Social Media Kompetenz und Sparkassen

Dieser Artikel wurde durch einen wertvollen Kommentar eines Jugendmarktbetreuers der Sparkassen zu einem früheren Artikel  (POOL – veraltetes Jugendmarkttool der Sparkassen) initiert. Da ich denke, das es von allgemeinem Interesse sein kann einige Argumente zu beleuchten, widme ich diesen einen eigenen Artikel und danke der oder dem leider unbekannten LeserIn für diese Anregung.

Eine Grundhaltung zur Nutzung von Social Media in der Sparkassenorganisation wurde in diesem Kommentarso treffend beschrieben, das ich ihn zitiere:

Unser Haus hat aber entschieden hier keine eigene Plattform aufzumachen. Die Gefahr gegen die großen Facebooks dieser Welt einen Ladenhüter zu schaffen ist zu groß. Eine Gruppe auf Facebook oder Xing zu gründen kommt angesichts der Datenschutzdebatte derzeit auch nicht in Frage. Am Schluss bleiben solche Negativ-Meldungen ja immer bei uns hängen, auch wenn wir gar nicht die “Schuldigen” sind.

Das klingt sehr vernünftig und Argumentationen dieser Art bin ich selbst ebenfalls immer wieder mal begegnet – nicht nur innerhalb der Sparkassenorganisation. Mein erster Gedanke dazu ist zugegebener Weise ein wenig boshaft. Das die Sparkassen bereits existieren erweist sich für sie als Glücksfall. Gegen die Banken dieser Welt würden sie mit dieser Einstellung heute sicher nicht mehr antreten.

Das Social Media Missverständnis…

Social Media ist in vielen Augen ein Marketingtool wie andere auch. Manche halten es auch heute noch für eine Spielwiese von Jugendlichen, die nicht wissen, was sie mit ihrer Freizeit sinnvolles anfangen sollen. Vielleicht gibt es tatsächlich noch den einen der andere, der das Thema für eine kurzfristige Modeerscheinung hält. Kurz zusammengefasst, sind alle diese Einschätzungen falsch und unterscheiden sich darin nur graduell.

… und der Infrastrukturcharakter von Social Media

Social Media etabliert eine neue Kommunikationsinfrastruktur, beginnend mit den Zielgruppen, die das Internet am schnellsten verstanden haben, endend bei den Zielgruppen, die das Thema am hartnäckigsten missverstehen.

Käme heute noch jemand auf die Idee ein Unternehmen ohne die Nutzung von Telefon, Telefax und eMail zu betreiben? Natürlich wäre dies theoretisch möglich, wettbewerbsfähig wäre das Unternehmen aber wohl eher nicht. Social Media hat übrigens die Nutzung von eMail bereits überholt.

Analogien helfen zu verstehen:

Man stelle sich vor, ein Unternehmen fühle sich nicht in der Lage, PCs und moderne Kommunikationsinstrumente zu nutzen und entschiede sich statt dessen dafür, ihren Buchhaltern ergonomischere Stehpulte, modernste Kugelschreiber und Rechenbretter und den Schreibdamen eine Generation neuer Kugelschreibmaschinen zu spendieren. Ich würde auf die Zukunft dieses Unternehmen trotzdem kein Geld setzen und ihm auch kein Geld anvertrauen, egal wie erfolgreich es in der Vergangenheit mit diesem Methoden war.

Erfolg durch Realitätsverlust?

Der Kommentator verwies sehr treffend auf die Funktion von POOL

Aufgabe von S-POOL – und da werden wir auch gut unterstützt – ist es aus meiner Sicht die Brücke von der “Spaßkasse” zum erfolgreichen Verkauf zu schaffen. Mit Vertriebscoachings und anderen Maßnahmen haben wir hier in den letzten Jahren sehr gute Erfolge erzielt und die Produktnutzungsquote deutlich gesteigert.

Präzise und besser lässt sich die Funktion von POOL kaum beschreiben. Zugleich trifft das auch die Achillesferse dieses Tools. Wie kann man sich als glaubwürdig und kompetent auf einem fachfremden Feld (Spass) erfolgreich mit Angeboten präsentieren wollen, wenn man dabei konsequent die Realität dieser Zielgruppen ignoriert. Das ist so sinnvoll oder zeitgemäß, wie die Produktion von Kontoauszügen durch den örtliche Steinmetz in Granit.

Ich bin diesem Kommentator wirklich dankbar, denn er beschreibt eine Situation, die ich – nicht nur für die Sparkassenorganisation – als leider all zu typisch bezeichne und mit einer weiteren Analogie beschreiben will:

Wenn in einem Motorsportrennstall die Fahrzeuge technisch nicht mehr die nötige Leistung bringen, macht es wenig Sinn, den Piloten des Fahrzeugs auf Weiterbildung zu schicken, statt ihm das nötige Werkzeug zu geben um vorne mitfahren zu können.

