VZs unter neuer Führung – Stefanie Waehlert folgt auf Clemens Riedl

Die VZs mit neuer Führung und der Hoffnung auf eine Stabilisierung der Nutzerzahlen

w & v berichtet über den Wechsel an der Führungsspitze der VZ Netzwerke. Mit Clemens Riedl verlässt einer der langjährigen CEOs das Unternehmen. Riedl war seit 8/2008 Geschäftsführer der VZ Netzwerke. Nach Angaben von w & v wollte er das Unternehmen bereits im Frühjahr verlassen.

Stefanie Waehlert kann bei ihrer Aufgabe auf die Erfahrung als Geschäftsführerin der ProSiebenSat.1 Media AG aufbauen. Dort war sie auch für die Lokalisten zuständig, dem großen regionalen Netzwerk aus Bayern. Deren Entwicklung ist ja nahezu typisch für Social Network Plattformen, die den Strategiewechsel nicht geschafft haben.

Relaunch der VZs angekündigt

Noch unter alter Führung kündigten die VZs einen stufenweisen Relaunch unter Mitwirkung der User an, der in netzwertig in einem Interview mit Riedl vorgestellt wurde. Hier deshalb nur die wichtigsten Inhalte:

  • die Trennung der Netzwerke bleibt erhalten
  • Fokussierung auf Kommunikationstools.

Auch wenn sich alle erfolgreichen Social Network Plattformen durch Usability und Kommunikations- und Nutzungsstandards angleichen, wird ein rotes, grünes oder orangenes Facebook keine Lösung für die Probleme der VZs sein. Ob der Ansatz der „Vertikalisierung“, der laut Riedls Interview an Googles Circles erinnert, ausreicht einen ausreichenden Mehrnutzen zu bieten, um die User, die nach Riedl auch bei Facebook sind, für die VZs zu reaktivieren, ist eine sehr offene Spekulation. Zumindest soll der Relaunch State-of-the-Art-Technologie bieten, für die 70 Entwickler und Produktmanager ein Jahr gearbeitet hätten.

Das strategische Problem der Social Network Plattformen

The winner takes it all – so könnte man den Trend zum Quasimonopol auch bei den Social Network Plattformen bezeichnen. Die Ursachen dieses Prinzips liegen im Netzwerkeffekt. Dieser Effekt erklärt auch, warum Märkte, die auf Netzwerkeffekte reagieren, zur Monopolbildung neigen.

In einer Plattform mit Netzwerkeffekten führt der Rückgang der Nutzer analog zum Wachsen zu einem entsprechenden Wertverlust der Plattform in Form geringerer Attraktivität, damit sinkender Nutzung und entsprechend weiterem absinken der Attraktivität.

Bislang ist es niemandem gelungen ein rückläufiges Netzwerk durch bessere Kommunikationstools zu neuer Attraktivität zu führen, wie vereinzelte Versuche zeigen.

Die Lösung des Problems liegt nicht mehr in den rückläufigen Plattformen

So grausam das auch klingen mag – ein Rückgang der vom Netzwerkeffekt beeinflusst wird, ist auch durch die beste State-of-the-art-Technologie und wettbewerbsfähige Kommunikationsdienste nicht aufzuhalten. Vielleicht kann dadurch die Dynamik des Abwanderns etwas verringert werden, aber dieserAnnahme basiert – immer unter der Voraussetzung, das die Netzwerkeffekte weiterbestehen – mehr auf Hoffnung als begründete Fakten.

Facebooks Stärke bereuht nicht auf einer State-of-the-Art-Technologie oder brillanten Kommunikationstools. Da gab es deutlich früher schon besseres. Facebooks Glück waren und sind die Netzwerkeffekte, die immer noch zu seinen Gunsten wirken.

Keine Chance gegen Facebook?

Im direkten Wettbewerb haben die VZs auch nach dem Relaunch sicher keine Chance gegen Facebook. Aber einem direkten Wettbewerb auszuweichen ist ihnen ebenfalls nicht möglich.

Das bedeutet aber nicht zwangsläufig das es keine Chance gibt im Wettbewerb mit Facebook zu bestehen.

