Eine Frage der Strategie – die Zukunft der deutschen Social Network Plattformen

Alle Welt bestaunt das sensationelle Wachstum von Facebook und der eine oder andere bedauert, das auch die deutsche Social Network Landschaft zunehmend von einem US Unternehmen dominiert wird. Welche Folgen diese Entwicklung haben kann, ist noch nicht absehbar, was mit zu dieser Entwicklung führt schon.

Der Aufstieg eines monopolartigen Marktführers bei den Social Network Plattformen ist letztlich eine logische Konsequenz strategischer Entscheidungen. Das dabei Facebook die Nase vorn hatte und nicht MySpace oder ein anderer US-Gigant war nicht von Anfang an klar.  Das es ein US-Unternehmen werden würde, dafür sprach und spricht einiges.

Chancen und Risiken der Plattformstrategie

Das kennen wir  bereits aus anderen Internetbranchen und nehmen es als systembedingte Regel hin. Dabei trugen und tragen strategische Entscheidungen genauso zu dieser Entwicklung bei. Eine Ursache der Entwicklung zu monopolartiger Dominanz liegt in der Entscheidung der Social Network Plattformen für eine Plattformstrategie. Wer sich die Frage stellt, wie er den Wettbewerb mit Facebook angeht oder wie die Zukunft der Social Networks in Deutschland aussehen kann, sollte diese Frage auch aus dem Blickfeld der Plattformstrategie betrachten.

  • Für die Betreiber von Social Network Plattformen geht es bei der Plattformstrategie auch um die Frage, ob sie eine Zukunft haben.
  • Für die Unternehmen, die Plattformen für ihr Marketing nutzen, geht es um die Frage, wo sie ihr langfristiges Investment platzieren und welche Risiken sie damit eingehen.

Was ist die Plattformstrategie eigentlich?

Die Plattformstrategie steht für

  • inhaltliche Neutralität,
  • die Konzentration auf die Funktion einer technischen Infrastruktur, auf Tools und Features der Kommunikation, Vernetzung und Selbstdarstellung.

Das Gegenstück zur Social Network Plattform ist die Onlinecommunity, die sich um gemeinsame Werte, Ziele, und Aktivitäten bildet. Innerhalb einer Social Network Plattform finden sich meist viele Online Communitys, die als Gruppen, Clans oder ähnliches bezeichnet werden.

Welche Vorteile und welche Nachteile sind mit der Plattformstrategie verbunden?

Vorteile: Die Plattformstrategie steht für die Ausrichtung auf schnelles Wachstum. Im Gegensatz zur Online Community ist die Plattform für alle offen und kann deshalb schneller wachsen.

Nachteil: Im Wettbewerb der Plattformen zählen Größe und Aktivität, basierend auf Markterschließung und Wachstumsdynamik, gefördert von technologischem Fortschritt und gefühlter Innovation und Aktualität. Die Plattformstrategie begünstigt die Plattform mit dem grössten Wachstum. Das ist nicht nur im nationalen Rahmen zu betrachten, sondern im kulturellen Rahmen. Mit anderen Worten – um in einer Plattformstrategie langfristig Marktführer werden zu können, muss man in der Lage sein, die Märkte mit kultureller Ãœbereinstimmung zu erobern – also Europa und die USA.

Was bedeutet das in der Praxis für die deutschen Plattformen?

Ziel verpasst.

Die Plattformstrategie war in der Startphase der Social Networks die Alternative, die die höchste Chance auf schnelles Wachstum und auf Marktführerschaft in Deutschland versprach. Schnelles Wachstum war das Gebot der Stunde, weil man sich so schnell als möglich ein möglichst großes Stück vom Kunden als Potenzial sichern wollte. Die Konsequenz dieser Ãœberlegung endete an dem Punkt der Marktführerschaft – in Deutschland oder in der eigenen Region.

Das die Plattformstrategie allein keinen Ansatz bot und bietet, die erschlossenen Potenziale in Form von Nutzern zu halten, hatte in dieser Phase keine Bedeutung. Das Rennen war gestartet – entweder man beteiligte sich daran, oder man blieb zurück.

Jetzt – nachdem das Rennen beendet ist, stellen wir für die deutschen Social Network Plattformen fest, das sie alle ihr Ziel nicht erreicht haben und auch nicht erreichen konnten, Marktführer als Plattform zu werden. Dazu sind sie faktisch im falschen Markt gestartet.

Facebook wird definitiv nicht von einer der existierenden deutschen Plattformen geschlagen werden – schon gar nicht in seinem Ausgangsmarkt USA.

