Social Media und Medienplattformen – grundsätzliche konzeptionelle Probleme verstehen

Social Media und Medienplattformen – konzeptionelle Probleme verstehen

Die Einbindung von redaktionellem Content in Social Networks macht Sinn. Ein Blick auf die Trafficquellen macht das deutlich. Wer seinen Content effizient in die sozialen Netze seiner Leser integriert, kann dessen Nutzung und Reichweite deutlich erhöhen und neue Leser generieren.

So weit so gut. Leider stehen diesem Gedanken der Nutzung von Social Media durch die bei klassischen – man kann derzeit auch noch sagen redaktionell geprägten – Medien einige nicht gerade kleine konzeptionelle Probleme gegenüber.

Das Dilemma mit den medialen Geschäftsmodellen

Das Dilemma der Geschäftsmodelle ist nicht, das es den Medienhäusern schwer fällt funktionierende Geschäftsmodelle für Internet und Social Media zu entwickeln. Das ist nur eine Frage der Zeit und des Aufbaus der erforderlichen Kompetenz. Das Dilemma dahinter ist die zunehmende Abhängigkeit, die aus diesen Geschäftsmodellen resultiert.

Mediale Geschäftsmodelle in Facebook

Wer Social Media für Geschäftsmodelle nutzen will und sich dafür in die Social Network Plattformen begibt, begibt sich zugleich eine eine hohe Abhängigkeit von der Infrastruktur dieser Plattform und von dessen Betreiber. Mit anderen Worten, wer in Facebook Geschäfte machen will, hat sich nach den Spielregeln von Facebook zu richten. Und die sind eher Variable als Konstante. Bislang beschränkt sich diese Abhängigkeit auf die Funktion als Trafficquelle. Bei der Integration von Geschäftsmodellen in Facebook wird sich dies nachhaltig ändern. Facebook kann dann die Spielregeln für die Integration von Content wie seinen Grad an Partizipation an den damit erwirtschafteten Erträgen frei definieren.

Die Nutzung von sozialen Netzen für Geschäftsmodelle außerhalb von Facebook

Medienhäuser, die ihren Content durch eigene Social Network Plattformen oder durch die Anbindung des Contents und der eigenen Plattform an Facebook in soziale Netzwerke integrieren wollen, behalten auf den ersten Blick deutlich mehr an Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür bezahlen sie allerdings einen hohen Preis, der diesen Ansatz auf Dauer in Frage stellen kann und wohl auch in Frage stellen wird. Jenseits der vorhandenen aber lösbaren handwerklichen Schwächen im Community Management stellen diese Faktoren den externen Ansatz in dieser Konstruktion in Frage:

Das funktionale Problem der Mediencommunitys: die Kernfunktion einer Social Network Plattform ist es den Usern die Pflege und den Auf- oder Ausbau von persönlichen sozialen Netzen zu ermöglichen und zu erleichtern. Diese Kernfunktion wird in Mediencommunitys nicht geleistet, nicht zuletzt, weil Mediencommunitys nicht das soziale Netzwerk ihrer User beherbergen. Die beachtlichen und aus den konzeptionellen Schwächen resultierenden Wirkungsverluste aufgrund der Vernetzungsdefizite der Mediencommunitys sind gegenüber diesem Problem zweitrangig, obwohl sie den Wert und die Wirkung der Mediencommunity deutlich reduzieren.

Das Problem des Netzwerkeffekts: Netzwerkeffekte definieren das Wachsen oder Sterben von Social Network Plattformen. Mediencommunitys sind von diesen Netzwerkeffekten mit betroffen. Nicht nur was die Plattformen betrifft, an denen sie angebunden sind, sondern auch was die Entwicklung der eigenen Communitys betrifft. Dies führt zwangsläufig zu einer permanenten Gefährdung auch der erfolgreichsten Mediencommunity.

Erfolg auf Abruf: Der Kombination aus beiden vorgenannten Faktoren ist es geschuldet, das auch erfolgreiche Mediencommunitys einem permanenten doppelten Risiko unterliegen. Dem durch substituierende Communitys innerhalb der Social Network Plattform der User unterlaufen zu werden und dem Schnittstellenrisiko durch die Abhängigkeit in der Anbindung an die Social Network Plattform, die die User der Mediencommunity für die Pflege ihres sozialen Netzes nutzen. De facto als von Facebook. Facebooks Interesse externe Plattformen zu unterstützen, die einen Teil der Aufmerksamkeit und der zur Verfügung stehenden Zeit der User an sich binden, dürfte überschaubar sein und macht verständlich, das die Integration von Facebook in diese Plattformen eher weniger im Interesse von Facebook liegt. Dort ist man eher daran interessiert, Aktivität in Facebook zu integrieren. Bei substituierenden Communitys nicht nur an die Fans der eigenen Medienplattform als Gründer und User einer Fangruppe oder Community in Facebook zu denken, wäre in diesem Zusammenhang klug.