Die Kunst wird darin bestehen, die Netzwerkeffekte, von denen Facebook als Plattform profitiert, ebenfalls – und zum eigenen Vorteil – zu nutzen. Das mag für den einen oder anderen merkwürdig klingen. In dem Fall denken Sie an die Methode des Aikido. Dort lehrt man, wie in der Defensive agierend die Kraft des Gegners zum eigenen Vorteil genutzt werden kann. Facebook ist für die VZs der Markt – der Ort wo ihr Potenzial zu finden ist. Dort – in Facebook – muss angesetzt werden, will man überleben.

Wer Facebook als offenes System zu nutzen versteht und die Chancen des Strategiewechsels vom Plattformwachstum zum Community Wachstum erkennt und die Schwächen von Facebook in seinen Leistungen für die smarte Pflege des persönlichen Social Networks sieht und konstruktiv nutzt, hat eine reale Chance, sich zu behaupten. Einfach ist dies allerdings nicht und die (auch technische) Komplexität die hinter dieser Social Media Architektur steckt in ein simples Nutzungserlebnis zu überführen kostet mehr als ein wenig Kreativität und nicht zuletzt auch einiges an Ressourcen.

Überlebensfrage = Ressourcenfrage

Wer über geringe eigene Unternehmensressourcen – wie die meisten deutschen Social Network Plattformen – verfügt, muss diese zwangsläufig klüger einsetzen, als ein besser gestellter Wettbewerber. Facebook verdankt auch einen Teil seines Erfolgs dem frühen Öffnen seiner Plattform und der daraus resultierenden Vervielfältigung der Ressourcen die an der Entwicklung der Attraktivität der Plattform und deren Promotion. Auch diese Strategie zum eigenen Vorteil zu nutzen, wäre ein interessanter Schachzug im Kampf um das Ãœberleben der VZs.

Fazit

Wünschen wir der neuen Chefin eine glückliche Hand. Nicht weil die VZs sich bislang als schützenswertes Kulturgut bewiesen haben, sondern weil ein Monopol bei den Social Network Plattformen in Deutschland nicht im Sinne der Allgemeinheit sein kann. Dazu ist das Potenzial einer Social Network Plattform sowohl in wirtschaftlicher wie in gesellschaftlicher Sicht zu bedeutend.

VZs fliehen in die Nische

Das die direkte Auseinandersetzung mit Facebook nicht gewonnen werden konnte, ist und war naheliegend. Hier entschied nicht nur der Wettbewerb Clone gegen Orginal. Erwartungsgemäß hat sich die offene Plattform gegen die abgeschottete Lösung durchgesetzt, setzte sich die Plattform mit der schnelleren Entwicklung gegenüber der langsameren durch.

Das Interview von Clemens Riedl im Handelsblatt ist nicht nur Zeichen dafür, das sich die VZs auf die Realität zubewegen. Die Inhalte des Interviews lassen auch für die neue Strategie der VZs wenig Hoffnung auf Erfolg.

Die Positionierungsfrage

Die Frage Community oder Plattform, die von Riedl im Zusammenhang mit Facebook als Gegensatz zu den VZs angesprochen wird, ist für Social Networks von größerer Bedeutung, als die umgangssprachliche Benutzung der Begriffe erwarten lässt. Mit ihr wird nicht nur das Wesen definiert – aus ihr leiten sich auch strategische Optionen ab. Deshalb skizziere ich hier kurz die Unterschiede

Plattform: Social Networks, die sich als Plattformen definieren, sehen den Kern ihres Wesens in der technischen Dienstleistung. Sie stellen eine Kommunikationsplattform, die von

  • Individuen in und mit ihrem privaten sozialen Netz – dem Freundeskreis –
  • Communitys als Gemeinschaften, die z. B. durch gleiche Interessen und Vorlieben, Ziele oder Verhalten definiert werden

genutzt werden. In einer Plattform befinden sich also Individuen, private soziale Netzwerke (Freundeskreise) und Communitys – letzteres z. B. in Form von Gruppen oder Fans. Wichtige strategische Bedeutung der Positionierung als Plattform: Das Potenzial einer Social Network Plattform ist immer größer als das von Communitys. In einer Plattform können eine Vielzahl unterschiedlichster Communitys aktiv sein. Die größeren Social Networks sind immer als Plattformen entstanden, weil nur in dieser Positionierung das dynamische Wachstum möglich war, das die Wettbewerbssituation erzwang.
Community: hier finden sich Menschen zusammen, die nicht zwingend einem gemeinsamen sozialen Netz entstammen, aber durch Gemeinsamkeiten, wie z. B. Interessen, Werte, Ziele, Vorlieben etc. verbunden sind und auf dieser Ebene interagieren. Die strategische Bedeutung der Community liegt in ihrem kleineren Potenzial (gegenüber der Plattform), einer geringeren Wachstumsdynamik und ihrer höheren Attraktivität und Bindung.

