neue Formen der Mitwirkung werden dadurch möglich. Wer sich bislang politisch engagieren wollte, hatte lediglich die Wahl in welcher Partei er aktiv wird und musste sich um Wirkung zu erzielen relativ langfristig binden.

Volunteering über einen kürzeren Zeitraum kommt den Vorstellung einer breiteren politisch interessierten Öffentlichkeit die Mitwirkung jenseits einer langfristig verpflichtenden Parteibindung.

Bürgerbewegungen, NGOs und Protestbewegungen profitieren von dieser Möglichkeiten stärker als die etablierten Parteien, weil sie damit den Abstand zu diesen verringern oder beenden können. Die etablierten Parteien freunden sich mit Social Media eher zögerlicher an. Wo gewachsene Kommunikationsstruktur erst an die Anforderungen von Social Media angepasst werden müssen, wird sich diese Veränderung nur aufgrund äußeren Drucks ergeben.

Eckpunkte einer politischen Social Media Strategie

Reichweite und Vernetzung: Der Aufbau einer ausreichenden Reichweite ist Teil einer Social Media Strategie. Damit diese Reichweite auch zu einer Verbreitung von Inhalten und zu einer Aktivierung von Empfängern führen kann, ist deren Vernetzung nicht weniger wichtig.

Erreicht man nur Menschen, die kein breites soziales Netz haben oder dieses Netz nur offline pflegen, ist die Wirkung ungleich geringer, als wenn viele Menschen gut vernetzt sind und diese Vernetzung in einem Social Network stattfindet. Damit können Informationen und Empfehlungswirkungen weitaus effizienter verbreitet werden.

Die Zersplitterung von Reichweiten – z. B. auf verschiedene Plattformen – ist hier ein permanentes Risiko, dessen kontraproduktive Wirkung oft unterschätzt wird. Eine Reichweite von 100.000 Menschen, die auf 10 oder 20 Sites aufgeteilt ist, bleibt wesentliche wirkungsloser als eine Reichweite, die auf einem Punkt konzentriert ist. Gemeinsam sind wir stark ist auch eine Orientierungsgröße in der Plattformstrategie.

Community Management: Neben einem überzeugenden Grund sich zu engagieren – der in der Sache gegeben sein sollte – ist die Kommunikation und Integration von Interessenten ein entscheidender Schritt um auf Informationsempfängern aktive Beteiligte oder Volunteers werden zu lassen. Es ist die Aufgabe des Community Managements die Kommunikation mit und unter den Interessenten am Leben zu erhalten und zugleich Möglichkeiten aufzuzeigen, sich sinnvoll aktiv zu beteiligen.

Partizipation: Der Königsweg zur Aktivierung liegt darin, vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend ihren Möglichkeiten an einer Sache beteiligen zu können. Je vielseitiger und individueller hier das Angebot ist, desto breiter und vielschichtiger die Beteiligung. Partizipation heißt auch, einen Teil der Entscheidungen und der Steuerung an die Community zu übertragen. Ein enges und straff gesteuertes Partizipationskonzept begrenzt seine eigene Attraktivität und Wirkung.

Die Praxis in Deutschland

Vergleicht man die Social Media Aktivitäten der politischen Parteien in Deutschland zeigt sich, wie weit man dort noch davon entfernt ist, die Potenziale von Social Media entsprechend aktuellen Standards zu nutzen. Es reicht nun mal nicht, Social Media via Link zu integrieren. Man muss diese Instrumente auch verstehen und nutzen.

Die CDU beispielsweise ist mit ihrer Aktion „Unser Land“ auf dem Weg in den Dialog mit Menschen jenseits der eigenen Mitglieder. Die Umsetzung ist noch weit vom aktuellen Stand von Social Media oder einem ernst zu nehmenden Dialog entfernt.

Bei vielen Aktionen und Bürgerbewegungen sieht es leider nicht besser aus. Man ist um Informationsverbreitung bemüht, integriert Social Media via Link auf Facebook Pages oder Twitteraccounts und scheitert daran, Menschen zu motivieren und zu integrieren um sie darüber zu aktivieren. Auf der Seite der CSU findet sich zu diesem Thema ein treffendes Beispiel.

