Plattform oder Community – die Gretchenfrage der Betreiber

Die Frage ist alles andere als theoretisch für die Betreiber von sozialen Netzen, denn die Wahl des Geschäftsmodells hat bekanntlich weitreichende Bedeutung für die Entwicklung des Unternehmens, nicht zuletzt aber auch auf die Größe des Ertragspotenzials.
Was ist Plattform, was Community?

  • Eine Online Community zeichnet sich eine Gemeinsamkeit, also ein gemeinsames Interesse oder Ziel aus.
  • Eine Plattform ist die technische Basis für Communitys und persönliche soziale Netze.

Worin unterschieden sich diese Positionierungen?
EntwicklungsrichtungEin Unternehmen, das sich im Plattformbusiness positioniert hat, konzentriert sich vor allem auf die Entwicklung der technischen Plattform. Es stellt seinen Nutzern die technischen Möglichkeiten und Instrumente für die Selbstdarstellung und die Kommunikation mit anderen zur Verfügung. In dieser Positionierung dominiert die technische Orientierung.

Ein Unternehmen, das sich im Communitybusiness positioniert, baut Interessengruppen auf, betreut und vermarktet sie. In dieser Positionierung liegt der Schwerpunkt in der Orientierung an – bestimmten – Zielen und Interessen der Nutzer. Dieses Unternehmen nutzt eine technische Plattform als Basis für den Aufbau und Betrieb einer oder mehrere Communitys.

Wie sieht die Praxis aus?
Das Plattformunternehmen widmet sich primär der Verbesserung der technischen Basis, also der Qualität der Software, der Funktionsweise der einzelnen Komponenten, der Ergonomie und der Stabilität des Dienstes.
Das Communityunternehmen widmet sich primär den Zielen und Interessen der Nutzer und unterstützt und betreut die Aktivitäten der Nutzer.

Communitys in der PlattformDie meisten Betreiber von Social Networks sind derzeit zumindest mehr oder weniger reine Plattformunternehmen. Communitybusiness wird weniger von den Unternehmen, als von den Nutzern der Plattformen selbst betrieben, in der Regel in Form von Gruppen, die die Nutzer der Online-Plattformen für ein Thema, ein Interesse oder ein Ziel gründen und betreiben. Hier sind auch die brand communitys zu finden, die von den Nutzern der Online-Plattformen gegründet und betrieben werden.

Welche Bedeutung hat diese unterschiedliche Positionierung?
Die meisten Social Networks finanzieren sich mehr oder weniger erfolgreich über Werbung. Werbung in sozialen Netzen wird gering honoriert, weil die Nutzer von sozialen Netzen nicht in gleichem Umfang auf klassische Online Werbung reagieren, wie dies in Portalen und anderen Websites der Fall ist. Dies liegt nicht zuletzt daran, das diese Werbung nicht in der nötigen communityaffinen Form stattfindet.
Die Vermarktung von Plattformen kann in ihrer heterogenen Nutzerschaft nur durch ein ausgefeiltes, auf Profildaten basierendes Targeting bessere und damit besser honorierte Ergebnisse produzieren. Das Targeting nach Profildaten ist allerdings bestenfalls noch in den Kinderschuhen und nicht standardisiert, also nicht in plattformübergreifenden Kampagnen zu nutzen.
Plattformen können deshalb per se mit schlechteren Konditionen rechnen.

Communitys mit wirtschaftlicher Relevanz sind für Werbetreibende interessanter, insbesondere wenn das Thema, Interesse oder Ziel einer Marke oder einem Produkt nahe steht. Zudem sind diese Communitys für Werbetreibende mit standardisierten Werbemitteln ansprechbar. Die Werbung entspricht dem Interesse der Communitymitgliedern und kann damit deutlich erfolgreicher sein.

Status quo und Entwicklung
Der Schwerpunkt der Betreiber von sozialen Netzen liegt heute aus historischen Gründen überwiegend im Plattformbusiness. Es ist alles andere als einfach eine technisch leistungsfähige Plattform mit vernünftiger Usability auf aktuellem Stand zu halten. Durch die geringe Ertragskraft des Plattformgeschäftsmodells müssen Ressourcen auf den technischen Bereich konzentriert werden, zumal hier kostentreibender ein Engpass an qualifiziertem Personal besteht.
Für den Nutzer ist aber nicht nur eine ausgefeilte Technik wichtig, wie erfolgreiche Plattformen wie wkw deutlich machen. Letztlich gewinnt mit einem ausreichenden Standard an Technik die Communitypositionierung deutlich an Bedeutung.

Brand communitys, bzw. Communitys mit wirtschaftlicher Relevanz werden im Plattformbusiness entweder von den Nutzern selbst oder gar nicht entwickelt. Damit bleibt die wirtschaftliche Relevanz der Plattform gering. Unternehmen, die an den von Nutzern etablierten brand communitys interessiert sind, werden diese ohne Beteiligung der Plattform nutzen bzw. eigene ohne Plattformbeteiligung aufbauen können.
Das die Entwicklung in verschiedenen Geschwindigkeiten und auch parallel abläuft, zeigt unter anderem die Entwicklung der Gruppen in vielen Plattformen.
Hier ist der Markt – in Form der Nutzer – wieder mal deutlich weiter als die Anbieter – also die Betreiber.

Je länger der Schwerpunkt eines Unternehmens im Plattformbusiness verharrt, desto stärker ist es auf geringere und schlechter honorierte Ertragspotenziale festgelegt. Der Schritt von der technischen Orientierung hin zur Nutzenstiftung beinhaltet allerdings einen grundlegenden Wandel im Unternehmen, erfordert zusätzliche Kompetenzen und fügt der vorhandenen technischen Komplexität eine zusätzliche Dimension hinzu.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.

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