Community Marketing von P&G: Beinggirl

Proctor & Gamble gilt als eines der innovativsten Unternehmen der USA. Im Konsumgütermarketing haben wenige Unternehmen eine vergleichbare Erfahrung gesammelt. Wenn P & G heute aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Projekt beinggirl Community Marketing als die effizienteste Methode der Kommunikation – zumindest bei jüngeren Zielgruppen – sieht, und dies international umsetzen will, ist dies ein ernst zu nehmendes Statement.  Nach den Erfahrungen von P & G ist dieses Instrument mehr als 4x wirksamer als bisher genutzte Marketingmethoden. Die angestrebte Umsetzung dieser Erfahrung beinhaltet interessante Probleme.

Das Community Marketing Konzept Beinggirl kritisch betrachtet

Ohne den Erfolg von Beinggirl in Frage zu stellen, fallen bei einem zweiten Blick kritische Fragen ins Auge. Ein Blick in Google Trends gibt für beinggirl.com die folgende Entwicklung aus. 

beinggirlcomNach Google hat beinggirl.com nach einem Einstieg bei etwa 14 Tsd unique visitors sich bei 3,5- 4.0 Tsd unique visitors eingependelt. Das mag für die USA eine marginale Reichweite darstellen, für eine belastbare Einschätzung der Wirkung des Instruments dürfte dieser Test ausreichend groß ausgefallen sein.

Die Konsequenz aus diesem erfolgreichen Test lautet bei P & G: wir kopieren die Methode und etablieren das Netzwerk beinggirl in über 20 Ländern. Ãœber diese Konsequenz kann man aus einigen Gründen unterschiedlicher Meinung sein. Hier fallen mir -neben kulturellen Unterschiede – weitere Fragezeichen ein.

  • Der Markt für Social Networks für Jugendliche ist vieler Orts bereits sehr dicht besetzt. Dies hat sicher mit dazu geführt, das beinggirl.com sich nur als kleine Nische hat etablieren können. 
  • Ein Community Marketing Konzept das innerhalb einer Zielgruppe nur einen kleinen Bruchteil erreicht, kann für ein Massenprodukt nicht mehr als ein nice to have sein. Damit wird der Qualität der Methode keine Rechnung getragen, also Wirtschaftlichkeit und Marktanteile verschenkt. 
  • Der Ansatz des Aufbaus eigener Communitys in besetzten Märkten um Zielgruppen anzusprechen, die bereits in anderen Netzwerken gut verankert sind, erscheint mir als Achillesferse der Umsetzung zu sein. So wäre es möglicherweise sinnvoller, die Zielgruppe dort anzusprechen, wo sie innerhalb ihres sozialen Umfelds verankert ist, statt sie in ein zusätzliches Social Network einbinden zu wollen. 

Bestehende Reichweiten nutzen oder eigene Reichweiten aufbauen?

schulervzLetzteren Punkt verdeutlicht die Reichweite von SchülerVZ in der Zielgruppe der Erstanwenderinnen von Always, dem Produkt, das via Beinggirl lanciert werden sollte. Bei den 14jährigen Mädchen dürfte SchülerVZ aufgrund der Angaben in den Mediadaten eine Reichweite von etwa 230 Tsd. daily visitors in Deutschland aufweisen. (Vorsicht: diese ist eine sehr grobe Schätzung auf der Basis der Mediadaten von SchülerVZ). Der Aufbau eines zusätzlichen Social Networks mit vergleichbarer Reichweite in Deutschland dürfte alles andere als einfach und entsprechend langwierig sein und auch deutlich teurer ausfallen als die prohibitiven Preise, die für die Nutzung von Edelgruppen bei den VZs zirkulieren. Darüber hinaus könnte auf diesem Weg einiges an Zeit gewonnen werden. 

Was spräche für eine stand alone Lösung im Community Marketing?

Die Unabhängigkeit im Marktzugang und die direkte Kontrolle des Contents und der Marke sind auf den ersten Blick aus der traditionellen Marketingperspektive gewichtige Argumente. Letztlich stände der Unabhängigkeit eine Minimierung des kommunikativen Marktzugangs via Community Marketing gegenüber. Die Kontrolle des Contents ist in einem Social Networks allerdings per se problematisch. Alles was über die Einhaltung von rechtlichen Normen hinausgeht, ist Zensur und wird entsprechend aufgefasst. Die Kontrolle über die Marke ist spätestens seit der breiten Nutzung des Internets Wunschdenken. Man kann die eigene Kommunikation kontrollieren, die Kommunikation der Zielgruppen / Öffentlichkeit über die Marke längst nicht mehr. Und es ist die Kommunikation der Öffentlichkeit, die zählt. 

Als nicht zu unterschätzender Aspekt ist noch die Frage des Jugendschutzes zu beachten. Die Zielgruppe ist minderjährig und Verletzungen des Jugendschutzes sind für ein Konsumgüterunternehmen nicht wirklich hilfreich. Das Risiko besteht sicher bei der Nutzung einer externen Plattform, aber auch bei der Nutzung eines eigenen Social Networks. Bei Verstößen einer externen Plattform, die nur zu werblichen Zwecken genutzt wird, ist das Problem für das Image von Unternehmen und Marke sicher geringer als bei Verstößen gegen den Jugendschutz auf der eigene Plattform, für die man direkt verantwortlich ist.  

Der Aufbau eines eigenen Ertragspotenzials durch den Aufbau einer eigenen Community macht als Argument für eine standalone Strategie nur dann Sinn, wenn eine entsprechende Anzahl von Mitgliedern gewonnen und gehalten werden kann. 

Zu Letzt fällt mir als Argumentation für eine standalone Strategie im Community nur deren einfachere Struktur ein. Man muß sich nicht auf eine Vielzahl von unterschiedlich dimensionierten und strukturierten Social Networks und deren unterschiedlichen Möglichkeiten von integriertem Community Marketing einlassen und kann versuchen, dies durch entsprechende Investitionen in Werbung auszugleichen. Dadurch wird allerdings viel von der Effizienz des Community Marketings auf der Strecke bleiben. Dieses Problem ist allerdings auch den fehlenden Standards für ein integriertes Community Marketing bei den Social Networks anzulasten.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.

2 Gedanken zu „Community Marketing von P&G: Beinggirl“

  1. @beinggirl(.de), kann man nur dadurch ergänzen und unterstreichen, das in dieser Altersgruppe so gut wie jedes Girl bereits eine oder mehrere Communitys aktiv nutzt. Da wird wieder jemand für viel Geld das Rad neu erfinden. familiensache ist vermutlich von einer Agentur teuer installiert worden. Erinnert mich ein wenig an die T-Community.

  2. P&G ist ein gebranntes Kind in sachen (branded) Community-Aufbau: Bereits ende der 1990er Jahre versuchte man dort mit familiensache.de eine eigene Community für die Zielgruppe Familien aufzubauen. Man spricht inzwischen von einem zweistelligen Millionen-Etat und zuletzt 5.000 [sic!] registrierten Usern.

    beinggirl(.de) geht in eine ähnliche Richtung. Das Budget für einen internationalen Rollout kann man sich sparen. Statt dessen sollte man versuchen sich in bereits bestehenden (neutralen) Zielgruppen-Communities zu engagieren: mit einem Mehrwert-Angebot für die dortigen User. Diese Kontakte zahlen ungleich höher in die Marken von P&G ein als es „Pseudo-PR-Websites“ à la beinggirl jemals könnten.

    Wieder nichts gelernt.

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