Wie ich frei nach Christian de Vries zum Social Media Scharlatan wurde

Wann immer ich Angst vor Kritik als Argument für eine zurückhaltende Nutzung von Social Media durch Unternehmen höre, antworte ich darauf, das man das aushalten können muss. Vor Kritik ist man nur sicher, wenn man gar nichts tut. Und auch dann nicht.

Diesmal hat es mich persönlich erwischt. Das ist zugegeben eine neue Erfahrung. Im Rahmen eines kurzen Vortrags, den ich auf Einladung kostenlos in Schwäbisch Gmünd hielt, wurde ich mit der Kritik konfrontiert, mit falschen Zahlen zu operieren und Social Media selbst gar nicht richtig zu nutzen.

Blogger und Journalist – alternative Sichtweisen

Ãœber den Stil der Kritik können Sie  sich hier – im Blog des Kommunikationsexperten Christian de Vries –  Ihre persönliche Meinung bilden. Herr de Vries schreibt über einen Vortrag, von dem auch eine journalistische Sichtweise zur Meinungsbildung zur Verfügung steht.

Social Media richtig gemacht – aber bitte nach Christian de Vries Meinung?

Das über die richtige Nutzung von Social Media unterschiedliche Vorstellungen vorhanden sind, liegt in der Natur der Sache. Der eine setzt auf eine Reichweite via Twitter, der andere nutzt Xing intensiver, der Dritte setzt besonders stark auf Blogs, der vierte mehr auf Facebook. Das ist alles Social Media und der jeweilige Schwerpunkt hängt nicht zuletzt von den jeweiligen Zielen und Zielgruppen ab, nicht zuletzt aber auch davon, in welcher Plattform man seine invididuelle Reichweite unter dem Gesichtspunkt der Zukunftssicherheit  der Plattform aufbauen will. Twitter z. B. hat ja bis heute als Plattform kein funktionierendes Geschäftsmodell gefunden. Unter anderem, aber nicht nur deshalb,  nutze ich dieses Medium vor allem als push – Medium. Wenn ich solche spezifischen Schwerpunkte sehe, interessiert mich primär warum diese Schwerpunkt so gesetzt werden.

Die „richtige“ Nutzung von Social Media ist noch keine Glaubensfrage, die Nutzung von Social Media unterliegt aber dem altbekannten Ressourcenproblem „Zeit“. Oder an meinem Beispiel illustriert – mit einer kommunikativen Reichweite von

  • mehr als 600 Kontakten in Xing,
  • etwas mehr als 300 Followern in Twitter,
  • etwas mehr als 3000 Leser meines Blogs (binnen 30 Tage nach Google Analytics),

sowie einer Reihe intensiver beruflicher Kontakte, die direkt gepflegt werden und einem – überschaubar gehaltenen Facebook-Account – kann ich nicht mit jedem Menschen den permanenten intensiven Kontakt in Form eines persönlichen Dialogs pflegen, den mein Kritiker möglicherweise für richtig hält. Was wünschenswert ist, ist nun mal nicht immer das realisierbar.  Ich bewundere jeden, der nach einem acht bis zehn Stundentag tatsächlich über einen längeren Zeitraum täglich eine vergleichbare Anzahl von Dialogen mit substantiellem Inhalt bewältigt.

Was die Nutzungszahlen von Social Network Plattformen, angeht sind diese – solange keine agof-Werte vorliegen, nicht zuletzt eine Frage der Quelle, der man vertraut. Ich halte mich in diesem Fall – mit Einschränkungen an den AdPlanner von Google / double click.

Das eigentliche Thema – Social Media und Einzelhandel

Für alle, die nicht von Ort dabei waren: es gab und gibt eine grundsätzlich unterschiedliche Einschätzung der möglichen Auswirkungen von Social Media auf die Wettbewerbssituation von Einzelhandelsbranchen, die u. a. am Beispiel von Buchhandel und Amazon angesprochen wurde.