 In diesem Zusammenhang ist es sicher auch hilfreich sich als Medienunternehmen mit dem Ziel einer eigenen Social Network Plattform mit dem Thema Community Building und dem erforderlichen Community Management nicht nur auf der klassisch-handwerklichen Ebene zu befassen, will man nicht Gefahr laufen, erfolgreich in eine Sackgasse zu investieren. Hier sollte auch an die Special Interest Falle gedacht sein, die sich aus der beschriebenen Konstellation – Communityfunktion in der Medienplattform und soziales Netz in Facebook – ergibt.

Special Interest Falle – Segmentierung: die präzisiere Segmentierung innerhalb der eigenen allgemeinen SN Plattform ist interessanter als eine weniger grobe und grössere und aktivere ausserhalb der eigenen SN Plattform, auch wenn sie weniger aktiv genutzt wird.

 Lösungsansätze

Auch wenn diese Situation nicht wirklich erfreulich klingt und sich auch nicht so entwickelt, bedeutet dies nicht zwangsläufig das es nicht auch hier Gestaltungsmöglichkeiten gibt, die Medienunternehmen eine erfolgreiche Nutzung von Social Media für eigene Geschäftsmodelle in- und außerhalb von Facebook erlauben.

Die Crux dabei ist der Anspruch an technische Kompetenz und strategisch-architektonische Social Media Kompetenz. Und das es sich auch hier um ein Spiel gegen die Zeit handelt. Lösungsansätze wie eine weitergehende Integration von Facebook vice versa und parallel installierte Social Media Strukturen, um die Abhängigkeit von Facebook zu reduzieren erfordern ein sehr hohes Maß an Innovation, die sich derzeit bei den Medienunternehmen noch nicht abzeichnet. Der Likebutton ist nun mal nicht die Krönung der Social Media Integration sondern für einen kompetenten Betrachter eher Symptom der Hilflosigkeit.

Wenn Sie sich weitergehender mit diesem Thema befassen wollen, sollten Sie nicht nur auf den nächsten Artikel dazu hoffen, sondern die Gelegenheit nutzen und das Thema ausführlicher zu diskutieren, als es im Rahmen dieses Blogs möglich ist. Dazu sind Sie herzlich eingeladen.

 

 

[imn-medien]

Like-Button: Facebook kündigt den Open Graph an

Mehr Informationen für die Facebook Profile

Facebook die neue Nr. 1 in Deutschland

Mit dem von Zuckerberg auf der f8 Developer Konferenz so bezeichneten Open Graph – abgeleitet von Social Graph- will Facebook seine Reichweite ins Netz hinein erweitern. Weitere Informationen dazu.

Die Strategie dahinter macht durchaus Sinn. Schon eBay hat große Teile seines Umsatzes nicht über die eigene Site erzielt sondern über die Einbindung in externe Sites. Die Erweiterung der Reichweite von Facebook über andere Sites folgt also einem erfolgreichen Beispiel.

Welche Nutzenstiftung für wen?

Die Business Ebene: Erfolg scheint für dieses Vorhaben insgesamt vorprogrammiert zu sein. Die Nutzer von Facebook werden bei ihren Reisen quer durch das Netz ein sehr viel feineres und vielseitigeres Profil ihrer Vorlieben produzieren, als das dies innerhalb einer Social Network Plattform möglich sein wird.  Das Web ist eben immer noch vielseitiger als eine einzelne Plattform. Vor allem aber werden die kommerziellen Nutzer von Facebook – also Unternehmen, die Facebook als Plattform für ihr Marketing nutzen – sehr viel mehr von ihrem Marketing in Facebook hinein transportieren können, wenn die Aktivitäten von Facebook-Nutzern auf externen Websites in den sozialen Graphen dieser Nutzer einfließen. Wenn man den Ankündigungen Glauben schenkt, erwartet den Facebook-Nutzer auch bei seinem ersten Besuch einer externen Site ein auf ihn abgestimmtes Angebot – abgeleitet durch die Vorlieben, die sein sozialer Graph liefert. Zitat des Chefentwicklers: „A user should be able to show up and never having visited the site before have the site personalized for them based on their social preferences.“ Zuckerberg versichert das man zwar keine individuellen Daten über einzelne User liefern würde, aber aggregierte Daten.

User-Ebene: Nun erfahre ich also, was meine Facebook-Freunde alles im Netz für gut finden. Das kann bei einigen sehr interessant sein. Mit zunehmender Anzahl – und vor allem auch mit einer zunehmenden Anzahl von Freunden, die gar keine Freunde sind – wird daraus eine Informationslawine, die auch die wenigen interessanten Informationen von Wert überdeckt.