Strategiewechsel oder Untergang

Mit der Plattformstrategie alleine werden sich die erreichten Userzahlen und -aktivität nicht halten lassen. Keiner der Plattformen ist in der Lage technologisch mit Facebook zu konkurrieren oder eine Plattform aufzubauen und zu führen, die Facebook qualitativ deklassiert. Dazu fehlt es nicht nur an Ressourcen und Kompetenz. Der wirtschaftliche Vorteil von Facebook – aufgrund dessen Marktanteils in den USA – ist faktisch nicht auszugleichen. Je länger die deutschen Plattformen an ihrer alten Strategie festhalten, desto deutlicher wird ihre Wettbewerbsschwäche und desto mehr Aktivität und User werden sie an den „neuen“ und leistungsfähigeren Anbieter verlieren. Dieser Schwund reduziert ihre wirtschaftlichen Ressourcen und damit auch die Handlungsfähigkeit.

Wie sehen die strategischen Alternativen für die deutschen Social Network Plattformen aus?

Ein direkter Wettbewerb auf Augenhöhe mit Facebook ist nicht möglich. Wo der direkte offene Wettbewerb den sicheren Untergang bedeutet, bietet die Verlagerung des Wettbewerbs auf eine andere Ebene die Möglichkeit, erzielte Marktanteile zu sichern und wirtschaftlich zu nutzen, nicht zuletzt indem man die Leistungsfähigkeit dieses Wettbewerbers zum eigenen Vorteil nutzt.

Die Communitystrategie

Ein Kurswechsel hin zu einer Strategie der gemanagten Onlinecommunity würde in den allermeisten Fällen den Absturz dynamisch beschleunigen, weil sie durch ihre Positionierung Mitglieder „ausgrenzt“.  Dieses Risiko ist auch nicht durch einen multiplen Ansatz – mehrere OnlineCommunitys – zu reduzieren. Nicht zuletzt weil hier schnell die Ressourcen der Betreiberunternehmen überfordert sind. Eine multiple Communitystrategie durch die User zu forcieren erfordert neben den technischen Rahmenbedingungen eine hohe Ressourcenqualität und -quantität in Sachen Community Management, die kaum ein Betreiberunternehmen wird leisten können.

Die Integrationsstrategie

Integrationsstrategie steht für die Verbindung der eigenen Plattform mit Facebook, z. B. indem man sich über Facebook in der eigenen Plattform einloggen kann, die User in Facebook eine Filiale der eigenen Plattform finden oder ihren Newsfeed in Facebook um die social news der eigenen Plattform anreichern können. Auch diese Strategie wird scheitern, wenn sie dem User nicht einen überzeugenden Zusatznutzen bietet. Nach Facebook abgewanderte User sind gegangen, weil die alte Plattform nicht mehr ihren Wünschen entsprach und / oder ihr soziales Umfeld sich nach Facebook verlagert hat. Dieser Prozess lässt sich allein durch ein andocken von Informationen an Facebook nicht ausgleichen.

Die Potenzialstrategie

Dieser Ansatz steht für eine Fokussierung auf definierte Potenziale und die Methode diese Potenziale durch eine wettbewerbsorientierte Nutzenstiftung (zurück) zu gewinnen und wirtschaftlich zu nutzen. Dabei ist die Frage der dafür genutzten Plattform sekundär. Unter einer wettbewerbsorientierten Nutzenstiftung verstehe ich, den persönlichen Nutzen, der dem User geboten wird, so zu gestalten, das Wettbewerber – wie Facebook oder auch andere – diesen Nutzen nicht einfach, besser gar nicht, nachvollziehen können. Dieser Nutzen wird zwangsläufig nicht aus einer Plattform und einer bestenfalls ebenbürtigen Kommunikationsinfrastruktur bestehen, sondern in individuellen Vorteilen für den User, die in dessen Interessen zu finden sind.

Diese Vorgehensweise kann sich um so stärker für ihre Nutzenstiftung auf regionale und lokale Anbieter stützen, je weniger diese Facebook für ihr Marketing entdeckt haben. Dadurch definiert sich auch ein Zeitfenster für die Umsetzung einer Potenzialstrategie. Spätestens im Anschluss an dieses Zeitfenster muss sich diese Strategie stärker auf die Aktivierung der Nutzer stützen.

Das diese Strategie Unternehmen mit regionalen Schwerpunkten bevorzugt, bzw. Plattformen mit mehreren regionalen Schwerpunkten vor grössere Herausforderungen stellt, ist naheliegend.

Weitere Fragen zum Thema?

Wenn Sie für Ihre eigene  Plattform über Strategien zur Wettbewerbsgestaltung und Unternehmensentwicklung nachdenken oder zu einzelnen Punkte weitergehende Fragen haben, stehe ich Ihnen unter der links aufgeführten Telefonnummer gerne mit meinem Rat zur Verfügung. Auch wenn Sie weitere Informationen zur Entwicklung und Umsetzung einer Social Media Strategie suchen oder einfach meine Einschätzung zur Social Media Strategie Ihres Unternehmens insgesamt oder zur Umsetzung in konkreten Fällen suchen, bin ich für eine erste telefonische Beratung unter der links aufgeführten Telefonnummer während der üblichen Bürozeiten gerne für Sie da.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, das ich aufgrund von Beratungsterminen, Vorträgen und nicht zuletzt auch Seminarveranstaltungen nicht jeden Tag permanent telefonisch erreichbar bin.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.

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