Social Media und traditionelle Werbe- und PR-Agenturen

Social Media Ausblick – der Blick über den Teich

In Social Media Today findet sich ein lesenswerter Artikel der die Probleme traditioneller Werbeagenturen mit Social Media anspricht. Auch wenn sich die Aussagen auf den US-Markt beziehen – der uns in Sachen Social Media immer noch deutlich voraus ist- sind sie doch für unseren Markt interessant.

Hier einige Kernaussagen / Erkenntnisse, die auf Ergebnisse von Forrester Research basieren:

Die Unternehmen sitzen zwischen den Stühlen:

  • Die Unternehmen (in den USA) haben halten ihre Werbeagenturen nicht für wirklich kompetent für Social Media und haben noch Mühe Agenturen zu finden, die dieser Herausforderung gewachsen sind.
  • Zugleich sind die Unternehmen (in den USA) überwiegend der Meinung, das sie den interaktiven Agenturen ihre komplette Kommunikation nicht anvertrauen können.

Kurswechsel auf Agenturseite:

  • Nach einer Phase weitgehendere Abstinenz (oder Ignoranz) starten seit 2009 immer mehr Agenturen Aktivitäten in Social Media.
  • Statt einer erkennbaren Social Media Strategie dominieren Einzelaktivitäten. Das fördert nicht die nötige Kompetenz um den Unternehmenskunden bei der Entwicklung einer Social Media Strategie nützlich zu sein.

Probleme der Werbe- und PR-Agenturen mit Social Media und deren Ursachen

In Social Media Today finden sich 5 Argumente, warum sich Werbeagenturen immer noch mit Social Media schwer tun.

1. Der Nutzungsansatz von Social Media

Viele Agenturen orientieren sich mehr an der Entwicklung des Internets und von Social Media und weniger an dem Geschäftsmodell in oder für Social Media. Der Fokus liegt auf der Produktion von „Dialog“, weniger auf der Produktion von Kunden, Kundenbindung und Umsatz.

2. Der Ertragsansatz der Agenturen

Social Media ist für Agenturen weitaus weniger lukrativ als konventionelle Unternehmenskommunikation. Die Neigung, Neuland zu betreten um weniger Geld zu verdienen, ist entsprechend überschaubar. Das man dabei riskiert den Kunden zu verlieren, wird so lange als möglich in Kauf genommen.

3. Fehlende eigene Social Media Strategie

Die Agentur hat einen Blog, ist in Facebook aktiv und twittert, also ist sie für Social Media kompetent. Eine Social Media Strategie? Was man selbst nicht kennt oder versteht, wird man aber auch seinem Kunden tunlich nicht verkaufen.

4. Passivität

An SEO wurde gerade gelernt, das man seine Seiten ins Netz stellt – optimiert natürlich und dann kommen die Kunden. (Wenn das nicht klappt, wird zusätzlich eben noch in Google oder in Bannerwerbung investiert.) Das Social Media eine längere Anlaufphase braucht, in der das Unternehmen – oder seine Agentur – reichlich Aktivität investieren muss, bevor etwas passiert, entspricht nicht dem, was man bislang mit Marketing im Internet zu verbinden scheint.

5. Fehlende Anerkennung für Unterstützer

Social Media basiert auch auf den Reaktionen anderer. Wenn die Unterstützung auf der anderen Seite des Dialogs ausbleibt, funktioniert Social Media eben nicht. Wer die Unterstützung nicht angemessen würdigt, wird bald ohne sie sein. Dieses angemessen würdigen ist mental nicht Bestandteil des gelernten Vorgehens. Man fährt Kampagnen, keine Dialoge. Und wenn dann doch Dialog passiert, fehlen know how und die Ressourcen um ihn wirklich zu pflegen und auf diejenigen, auf die der Dialog und seine Wirkung aufbaut, auch entsprechend zu reagieren.

Diese Analyse würde ich um folgenden Punkt ergänzen:

Das Geschäftsmodell der Agenturen passt – noch – nicht zu Social Media

Fehlendes Social Media Verständnis

Frei nach Gandhi könnte man die Adaption von Social Media durch Agenturen mit folgendem Schema beschreiben:

  1. ignorieren: „kein Thema mit Marketingrelevanz“
  2. belächeln: „Spielereien für Kids, Freaks und Geeks“
  3. bekämpfen: „riskant und unberechenbar“
  4. probieren: „wir bloggen und twittern jetzt auch“
  5. integrieren: „wir haben jetzt einen eigenen Social Media Experten“
  6. agieren: „durch Social Media werden wir fester Bestandteil des Marketings unserer Kunden“

Das Rad neu zu erfinden, ist nicht immer ein Zeichen besonderer Kreativität. Zumindest entstehen für die Innovativen unter den Agenturen dadurch zusätzliche Chancen, den Wettbewerb in der Branche aktiv zu gestalten.

Paradigmenwechsel erforderlich

Neben dem Problem Social Media nicht strategisch zu verstehen und entsprechend anzuwenden, haben die Agenturen mit einem zweiten Problem zu kämpfen: Ihre Strukturen sind nicht auf dieses Feld ausgerichtet.