Die VZ Strategie: Clemens Riedl kündigt im Interview des Handelsblatts die geplante Verschmelzung von StudiVZ und MeinVZ an. MeinVZ ist eine Plattform, StudiVZ war nie eine reine Studentencommunity. Die Verschmelzung dieser beiden Plattformen wird zwangsläufig eine noch heterogenere Plattform, als die beiden Einzelplattformen es für sich sind. In der Fokussierung auf eine Kernzielgruppe der 12-29jährigen verabschiedet sich das Unternehmen zugleich von der MeinVZ-Positionierung. Die wiederum war bislang der stabilisierende Pfeiler in der Entwicklung des Userbestands der VZs.

daily unique visitors der VZs nach Google Trends

Eine Orientierung in Richtung Community – wie sie sich in der Fokussierung auf die „Jugend“ andeutet, wäre für die VZs gleichbedeutend mit einer hausgemachten, zusätzlichen Beschleunigung des aktuellen Nutzerrückgangs. Zudem stellt der Wechsel von Plattformstrategie auf Communitystrategie Anforderungen, die leicht die Möglichkeiten des Unternehmens überfordern.

Um über die angedeutete Strategie eines Kommunikationsproviders im Markt erfolgreich zu sein erfordert es entweder die nötige technische Innovation oder eine hohe Reichweite in wichtigen Zielgruppen und die Fähigkeit, diese Reichweite auch in wirtschaftliche Ergebnisse umzuwandeln.  Allein letzeres ist mehr als fragwürdig. Beachten wir noch, das Kommunikationsprovider gerade bei jüngeren Wettbewerbern die mobile Kommunikation miteinschließen muss, stellt man sich damit auch in den Wettbewerb mit der entsprechenden Branche. Dies erfordert einen Wettbewerbsvorteil, der kaum in den Unternehmensressourcen oder der technischen Innovation liegen kann, sondern in der Entwicklung und Vermarktung innovativerer und preiswerterer Kommunikationsdienstleistungen. Diesen Wettbewerbsvorteil aufzubauen und im Markt umzusetzen ist für eine Plattform, die massive Probleme mit der eigenen Kerntechnik und der Mitgliederbindung hat, eher zu ambitioniert als realistisch.

Die Wettbewerbssituation verschlechtert sich für die VZs

Die VZs verabschieden sich aus dem Wettbewerb mit Facebook. Das erinnert ein wenig an MySpace. Dieser Anbieter repositioniert sich aber deutlich konsequenter und versteht sich jetzt als Entertainmentplattform. Von solch einem erkennbaren Schritt ist bei den VZs nichts zu erkennen.

Das sich die VZs aus dem Wettbewerb nehmen, bedeutet natürlich nicht, das dieser Wettbewerb beendet ist. Man konkurriert auch nach dieser Ankündigung weiter um User und um Werbekunden. Jetzt allerdings nicht mehr mit dem Anspruch in Deutschland auf gleicher Augenhöhe und Wertigkeit mitzuspielen.

Unternehmen, die Social Networks als Marketingtool verstehen – und nicht als Abspielkanal für Displaywerbung – nutzen diese Plattform für den Aufbau einer Kommunikationsbasis mit ihren Zielgruppen. Diese Kommunikationsbasis hat „Infrastrukturcharakter“, ist also nicht gerade kurzfristiger Natur. Die Frage, welche Plattform für den Aufbau einer Kommunikationsinfrastruktur zukunftssicherer ist, wurde von den VZs mit diesem Interview realistisch beantwortet: Facebook.

Die Achillesfersen der VZs

Die VZs glänzen gleich mit einer ganzen Reihe von Achillesfersen, die einzeln betrachtet kritisch sind.