Ich ging und gehe von einer nachhaltigen Verschlechterung der Wettbewerbssituation verschiedener Einzelhandelsbranchen durch die Kombination von Social Media und eCommerce aus, wenn es dem Einzelhandel nicht gelingt Social Media genauso intensiv zu nutzen. Die Einschätzung von Herrn de Vries – das ein guter Service des Einzelhandels ausreicht um sich zu behaupten, teile ich nicht, respektiere sie aber uneingeschränkt. Um dafür das Attribut Scharlatan zu vergeben, fehlt mir die erforderliche intellektuelle Schöpfungshöhe dieser Einschätzung.

Von Herrn de Vries aufgrund meiner subjektiven Nutzung von Social Media und meiner Einschätzung möglicher Konsequenzen von Social Media für verschiedenen Einzelhandelsbranchen als „Social Media Scharlatan“ qualifiziert zu werden, halte ich nach Würdigung der Umstände und seines Stils für eine Auszeichnung. Ãœber den „Social Media Scharlatan 1. Güte“ hätte ich mich aber mehr gefreut.

Fazit Kritik

Zurück zum Umgang mit der Kritik, die ernst zu nehmen ist. Ich empfehle mit konstruktiver Kritik ebenso konstruktiv umzugehen und Kritik, die sich schon aufgrund ihrer Form disqualifiziert, mit Humor und Gelassenheit ertragen. Ich hoffe, mit diesen Zeilen zu einem angemessenen Umgang mit dieser Form von Kritik beigetragen zu haben.

Social Media und Einzelhandel

Während eCommerce kräftige Zuwachsraten verzeichnet sinkt der Einzelhandelsumsatz real. Für die strukturellen Veränderungen des Lebensmitteleinzelhandels stand in der Vergangenheit das Sterben der kleinen „Tante Emma-Läden“ und der Aufstieg von Aldi und Lidl.

Wo wir den Aufstieg von Amazon bewundern, registrieren wir zugleich das Ende vieler Buchhändler, die teilweise seit Generationen bestehen und in ihren Märkten mit Herzblut und hervorragendem Service um ihre Existenz kämpfen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sieht die Zukunft des Buchs im eBook. Das dieses eBook dann über die lokalen Buchhandel vertrieben werden wird, ist eher unwahrscheinlich, das dieser Umsatz bei den Verlagen selbst – oder in eCommerce-Unternehmen wie Amazon – stattfinden wird, ist eher wahrscheinlich.

Social Media kann dazu beitragen, diesen Wettbewerb auf einer neuen Ebene zu verschärfen. Dies kann sehr deutlich zu Lasten des lokalen Einzelhandels gehen – und damit nicht zuletzt auch zu Lasten der Lebensqualität unserer Städte.

Die Wettbewerbsdimension von Social Media

Auch wenn die Entwicklung noch ganz an ihrem Anfang steht, ist die strukturelle Wettbewerbswirkung von Social Media klar erkennbar. Sie wirkt sowohl auf den Spontankauf als auch auf den geplanten Kauf und setzt dort an, wo lokale Einzelhändler in aller Regel nicht präsent und relevant sind.

Der geplante Kauf

Google hat in der Informationsbeschaffung längst nicht nur einen festen Platz als Wortschöpfung. Wenn wir etwas wissen wollen, googlen wir es. Wenn wir bei Google nach einem Produkt suchen, finden wir auch die Bewertungen anderer Konsumenten zu diesem Produkt. Nicht nur bei Reisen wirken sich diese Bewertungen kaufentscheidend aus. Wenn wir uns über Preise informieren, finden wir eine Marktübersicht in den Preissuchmaschinen. In beiden Fällen ist der lokale Einzelhandel in dieser Informations- und Entscheidungsphase nicht dabei. Wenn der Einzelhändler nicht selbst im Web erfolgreich präsent ist, hat er nur noch dann eine Chance als Anbieter in die Kaufentscheidung einbezogen zu werden, wenn der Konsument bei seiner Informationsbeschaffung daran denkt, auch bei ihm vorbei zu sehen und sich zu informieren. Das ist je nach Branche unterschiedlich stark ausgeprägt, setzt voraus, das der potenzielle Kunde das Unternehmen kennt, es schätzt und sich die Zeit und Mühe macht, dieses Geschäft aufzusuchen.

