Das BRAVOsterben falsch verstanden

Meedia befasst sich aktuell und aus gegebenem Anlass wieder einmal mit den IVW Zahlen und hier unter anderem auch mit dem Absturz der Jugendmagazine.

Ich nenne das mal grob vereinfacht das BRAVOsterben, auch wenn es die ganze Branche betrifft. So nachvollziehbar die Fakten sind, die meedia zitiert, so fraglich halte ich einen Schluss daraus:

Zitat: Die Jugend kehrt dem Medium Papier den Rücken.

Das ist möglicher Weise ein zu naheliegender Schluss, um nicht zu sagen ein Schnellschuss. Im gleichen Artikel befasst man sich mit Wachstum bei gedrucktem Papier in der Zielgruppe der Kinder. Mein Schluss aus dieser Entwicklung ist ein anderer:

Meine Meinung: Die Jugend kehrt dieser Form von Nutzenstiftung den Rücken.

Und das ist sicher nicht ganz falsch und sollte auch nicht überraschend sein. Fasst man mal zusammen was sich in den letzten zehn Jahren in der Kommunikation der Jugendlichen getan hat und wieviel davon von der BRAVO Branche vorangebracht oder wenigstens rechtzeitig aufgegriffen wurde, wird die Ursache dieses Absturzes deutlich. Im Gegenteil – man hat im Fall von BRAVO auch die Chance der eigenen Community vergeigt, obwohl die User anfangs dafür verfügbar waren. Das Problem dieser Branche ist wohl weniger die Zielgruppe und deren Abwendung, sondern das eher man die eigenen Kunden nicht mehr kennt und versteht.

Wie sieht die Antwort der Branche auf die Frage aus, was die Zielgruppe an Inhalten und Nutzen nicht längst schneller und besser im Netz bekommen kann?

Als Zukunftsgestaltung hilft die alte Methode „neue Verpackung für alte Inhalte“ auch nicht weiter. Das Thema Einstellung wird vermutlich schneller auf der Tagesordnung stehen, als das Thema Innovation. Es ist nicht der Kunde, der sich vom Markt entfernt hat.

Contentgläubigkeit  statt Nutzenorientierung – Anzeigendenken statt Marketingverständnis

Was ist denn Content, Inhalt nichts anderes als eine Form von Nutzenstiftung. Gedruckt. Nützliche Information, insbesondere wenn man unterhaltendes auch unter der Rubrik nützlich ansiedelt. „Die Jugend“ ist immer noch heftig auf der Suche nach nützlichen Informationen. Ihre Quellen sind nur andere geworden. Und in einer Welt, in der jeder Jugendliche nicht nur Inhaltekonsument sondern auch Inhalteproduzent ist, sieht der Wettbewerb eben anders aus. Wer seine Zielgruppe da nicht wirklich kennt, ist extrem schnell aus dem Rennen.

Ich wage zu prognostizieren, das die Jugend-Medienmarken, die in Print gescheitert sind, diesen Prozess elegant auch im digitalen Umfeld nachvollziehen werden. 

Eben, weil nicht das Papier das Problem ist, sondern die Marktnähe und die Nutzenstiftung. Eine Medienmarke, die es schafft sich über die Nutzenstiftung neu zu erfinden, wird durch alle Medienwechsel erfolgreich sein. Natürlich ist die Lösung für BRAVO nicht mehr die eigene Community ein wenig aufzuhübschen. Der Zug steht längst in Palo Alto. Und ob fröhliche Pilgerreisen dorthin die Lösung bringen – ich bin mir da nicht sicher. Beten in Lourdes soll schon mehr Wunder bewirkt haben.

Wie könnte – jenseits von Sarkasmus, Ironie und müder Schadenfreude – eine Lösung für die Branche aussehen. Wo finden sich Ansatzpunkte, die das Gerüst für ein zukunftsfähiges mediales Geschäftsmodell in diesen Zielgruppen bilden können? Natürlich gibt es davon immer noch genügend. Die Herausforderung liegt eher darin, die eigene Position zu verlassen und sich neu im Markt zu positionieren – solange dafür noch Kraft und Ressourcen vorhanden sind.

Eckpunkte einer Jugendstrategie einer Medienmarkte

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Erfreulicherweise bieten sich gleich eine ganze Reihe unterschiedlicher Strategien für die Zielgruppen der Jugendlichen an. Die Gemeinsamkeiten dieser Strategien:

Plattformen: Multiplattformstrategie mit dem Schwerpunkt mobile Endgeräte

Nutzen: ein Nutzen der Information mit enthalten kann, aber deutlich darüber hinaus geht. Stichworte dazu: Integration und Partizipation, Wikipediaisierung

Inhalte: die Inhalte mögen aus der Konsumgüterindustrie an die Zielgruppen herangetragen und von den Medien redaktionell aufbereitet werden, Themen und Trends setzen die Zielgruppen längst selbst. Die Integration der Zielgruppen in die Produktion der Inhalte ist schon deshalb nicht mehr verzichtbar.

Soziale Integration – Social Media: Ohne konzeptionell-architektonische Einbindung bestehender Social Media Plattformen wird kein nennenswerter Erfolg in diesen Zielgruppen zu realisieren sein. Die konzeptionelle Herausforderung ist, die Reichweite der Plattformen zu nutzen, um eigene Geschäftsmodelle jenseits der Abhängigkeit davon zu etablieren.

Geschäftsmodell: Zielgruppenerschließung und Vermarktung von Nachfrage und Zugang / Marketingdienstleistungen jenseits von Anzeigen und simpler Werbung. Die Defizite von Facebook und Co bieten hier reichlich Raum für relativ innovative Marketingdienstleistungen.

Timing und Ressourcen

Je später ein Marktteilnehmer in einem etablierten Markt agiert, desto kleiner ist in aller Regel das verbliebene Potenzial und desto höher der Ressourcenbedarf – sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Das Sterben der Jugendmagazine dauert an, aber das Ende wird zusehends absehbar. Die Bereitschaft noch einmal einen nennenswerten Betrag zu investieren um mit dem Risiko eines faktischen Neustarts die Chance zu wahren, im Markt zu bleiben dürfte nicht in dem Maß wachsen, wie die Magazine schrumpfen.

 

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.