Fazit

Social Media ist längst Mainstream. Die Fähigkeit der etablierten Parteien wie der Bürgerbewegungen diese Instrumente zu nutzen, ist unterentwickelt. Derzeit wird Social Media im Ergebnis mehr verlinkt als eingebunden. Damit befindet man sich alles andere als auf der Höhe der Zeit.

Politik, die die Menschen nicht mehr erreicht ist zum Scheitern verurteilt – egal wie richtig sie sein mag. Auf eine hocheffiziente Möglichkeit zu verzichten, Menschen zu erreichen, zu bewegen, motivieren und zu integrieren, steht für den Verzicht auf eine erfolgreiche, zukunftsfähige Politik.

Politische Konsequenzen zum Thema Social Media

Ein Politiker der seine Ideen nicht kommunizieren kann, scheitert. Gleiches gilt für Parteien und Bewegungen. Um dies zu vermeiden sollten einige grundsätzliche Regeln und Erkenntnisse beachtet werden:

  • Die Fähigkeit Social Media effizient zu nutzen, ist nicht weniger wichtig, wie die Fähigkeit Standpunkte und Inhalte in den alten Medien zu kommunizieren.
  • Die erfolgreiche Nutzung von Social Media setzt die Kenntnis der Instrumente wie der Akzeptanz der Regeln voraus.
  • Social Media hat Infrastrukturcharakter. Es ist nicht wie ein weiterer medialer Kanal zu nutzen und Social Media kann nicht an- und abgeschaltet werden.
  • Um Menschen auf Dauer erfolgreich zu erreichen ist eine leistungsfähige Social Media Infrastruktur unverzichtbar.
  • Ohne fundierte und zukunftsfähige Social Media Strategie werden die Aktivitäten in Social Media weit hinter dem möglichen Erfolg zurück bleiben.

Praktische Konsequenzen

Social Media ist so komplex und vielschichtig, das es politisch Handelnden kaum möglich sein dürfte, sich dem Thema in der nötigen Qualität und Quantität zu widmen, ohne sich von ihrer eigentlichen Aufgabe zu entfernen.

Eine Lösung in Form eines Social Media Beauftragten innerhalb der eigenen Organisation bringt nur geringe Verbesserung. Im Gegensatz zu der Nutzung der klassischen Medien hat Social Media einen Infrastrukturcharakter – d. h. es müssen die kommunikativen Infrastruktur und ihre Reichweite aufgebaut und aktiv gehalten werden – während externe Medien situativ genutzt werden können. Wo der Medienberater bei der Nutzung von externen Medien unterstützt, muss der für Social Media Verantwortliche eine mediale Infrastruktur inklusive deren Aktivität und Reichweite zur Verfügung stellen können. Das ein Teil dieser Medieninfrastruktur auf externe Plattformen aufsetzt, erleichtert diese Aufgabe nur teilweise.

Die Schaffung qualifizierter Social Media Kompetenz ist dabei eine unverzichtbare Voraussetzung für die Nutzung von Social Media. Dem Augenschein nach herrscht hier unisono ausgeprägter Nachholbedarf.

Die Notwendigkeit zu handeln, ist für Parteien wie Bürgerbewegungen gegeben. Die etablierten Parteien verlieren weiter an Kontakt zu den Menschen und damit an Mehrheits- und Gestaltungsfähigkeit, wenn sie einen wichtigen Zugang zu den Menschen nicht erfolgreich nutzen. Die Bewegungen verzichten auf Wirkung, wenn sie Social Media nicht effizient nützen können.

Sie würden sich gerne konkreter mit dem Thema Social Media befassen?

Für diesen Fall empfehle ich Ihnen an einem Seminar zu diesem Thema teilzunehmen oder einenfirmeninternen Workshop abzuhalten. Für den Aufbau von Social Media Kompetenz ist das Seminar Social Media für Unternehmen ein guter Einstieg.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.