Wo der Kunde nach seiner Informationsphase nur einen Klick von Kauf entfernt ist, hat der lokale Einzelhändler schnell außen vor.

Der spontane Kauf

Spontankäufe haben einen Auslöser. Das kann ein Schaufenster in einer realen Einkaufsstrasse sein, aber auch eine Website, der Hinweis eines Bekannten in einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht oder die Kommunikation im Freundeskreis via Networks. Da nur in den Social Networks diese Hinweise automatisch vervielfacht weitergegeben werden, steigt die Chance, das durch den Hinweis in einem Social Network ein Interesse an einem Produkt und damit ein Spontankauf ausgelöst werden kann. Wenn dieser Auslöser über das Internet transportiert wird, ist er oft mit einem Link verbunden, der den oder die Empfänger direkt zu einem Anbieters bringt. Auch dieser Besuch kann im jeweiligen sozialen Netz weitere Informationen auslösen.

Wo bleibt da der lokale Einzelhändler? Richtig – er steht hinter seinem Schaufenster in der realen Welt. Mit einem möglicherweise hervorragenden Service kann er nur noch dann punkten, wenn ein Kunde diesen Service auch in Anspruch nimmt.

Wo die Information über Produkte oder die Auslöser für Spontankäufe in Social Networks transportiert und der Kunde dort direkt in den virtuellen Shop abgeholt wird, bleibt der lokale Einzelhändler meist aussen vor – sofern er diesen Weg nicht ebenfalls nutzt.

Die Informationsqualität durch Social Media

Ein eCommerce Anbieter, der Social Media professionell nutzt, ist in der Lage den Kunden zum Verkäufer zu machen und zugleich die Interessensstruktur von Kunden und Interessenten immer besser kennen zu lernen. Er kann mit Produkten, die relativ genau zu dessen Interessenslage passen auf den Kunden zugehen bevor der Kunde selbst einen konkreten Bedarf hat. Diese Information fehlt dem lokalen Einzelhändler in aller Regel. Er ist immer noch darauf angewiesen, das ein Kunde einen Bedarf erkennt und den Weg zu ihm findet. Dieser Ablauf wird durch das proaktive Verhalten von innovativen eCommerce-Anbietern längst unterlaufen. Social Media liefert dazu das Wissen und die Kommunikationskanäle. Dieser Prozess steht erst an seinem Anfang. Was jetzt schon deutlich ist: Ein Einzelhändler, der bei seinem konventionellen Vorgehen bleibt, ist auch hier außen vor.

Servicequalität als Wettbewerbsvorteil des Einzelhandels?

Ein perfekter Service kann ein Wettbewerbsvorteil sein – wenn er auf einen Kunden trifft. Im Fall des lokalen Einzelhandels muss dieser Kunde allerdings erst einmal zum Einzelhändler gelangen und nicht vorher abgefischt werden. Wenn der Kunde vorher umgeleitet wird, nützt der beste Service nichts. Social Media bietet eCommerce-Unternehmen beste Möglichkeit potenzielle Kunden mehr oder weniger systematisch zu sich umzuleiten und diese Chancen werden zunehmend erkannt und genutzt.

Servicequalität als Wettbewerbsvorteil des Einzelhandels setzt nicht nur voraus das der Kunde in den Handel kommt. Servicequalität als Wettbewerbsvorteil setzt auch voraus, das der Service des Handels besser ist als der seiner strukturellen Wettbewerber. Das ist sicher nicht immer der Fall. Betrachtet man die Investitionen in die Logistik und den Kundendienst von großen eCommerce-Anbietern und orientiert sich hier am Beispiel Amazon, wird dem Kunden dort im „Standard-Bereich“ zumindest keine schlechtere Abwicklung einer Bestellung als im lokalen Buchhandel geboten.

Social Media ist extrem dynamisch

Das Wachstum von Facebook ist ein beliebtes Beispiel für die Dynamik von Social Media. Das die Nutzung von Social Networks eMail den Rang als wichtigste Nutzung des Internets abgelaufen haben ein anderes.