Ob bewußt oder unbewußt, der Kommentator nennt das Feld auf dem nach seiner Erfahrung wirklich Erfolge erzielt wurden. Es ist nicht die Brücke, die das Instrument POOL bilden soll, um möglichst viele Kunden von der „Spasskasse“ zur Sparkasse zu bringen, sondern die Anstrengungen, die Leistung, die dieses Instrument noch erbringt, möglichst effizient zu nutzen. Wenn das Wasser immer spärlicher durch den Hahn kommt, kann man versuchen die Ursache ändern und die Leitungen zu entkalken, oder man konzentriert sich darauf, das Wasser immer effizienter zu nutzen.

Social Media ist keine Infrastruktur für Jugendliche und junge Erwachsene

Was heute bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen längst gelebte Realität ist, entwickelt sich bei den älteren Zielgruppen dazu. Im einstmals als beratungsintensiv bezeichneten Bereich der Reisen entscheidet sich bereits ein Viertel der Reisenden aufgrund von Social Media Inhalten für andere Reiseziele oder Anbieter. Wer jetzt daran denkt, wie viele Internetnutzer auch online banking nutzen und wie sich die Kundenkontakte von Banken und Sparkassen im Mengengeschäft aufgrund der Automatisierung und des Internets entwickelt haben, dann auch bedenkt, wie schnell sich diese Verhaltensveränderungen in Social Media etabliert haben und wie schnell die betroffenen Branchen darauf reagieren, dem wird klar, das es sich bei der Diskussion um Social Media im Jugendmarkt nur um den Teil des Eisbergs handelt, der deutlich sichtbar ist. Interessanter Weise ist dieser Eisberg schneller unterwegs als die Schiffe um ihn herum.

POOL ist ein deutliches Beispiel in einer exemplarischen Branche

Social Media Kompetenz steht für die Fähigkeit der Kommunikation mit dem Kunden. Für einzelne Zielgruppen mag es sich noch um ein Stück Kommunikation der Zukunft handeln. Für andere Zielgruppen wie die Jugendlichen und jungen Erwachsene ist das schlicht täglich gelebte Realität. Wer als Unternehmen heute darauf setzt, mit Methoden, die nicht mehr der Realität seiner Kunden entsprechen erfolgreich zu sein, verzichtet bestenfalls auf ein Stück Erfolg, schlimmstenfalls auf ein großes Stück seiner eigenen Zukunft. Für die Branche, die als Beispiel dient ist das besonders bitter. Die Sparkassen leben vom Mengengeschäft. Die Anzahl der Kunden, die nächwächst ist deutlich geringer. Um die Anzahl der Kunden trotz Pillenknick gleich zu halten, müsste der Marktanteil drastisch erhöht werden oder die Menschen müssten künftig ein deutlich höheres Geschäftsvolumen aufweisen. Letzteres ist zumindest nicht zu erwarten. Das Marktanteilssteigerungen in diesem Markt in dem Umfang möglich sind, ist in der Vergangenheit bereits bewiesen worden, erfordert aber innovativeres und deutlich mehr an der Realität ausgerichtetes Verhalten.

Dynamik 2.0

Wer die Entwicklung von Social Media betrachtet, kommt nicht umhin, die besondere Dynamik zur Kenntnis zu nehmen. Neu Infrastrukturen haben sich immer in schnellerem Tempo etabliert als ihre Vorgänger. Social Media ist hier keine Ausnahme sondern eine deutliche Bestätigung. Innerhalb von weniger als zehn Jahren hat sich ein technisch exotisches Medium als Massenmedium etabliert und unsere Informations- und Kommunikationsgewohnheiten verändert.

Wer in einem so dynamischen Umfeld auf abwarten setzt, fällt deutlich weiter zurück als er erwarten kann. Wer auf ein funktionierendes Beispiel wartet, sollte nicht mehr davon ausgehen, das er dieses Beispiel selbst noch erfolgreich umsetzen kann. Wer im Wettbewerb abwartet, fällt zurück während die Entwicklung um ihn herum dynamisch beschleunigt. Um aufzuholen müsste ein Unternehmen, das diese Politik verfolgt hat, ihr eigenes Tempo explosionsartig  erhöhen und um ein mehrfaches schneller als die Gesamtentwicklung sein, um Anschluß an zu finden. Wer die Entwicklung nicht versteht, deshalb erst mal aussetzt und zusieht um zu lernen, was passiert, sollte sich nicht wundern, wenn die Welt nicht anhält, wenn er wieder mitspielen will.

