Warum es Sinn macht Geschäftsmodelle in und für Social Media neu zu denken

Das Thema Marketing in Social Networks und Communitys als Thema dieses Blogs befasst sich eher mit den Methoden jenseits der Anzeigenschaltung in Social Network Plattformen, auch wenn Werbung ohne Frage zum Marketing zählt. Der Grund dafür ist, das Werbung mit Social Media in aller Regel nicht kompatibel ist. Das liegt oft an der Werbung, aber auch an der Situation in der sich der Empfänger die Werbung wahrnimmt – oder besser nicht wahrzunehmen versucht. Werbung in Social Network Plattformen ist ja nicht ohne Grund deutlich preiswerter als in anderen Online Medien. Die kommerzielle Kommunikation in Social Networks sollte zudem einen eigenständigen Nutzen für den Empfänger bieten. Das wird von den Werbetreibenden nun mal immer noch viel zu wenig beachtet. Entsprechend findet „ignorante“ Werbung deutlich weniger Beachtung durch die User von Social Network Plattformen.

Die Geschäftsmodelle und Leistungen für die in Social Media geworden werden, stammen in aller Regel aus der Zeit vor Social Media. Es kann durchaus Sinn machen, diese Geschäftsmodelle an Social Media zu adaptieren. Nicht zuletzt, weil Social Media orientierte Geschäftsmodelle deutlich erfolgreicher sein können.

Social Media orientierte Geschäftsmodelle oder Social Media orientiertes Marketing?

Warum diese Unterscheidung? Weil es sich dabei um zwei unterschiedliche Ansätze handelt. Ich unterschiede diese beiden Ebenen nach einer einfachen Faustregel:

  • Social Media orientierte Geschäftsmodelle können ohne den Social Media Erfolg nicht funktionieren.
  • Social Media orientiertes Marketing berücksichtigt die Besonderheiten von Social Media um erfolgreicher zu sein.

Diese Unterscheidung macht auch aus einem zweiten – nicht weniger wichtigen – Grund Sinn. Social Media orientierte oder basierte Geschäftsmodelle können anders aussehen.

Social Media und Markterschließung

Für ein Geschäftsmodell ist es fraglos erfolgsentscheidend, ob man es im Markt etablieren kann. Die Markterschließung ist unterm Strich auch für Geschäftsmodelle mit ausreichendem Potenzial und wettbewerbsfähigen Leistungen eine entscheidende Hürde.

Das Social Media die Markterschließung deutlich vereinfachen und erleichtern kann, ist – hoffentlich – als Fakt erkannt. Da Hürden beim Marktzugang den Wettbewerb mitbestimmen ist der Wegfall dieser Hürden auch wettbewerbsverändernd. Mit anderen Worten – ein einfacherer und wirtschaftlicherer Marktzugang erhöht nicht nur den Wettbewerb, er eröffnet auch für Geschäftsmodelle den Weg, die ansonsten an der Hürde Markterschließung wirtschaftlich gescheitert wären.

Social Media und user generated marketing

User generated content kennen wir alle. Aber was ist user generated marketing? Etwas das Sie längst unter der Bezeichnung Empfehlungsmarketing kennen? Warum aber dann den Begriff user generated marketing nutzen, wenn es schon einen anderen, bekannteren Begriff gibt?

Weil user generated marketing mehr ist als Empfehlungsmarketing, aber Empfehlungsmarketing zum user generated marketing gehört.

Ist user generated marketing eine rein theoretische Wortspielerei oder ein substantielles Thema mit dem Sie sich befassen sollten? Die Antwort auf diese Frage gibt der Markt. Googlen Sie nach Dewmocrazy. Mountain Dew hat hier das Instrument crowd sourcing für sein Marketing eingesetzt und Produktbestandteile, -verpackung und Kommunikation von seinen Fans und Kunden ganz oder teilweise mitgestalten lassen. 9 Millionen Amerikaner haben sich an diesem Marketingprozess beteiligt. Allein das kann man schon als sehr beachtlichen Marketingerfolg bezeichnen, der zumal mir verhältnismäßig geringen Mitteln erzielt wurde. 9 Millionen potenzielle Kunden und Markenevangelisten, die die Markteinführung neuer Geschmacksrichtungen mit gestalten, senken das Floprisiko für neue Produkte sicher sehr deutlich. Das Pepsi – die Muttergesellschaft von Mountain Dew – aus dieser Erfahrung Konsequenzen zieht, überrascht nicht. Klassisches Marketing wird zu Gunsten von user generated marketing reduziert. Das Beispiel Mountain Dew zeigt auch das crowd sourcing die Quelle des user generated marketings ist. Die Geschäftsmodelle, die von dieser Entwicklung besonders betroffen sind, sind die