Transparenz: Gleichzeitig sollte ich mich – sofern ich den Like-Button benutze – fragen, ob ich diese Information allen Menschen mitteile, mit denen ich in Facebook connected bin – befreundet beschreibt die Situation einfach nicht mehr. Dazu eine interessante Information vom Entwickler:

To access his personal friends, you can download /btaylor/friends, and downloading /btaylor/likes will access all the connections he has in the open graph. (There isn’t any word on how a user can block this from happening.)

Damit habe ich dann Zugriff auf ein Interessenprofi meiner Freunde und diese auf meines.

Social Bookmarks: Mit dem Like Button wird auch das Thema social bookmarks neu gestaltet. Facebook bezieht hier – wie bei Twitter – die Funktion in seine Plattform ein. Das ist keine gute Nachricht für Bookmark-Sites.

Spambooster: Wenn ich als Marketer über den Likebutton in meiner eigenen Website Informationen im Sinn von Produktempfehlungen in den sozialen Graphen aller Facebookuser einspielen kann, mit denen ich connected bin, ist das ziemlich verlockend. Ich würde eher nicht von einer dezenten und bescheidenen Nutzung dieser Möglichkeit ausgehen. Das wird den selektiven Umgang mit Facebook-Freundschaften deutlich befördern.

Desinformation durch Informationsflut: Ich werde damit Auslöser der Informationsflut, die ich selbst nicht über mich hereinbrechen lassen will. Oder ich vermittle ein Bild, das nicht wirklich zutreffend ist. Wer automatisierte Angebote im Netz auf der Basis der Vorlieben seines Freundeskreis erhält, könnte möglicher Weise die eine oder andere Überraschung erleben. Vor allem wenn es dazu eine Rückkoppelung in seinen Graphen gibt, die er nicht kontrollieren kann.

Rückwirkung: Allzu oft führt Überfluss zum Überdruss und Völlerei in die Diät. Zu viel an Informationen, die mich so ganz und gar nicht interessieren, erfordern entweder einen sehr smarten Filter, den ich verstehen und steuern kann, oder ich blende diesen ganzen Overkill aus Selbstschutz aus. Das geht zu Lasten der Nutzungsqualität von Facebook. Gleichzeitig werde ich mich mit dieser neuen Qualität der Vernetzung fragen, welche Kontakte ich wie benötige und pflege. Weniger ist mehr oder spezieller ist besser.

Expansion per Kommunikation: Kommunikation über Facebook hinaus soll die Integration von Kommunikationstools in externe Sites ermöglichen. Das würde bedeuten, das ich den Facebook Chat nutzen kann, wenn ich auf der Seite XY bin. Für viele ist das sicher cool. Sie haben etwas interessantes entdeckt und können darüber direkt mit ihren Facebook-Freunden plaudern, ohne dafür zurück zu Facebook zu müssen. Das kann auch für das weitere Wachstum von Facebook einen neuen Schub geben, wenn dieser Dienst Nicht-Nutzern von Facebook die Möglichkeit bietet, nachzusehen, wer von ihren Freunden in Facebook gerade online ist. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie sich allerdings trotzdem bei Facebook anmelden müssen, um dann mit ihnen zu chatten.

Risiko Overkill: Facebook ist ein Gigant. Weil er Menschen die Möglichkeit gegeben hat, auf einfache Art miteinander in Kontakt zu bleiben. Das ist etwas sehr sinnvolles. Dafür sind viele auch bereit Werbung in Kauf zu nehmen. Ob diese Form der bislang nie gekannten Transparenz und der Verzicht auf Privatsphäre, verbunden mit einer zunehmenden Informationsflut, die genau zu Lasten des Grundnutzens von Facebook geht, noch viel mit dem Facebook zu tun haben, bei dem sich die Nutzer angemeldet haben, wird sich zeigen.

Metrics: Facebook wird sicher weiter wachsen, was die Anzahl der Profile betrifft. Ob dieser neue Schritt den Erfolg wirklich beflügelt oder ihn bremst, wird sich über die Intensität der Nutzung zeigen. Wir kennen dieses Phänomen nicht zuletzt von StudiVZ. Dort hat zuerst die Nutzungszeit deutlich nachgelassen, dann erst bröselten die Nutzerzahlen. Die Angaben zu den Online Minuten sind bei Facebook sehr unterschiedlich. Nach den Angaben auf der Site loggen sich 50% der 400 Mio. User täglich ein. Insgesamt verbringen die Facebook User mehr als 500 Mrd. Online Minuten monatlich auf der Website. Das würde pro täglichem User mehr als 2500 Onlineminuten monatlich bedeuten.  Jeder Besucher von Facebook verbringt durchschnittlich 6 Stunden und 28 Minuten im Monat auf der Plattform.