Zwei mal daneben ergibt keinen Volltreffer

Die Verabschiedung von der Realität des Marktes zu einem Zeitpunkt, an dem genau das Gegenteil angeraten wäre und die intelligente Nutzung von Social Media eine Voraussetzung ist um Marktanteile zumindest zu sichern, ist bestenfalls unglücklich. Die Quintessenz der zitierten Einschätzung  – wir können diese Ebene nicht nutzen, weil wir sie nicht verstehen und unsere Unternehmenskultur und Geschäftsgröße dazu nicht passen –  mag logisch klingen ist aber eine Form der Resignation und erinnert mich persönlich an den Versuch schönere Briefe zu schreiben um sich die Nutzung von eMail zu ersparen.

Social Media ist Schlüsselkompetenz

Wenn wir über Social Media und Zielgruppen diskutieren, denken wir meist an jüngere Zielgruppen. Das dies nur ein temporärer Zustand ist, zeigen Erkenntnisse in anderen Branchen. Das Beispiel Tourismus ist nur eines von mehreren. Die Kompetenz Social Media erfolgreich einzusetzen, steht für eine Schlüsselkompetenz in der Marktbearbeitung. Die Ursache ist ein einfach:

Das Unternehmen, das den Kunden dort erreicht, wo er sich aufhält, ist im Vorteil gegenüber Unternehmen, die darauf angewiesen sind, das Kunden zu ihnen kommen. Den Kunden zu bewegen, erfordert mehr Investitionen in ein Marketing, dessen Instrumente zunehmend ineffizienter werden. Wer in Social Media erfolgreich einsetzt, ist in der Marktbearbeitung durch Empfehlungsmarketing wesentlich erfolgreicher und zugleich ein deutlich wirtschaftlicher.

Keine Chance gegen Facebook und Co?

In dem Punkt teile ich die Einstellung des Kommentators. Mit Rezepten der Vergangenheit und einem gerüttelt Maß an Realitätsverweigerung ist kein Stich zu machen. Das mit etwas mehr an realer Zielgruppenorientierung deutlich größere Erfolge realisierbar sind, durfte ich bereits in der Praxis beweisen.

Die Einschätzung mit Facebook in Wettbewerb treten zu müssen, um erfolgreich zu ein, teile ich nicht. Mit Facebook in direkten Wettbewerb zu treten, ist weder sinnvoll noch nötig. Intelligentes Social Network Marketing kann diese Plattform nutzen und dabei die Risiken aus Datenschutzproblemen, Imageproblemen und auch die Abhängigkeit von einer externen Plattform als strategisches Risiko deutlich zu mindern oder ganz vermeiden. Das man externe Social Network Plattformen nicht nur auf der Basis von Fanpages nutzen kann und sollte, um überhaupt erfolgreich sein zu können, erfordert allerdings eine tiefe Kenntnis der Materie, die von den einzelnen Sparkassen heute noch nicht erwartet werden kann. Hier – das sollte nicht vergessen sein – waren die einzelnen Sparkassen bislang leider auf ihre eigene Organisation in Form von Verbänden und Sparkassenverlag angewiesen.

Bis von Verlag und Verbänden konstruktive, praktische Unterstützung in Sachen Social Media kommt, werden die einzelnen Sparkassen auf sich gestellt bleiben, sollten sie nicht selbst aktiv werden. Durch die schnelle Zunahme der Nutzung von Social Media geht ein Social Media Defizit unweigerlich zu Lasten der einzelnen Sparkassen und führt dort zu einem steigenden Wettbewerbsnachteil zu Lasten der eigenen Marktanteile.

Schnellere Problemlösungen wichtig

Abwarten und auf Verband und Verlagsinnovationen auf diesem Feld zu warten ist in dieser Situation die schlechtere Alternative, überstürzter Aktionismus ohne das nötige know how hilft allerdings auch nicht weiter. Der Königsweg geht über die nötige Social Media Kompetenz im eigenen Haus und die Nutzung von Strukturen, die es auch einzelnen Sparkassen erlauben, Social Media in der nötigen Qualität und Sicherheit wirtschaftlich zu nutzen.  Die eigene Social Media Kompetenz lässt sich durch entsprechende Seminare erarbeiten. Für die Unterstützung der Marktbearbeitung in technischer Ebene und im Bereich des Community Management bietet sich ein Team von Spezialisten an, die gemeinsam das Leistungsportfolio abdecken, das selbst abzudecken für die einzelne Sparkasse nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll ist. Bei Interesse sprechen Sie mich einfach direkt an. Sie erreichen mich hier.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.

5 Gedanken zu „Social Media Kompetenz und Sparkassen“

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