  • traditioneller Medien – offline wie online. Das Geschäftsmodell „Reichweitendienstleister ohne sozialen Mehrwert“ wird stetig weiter an Bedeutung und Zukunftsfähigkeit verlieren.
  • Kommunikationsagenturen, der Leistungsschwerpunkt klassische Medienkampagnen sind. Ihr Marktpotenzial wird auch in Deutschland – wenn auch etwas später – sinken.

Social Media basierte Geschäftsmodelle bieten mehr

Wo Mountain Dews Dewmocracy einen Ausblick auf die Auswirkungen von user generated marketing bietet, zeigt ein Blick auf Wikipedia, wie viel mehr Social Media basierte Geschäftsmodelle bewirken.Und damit wird der Unterschied zwischen user generated marketing und Social Media basierten Geschäftsmodellen deutlich:

  • die Integration von Usern – sei es als ganz normale Nutzer, die spontan mitwirken, sei es als Volunteers, die Teil einer Organisation sind –
  • in die Wertschöpfung

macht den Unterschied aus. Ein Unterschied, der wie das Beispiel Wikipedia eindrücklich zeigt, wirtschaftlich stabil geglaubte Geschäftsmodelle komplett zerlegen kann. Die traditionellen Medienlandschaft erlebt, wie etablierte Geschäftsmodelle durch social media basierten Geschäftsmodelle unter Druck geraten:

  • user generated content als Wettbewerber im Kampf um die Aufmerksamkeit und das Medienzeitbudget von Konsumenten
  • die Integration von redaktionellem Content in Social Media Strukturen ermöglicht eine deutlich breitere, intensivere Nutzung des redaktionellen Contents im Vergleich zu einem Angebot dieses Contents ohne Social Media Integration.

Die Rolle der Social Network Plattformen

Wo Facebooks Infrastruktur sich innovativ entwickelt – Credits, Facebook Shops, Places – bleiben die deutschen Social Network Plattformen deutlich statisch hinter den Möglichkeiten zurück. Damit wird das eigentliche Potenzial der Plattformen – eine sinnvolle Nutzung der Erfahrung und des Empfehlungsmarketings auch in der wirtschaftlichen Dimension weiter verfehlt. Zugleich bietet diese Trägheit Facebook die Möglichkeit neben der „Masseattraktion“ durch interessantere Inhalte und Leistungsbereiche die deutschen Plattformen noch weiter zu deklassieren.

Das das wirtschaftliche Potenzial der Social Network Plattformen deutlich jenseits der Abspielstation für Bannerwerbung liegt, ist ja in der Branche unbestritten. Die Kompetenz dieses eigene Geschäftspotenzial zu nutzen und sich aus dem Risiko der Abhängigkeit von Werbung zu lösen, fehlt in der Branche. Auch wenn die Gründe dafür nachvollziehbar sind, ist das um so bedauerlicher, erhöht es doch die absehbare Abhängigkeit von Facebook.

Aus dieser interessanten Konstellation – Fokussierung von Facebook auf die Infrastruktur und Inaktivität der deutschen Social Network Plattformen – ergeben sich für Third Party Anbieter interessante Chancen über Social Media basierte Geschäftsmodelle in etablierte Anbieterstrukturen einzubrechen und sich auf diesem Weg Potenziale in besetzten Märkten zu sichern.

Fazit

Social Media kann mehr Geschäftsmodelle tangieren oder negativ beeinflussen, als vieler Orts gedacht, bietet aber eine ganze Reiche von Wettbewerbsvorteilen und wirtschaftlichen Vorteilen, wenn bestehende Geschäftsmodelle durch Social Media unterstützt oder sinnvoll in Social Media eingebunden werden können. Interessant wird, ob  Third Party Anbieter die Chancen durch Social Media erkennen und nutzen werden.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.