Dynamik: auch richtige Entscheidungen werden bei den VZs erst später als in anderen Plattformen umgesetzt. Die Dynamik in der Entwicklung hängt deutlich hinter dem – ehemaligen, aktuellen und auch zukünftigen – Wettbewerber Facebook zurück und wird auch von anderen deutschen Plattform deutlich übertroffen. Das Unternehmen ist für seine Branche weder ausreichend innovativ noch dynamisch genug. Der Ansatz des Kommunikationsproviders wird der Realität und der Dynamik ebenso wenig gerecht, wie der technischen Entwicklung.

Positionierung und Strategie: Die Überlegung mit verschiedenen Marken communityähnliche Plattformen zu etablieren, ist gescheitert. Die geplante Zusammenführung von StudiVZ und meinVZ lässt im Markt keine positiven Entwicklungen erwarten und ist Wasser auf die Mühlen von Facebook. Dieser Zickzackkurs lässt nicht auf eine fundierte strategische Kompetenz im Unternehmen schließen.

Geschäftsmodell und Wertschöpfung: So erfreulich die schwarzen Zahlen des 2. Halbjahres bei den VZs auch sind, so wenig sollten sie darüber hinweg täuschen, das die VZs hier meilenweit hinter ihrem großen Nichtmehrgefühltenwettbewerber zurück liegen. Die Zukunft der Social Network Plattformen liegt weniger in der Displaywerbung, als im intelligenteren Einsatz von Empfehlungsmarketing und Userintegration. Hier bietet das offenere System von Facebook auf der technischen Ebene strategische Wettbewerbsvorteile, denen die VZs nichts entgegen zu setzen haben und schiebt die VZs auf der wirtschaftlichen Ebene über die Reichweite deutlich in die Zweitklassigkeit.

Vergleicht man innerhalb dieser 2. Liga die VZs mit Jappy oder KWICK!, zeigt sich, das die VZs einen vergleichsweise großen Apparat benötigen, der bei der geringen Ertragsqualität der gesamten Branche bedenklich ist.

Wirtschaftlichkeit und Rentabilität: Nach Riedl sind die VZs im zweiten Halbjahr 2010 vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen profitabel – bei kleinen Abschreibungen. Damit hangeln sich die VZs an der Wirtschaftlichkeitsgrenze entlang, wenn man Kostenbereiche ausklammert. Von einem rentablen Betrieb scheint man damit noch entfernt zu sein, insbesondere wenn man dieses Investment aus der Sicht des Investors betrachtet.

Eine Zukunft für die VZs?

Die Phase des Wachstums haben die VZs definitiv hinter sich. Die Strategie muss in der Konsolidierung der erzielten Reichweite und deren wirtschaftlichen Nutzung liegen. Auch dazu ist eine klare Strategie mit an der Realität und der Unternehmenssituation ausgerichteten Inhalten unverzichtbar. Kern dieser Strategie sollte eine leistungsfähige, offene Plattform sein, die aus Userebene wie auf Businessebene wettbewerbsfähig ist. Facebook ist weder unangreifbar, noch muss diese Plattform angegriffen werden. Die Einbindung von Facebook in die Konsolidisierung der eigenen Userentwicklung macht deutlich mehr Sinn und ist durch die offene Struktur von Facebook relativ schnell zu realisieren.

Wettbewerbs- und damit Zukunftsfähigkeit hängt in dieser Branche sehr weitgehend von der Unternehmensdynamik ab. Wer zu spät kommt, hat keine Zukunft mehr. In der Vergangenheit glänzten die VZs nicht mit Innovation und Dynamik in der Entwicklung nützlicher Features. Erfahrungsgemäß liegen hier die Ursachen in der Koordination der Entwicklungsressourcen, ihrer Arbeitsorganisation und nicht zuletzt in den Prioritäten.

Eine Zukunft für die VZs hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob sie jenseits der Abspielstation von Displaywerbung sinnvolle Leistungen für das Marketing von Unternehmen erbringen können. Und damit meine ich explizit nicht die Edelgruppen. Die Defizite der Unternehmen rund um das Thema Social Network Marketing bieten nur  eine überschaubare Zeitspanne um ganzheitliche, zukunftssichere und nicht zuletzt auch wertschöpfendere Leistungen zu entwickeln und zu vermarkten. Dies erfordert allerdings Kompetenz und Innovationskraft, für die sich die VZs bislang noch keinen Namen gemacht haben.