  • Erfolgreiches Social Media setzt zuerst den Aufbau einer Infrastruktur in Form von Reichweite voraus. Dies trifft auch bei der Nutzung von Facebook zu und ist weder durch Gewinnspiele, Werbung in Social Networks noch andere Gimmicks und Apps auf Dauer zu ersetzen.
  • Werbeagenturen, die in ihrem Kampagnendenken festgefahren sind, werden damit in Social Media scheitern. Sie müssen ihrem Kunden die passende Infrastruktur – in Form einer nachhaltigen Reichweite – bieten können.
  • Die Strukturen und Organisation für Community Building und Community Management sind in den meisten Agenturen noch nicht vorhanden. In den meisten Fällen, schon deshalb nicht, weil der Kunde diese Leistung noch nicht einfordert. Der wiederum traut seiner Agentur eben diese Leistung nicht / noch nicht zu.

Social Media Chance

Agenturen, die Social Media strategisch verstehen und nutzen, stehen nach dieser Entwicklung deutlich stabiler und gefestigter da:

  • Aus dem Ideen- und Kampagnenlieferanten ist ein Dienstleister geworden, der einen für das Unternehmen wichtigen Leistungsbereich abdeckt.
  • Die Agentur ist fester Bestandteil des Marketings geworden. Ein Wechsel einer Agentur die den Social Media Part komplett abdeckt ist deutlich komplexer und unwahrscheinlicher als der Wechsel einer konventionellen Agentur.

Die Intensität und Stabilität der Kundenbeziehung hat sich strukturell verbessert.

Social Media Risiko

Natürlich ist mit Social Media nicht so viel verdient wie mit konventionellen Kampagnen in Print und TV. Das ist Fakt. Dies als Argument zu nehmen, um die Integration von Social Media so weit als möglich hinaus zu schieben ist höchst riskant.

Eine Agentur, die Kunden über Social Media gewonnen hat, Social Media und den konventionellen Bereich abdecken kann, wird nicht über den Wettbewerb auf konventioneller Ebene auszuhebeln sein. Eine Agentur, die Social Media als Chance begriffen hat, wird ein fester Partner, grob vergleichbar mit dem IT-Dienstleister, bei dem man seine Datenverarbeitung outgesourct hat.

Unternehmen, die Social Media nicht in Eigenregie nutzen wollen oder können, sind damit potenzielle Partner für eine langfristige und in der Summe lukrative Kundenbeziehung. Die Agenturen solcher Unternehmen laufen Gefahr ihre Kunden früher oder später ganz oder teilweise zu verlieren. Früher, wenn ein Wettbewerber mit Social Media Kompetenz auftritt, später, wenn das Unternehmen sich zwangsläufig dazu entschließt den Social Media Part selbst zu übernehmen und die nötige Kompetenz und Organisation dazu unternehmensintern aufbaut.

Sie würden sich gerne intensiver mit Social Media befassen?

Für diesen Fall empfehle ich Ihnen an einem Seminar zu diesem Thema teilzunehmen oder einen firmeninternen Workshop abzuhalten. Für den Aufbau von Social Media Kompetenz ist das Seminar Social Media für Unternehmen ein guter Einstieg.

Falls Sie Ihr Produkt / Ihr Unternehmen in Social Media auf eine breitere, zukunftsfähigere Basis stellen wollen – fragen Sie mich. Meine Kontaktdaten finden Sie hier oder in der rechten Spalte ganz unten.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.

7 Gedanken zu „Social Media und traditionelle Werbe- und PR-Agenturen“

  1. @AD: das stimmt sicher – der ROI pro Kunde kann durchaus lukrativ sein – wenn man den Endverbraucher ansieht. Die Agentur die bislang über AE den Umsatz gemacht hat, wird durch Social Media deutlich weniger verdienen. Es sei denn ihr Unternehmenskunde lässt sie am ROI auf Endverbraucherebene mit verdienen. Das dürfte allerdings sehr unwahrscheinlich sein.

  2. Hallo,

    ich stimme Ihnen zu, dass es schwer ist einen ROI pro User zu ermitteln. Allerdings ist der Invest in Social Media relativ gering im Vergleich zu klassischen Medien wie Print & TV, der Gewinn jedoch um ein Vielfaches höher, wenn es ernsthaft gelebt wird.

    Social media is no magic, it’s an attitude.

    AD

  3. Mit Social Media kann man wirklich nicht so viel verdienen, aber das ist eigentlich noch eine Möglichkeit und wenn man sicher sein will, muss man alle möglichen Varianten nutzen

  4. @Torsten Herrmann: Die Tagessätze können möglicherweise im Einzelfall steigen. Auf der anderen Seite fallen AE basierten Umsatzvolumen deutlich geringer aus. Je nach Leistungsschwerpunkt einer Agentur kann das sehr ins Gewicht fallen. Die Leistungen in der Umsetzung von Social Media – jenseits der kreativen Leistungen und der Beratung – werden diesen Einbruch kaum ausgleichen können. Für den Preisdruck bei der Umsetzung werden m. E. sowohl Freelancer als auch Spezialanbieter sorgen.

  5. Hallo, warum glauben Sie, dass die Umsatzmöglichkeiten schlechter sind? Immerhin ist es eine Dienstleistung, die nur wenige beherrschen, ganz im Gegensatz zu dem üblichen Leistungen von PR- und Werbeagenturen? Warum sollte die hohe Nachfrage nicht zu höheren Tagessätzen führen? Bei mir zumindest ist es nicht so, ganz im Gegenteil, da die Unternehmen mehr Strategie und mehr Beratung brauchen. Der einzige Grund, den ich mor vorstellen kann, ist, dass eine Menge Anbieter aus der Berufsanfänger-/Freelancer-Ecke kommen und noch nicht realisiert haben, was die Dienstleistung wert ist. Dass diese die Honorare drücken, ist vorstellbar. In einer ganzheitlichen Betreuung mit PR und Marketing wird das aber nicht der Fall sein.

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