Was dabei übersehen wird, ist noch beeindruckender: Das Kommunikationsverhalten sehr vieler Menschen hat sich in sehr kurzer Zeit sehr nachhaltig geändert. Eine solche Verhaltensänderung – in kurzer Zeit – wurde bislang für sehr unwahrscheinlich gehalten. Damit lässt sich auch eine relativ kurzfristige umfangreiche Veränderung des Einkaufsverhaltens nicht mehr per se als absurd abweichen.

Vergleichen wir die Dynamik im Verhalten der Konsumenten und die Dynamik in der Reaktion des Einzelhandels auf diese Veränderung, sehen wird den eigentlichen Kern des Problems. Die Langsamen werden von den Schnellen überrollt.

Sie würden sich gerne intensiver mit Social Media befassen?

Für diesen Fall empfehle ich Ihnen an einem Seminar zu diesem Thema teilzunehmen oder einen firmeninternen Workshop abzuhalten. Für den Aufbau von Social Media Kompetenz ist das Seminar Social Media für Unternehmen ein guter Einstieg.

Studie: Facebooks Bedeutung für den Einzelhandel

Die Frage nach der Bedeutung von Facebook – und hier insbesondere Facebook Fanpages – für den Einzelhandel war Inhalt einer aktuellen Studie in den USA. Im Rahmen einer Omnibus-Befragung mit 1000 Befragten ergabe die Studie von Morpace folgende interessante Antworten:

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie

Reichweite und Nutzung

Anzahl der Nutzer von Facebook Accounts in den USA nach Altersgruppen

  • 83%  der 18-34jährigen
  • 61% der 35-54jährigen
  • 48% der 55jährigen und älteren.

Nutzungsintensität und Nutzungsdauer

55% der US Konsumenten nutzen Facebook zumindest einmal täglich. Ein Drittel der Facebook Nutzer besucht die Site mehrmals am Tag. Die Nutzungsdauer pro visit variiert wie folgt:

  • 15% nutzen Facebook weniger als 5 Minuten pro visit.
  • 41% sind 5 bis 15 Minuten pro visit auf Facebook.
  • 24% verbringen 15-30 Minuten pro visit auf Facebook.
  • 12% sind 30-60 Minuten pro visit auf Facebook.
  • 8% verbringen mehr als 1 Stunde pro visit auf Facebook.

Fanpages und Einzelhandelsmarketing

Der durchschnittliche Facebook Nutzer ist Mitglied auf 9 Fanpages. Die wichtigsten Gründe für die Mitgliedschaft bei Fanpages zeigen die Bedeutung von Facebook Fanpages für das Marketing des Einzelhandels:

  • 41% wollen damit ihren Freunden zeigen, welche Produkte sie für gut finden.
  • 37% erhoffen sich davon Rabatte und Gutscheine.
  • 35% wollen über neue Produkte informiert werden.
  • 31% wollen mehr über das Unternehmen erfahren.
  • 28% wollen Menschen mit den gleichen Vorlieben und Interessen kennen lernen.

Die häufigsten drei Antworten belegen eindrucksvoll die Bedeutung der Fanpages für das Einzelhandelsmarketing durch

  • Empfehlungsmarketing
  • Verkaufsförderung
  • Produktvorstellungen

Die Bedeutung von Facebook als Informationsplatz für Produkte ist in einer dynamischen Eintwicklung.

  • 36% der Nutzer meinen das Facebook ein guter Platz ist um sich über Produkte zu informieren.
  • 64% glauben dies noch nicht.

Diese Aussage betrifft sowohl Facebook als ganzes als auch die Form der Information, also die Empfehlung in Foren und auf den Walls. Auch wenn Facebook sich hier im Augenblick nur bei einem guten Drittel seiner Nutzer als Informationsplatz etabliert hat, zeigt dies doch erhebliche Wirkung:

  • 68% der US Konsumenten mit Facebook Account meinen, das eine positive Empfehlung eines Produktes auf Facebook sie zum Kauf eines Produktes oder zum Besuch eines Einzelhandelsgeschäfts motiviert.

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Studie Facebook und Werbung

Die Bedeutung von Werbung in Social Media hat Nielsen anhand einer Facebook Studie untersucht, über die ich kürzlich informierte.