Warum mediale Geschäftsmodelle sterben

Die Erosion medialer Geschäftsmodelle

Mediale Geschäftsmodelle haben es in Zeiten des Internets nicht einfach – egal ob sie online- oder printbasiert sind. Einerseits wird damit noch immer teilweise beachtlich gut verdient. Andererseits ist der Rückgang „Normalität“ geworden. Wen ein sanfter Niedergang nicht dazu verführt, sich im Niedergang wohnlich einzurichten und den Wettbewerb und die Ungerechtigkeit der Welt zu beklagen, wird bei einer kritischen Analyse bestehender medialer Geschäftsmodell schnell auf Ursachen kommen, die eben nicht nur durch einfache Denkraster geprägt sind. Feindbilder wie Google sind zwar wunderbar plakativ, helfen aber nicht weiter, wenn es darum geht, das Problem zu analysieren und darauf aufbauend zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.

Das mediale Geschäftsmodell

Auch wenn nicht jedes mediale Geschäftsmodell dem anderen gleicht, sind einige Gemeinsamkeiten vorhanden. Gehen wir von einem medialen Geschäftsmodell aus, das sich primär über Werbung finanziert.

Die beiden Säulen dieses Geschäftsmodells sind

A Reichweite: durch interessante, für die angestreben Zielgruppen relevante Inhalte wird eine Reichweite aufgebaut (Inhaltsebene).

B Vermarktung dieser Reichweite als Plattform für Werbung an Werbetreibende (Vermarktungsebene).

Diese Art Geschäftsmodell hat über die Jahre hinweg profitabel funktioniert. Die Zeiten haben sich allerdings geändert.

Der mediale Overkill

Durch die explosionsartige Vervielfältigung medialer Möglichkeiten für den User – der in der letzten Konsequenz über Social Media selbst zum Medium werden kann – hat sich das mediale Angebot erhöht, nicht aber in gleichem Umfang die Zeit für den medialen Konsum. Statt 3 Fernsehsender können wir heute mehr als 500 nutzen. Die Anzahl der Radiostationen, die wir übers Netz nutzen können füllt eine lange Liste, die Möglichkeiten auf PCs, Smartphones und iPads zu spielen, die Fülle an Informations-, Kommunikations-, und Partizipationsmöglichkeiten via Internet ist kaum noch zu übersehen. Die Zahl derjenigen, die dieses Medien nutzen sollen, ist zudem rückläufig.

Inhaltsebene

Auf der Inhaltsebene sehen wir neben einer Vervielfältigung des Medienangebots über die klassischen Anbieter zusätzlich neue Wettbewerbsstrukturen, die die Spielregeln für die Medienunternehmen mit verändern:

  • der Werbekunde wird zum Wettbewerber: Unternehmen können heute relativ einfach eigene kommunikative Reichweiten aufbauen und nutzen diese Möglichkeiten zunehmend. Dadurch können sie zumindest teilweise auf die Nutzung der Reichweiten der klassisch agierenden Medienunternehmen verzichten.
  • der Leser / User wird zum Wettbewerber: ein alles andere als unerheblicher Teil des möglichen Zeitkontingents für den Medienkonsum wird für die Produktion oder den Konsum von user generated content oder die mediale Kommunikation im sozialen Umfeld genutzt.
  • das mediale Ãœberangebot wirkt inflationär: ein Ãœberangebot bei gleicher Nachfrage sorgt für eher sinkende Preise. Wenn wir ähnliche Inhalte kostenfrei oder nahezu kostenfrei angeboten erhalten, die mediale Grundversorgung eh kostenlos gesichert ist, ist die Bereitschaft für mediale me too Angebote zu bezahlen gering.
  • selbst „Inhalte“ verselbständigt sich medial: wo früher eine gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis bestand, sind Menschen, die als Thema medialen Inhalts beliebt sind, heute ihre eigenen Medien. Wo sich Stars früher über mediale Aufmerksamkeit freuen, sind sie heute in der Lage ihre eigenen Fans über eigene Kommunikationskanäle zu erreichen und auch selbst daran zu verdienen.

Gerade für die etwas bunteren Blätter gilt: Nahezu jede Person, mit der man noch glaubt am Kiosk den Absatz pushen zu können, kann sich dank Social Media eigene Kommunikationskanäle aufbauen. Der Fan hat damit die Entscheidung seine Informationen kostenlos direkt ab Quelle oder möglicherweise gar kostenpflichtig aus zweiter, dritter oder vierter Hand zu beziehen. Was hier den Rückgang noch dämpft ist der relativ langsame Vollzug des Generationenwechsels.

Vermarktungsebene

Die werbetreibende Wirtschaft hat heute zusätzliche Alternativen, die sukzessive erkannt und wahrgenommen werden:

  • der Aufbau eigener Reichweiten in ihren Zielgruppen
  • die Nutzung externer Reichweiten bei neuen Anbietern. aufzubauen oder sich an preiswerteren und leistungsfähigeren interaktiven Reichweiten zu bedienen.

Systemwettbewerb

Parallel dazu findet ein Systemwettbewerb statt, dessen Auswirkungen auf die Vermarktungsebene ebenfalls nicht zu unterschätzen ist. Wo Medienunternehmen noch an einer Honorierung ihrer Reichweite unabhängig von der Wahrnehmung und Wirkung orientiert sind, wird in den neuen Medien nur noch die Reaktion bezahlt. Von der Bezahlung nach Reichweite hin zur Bezahlung nach Reaktion des Empfängers einer Werbebotschaft ist auch wirtschaftlich ein großer Sprung.

Dieser Systemwechsel geht weiter. Es ist absehbar, das die nächsten Stufen dieser Entwicklung die Methoden der Werbung noch einmal verändern werden. Die Grundlagen erster Schritte hin zur Vermarktung konkreter Nachfrage (statt Reichweite oder Reaktion) sind schon im Markt. Damit wird der kommunikative „Umweg Werbung“ zur Ansprache oder Weckung eines Bedarfs zumindest teilweise der Vergangenheit angehören und das Marketing eine andere Gewichtung erhalten.

Multimediale Medienobjekte sind sicher zeitgemäßer als reines Printdenken. Wenn das Geschäftsmodell eines multimedialen Medienobjekts auf dem klassischen Ansatz Werbeeinblendung beruht, ist dieser Fortschritt auf längere Sicht gesehen, eher kosmetischer Natur.

Social Media Integration statt Social Media tauglicher  Geschäftsmodelle

Social Media ist ein gutes Beispiel für den Umgang mit neuen Herausforderungen in den etablierten Medien. Es ist schön, das man in vielen Medienplattformen jetzt auch liken kann und das viele Medien auch eine eigene Page in Facebook haben. Das bringt aber im Kern bestenfalls eine kleine Verzögerung, bestenfalls einen kleinen Zeitgewinn in der Erosion des Geschäftsmodels, weil es an den hier skizzierten Ursachen nichts ändert.

Man könnte den Eindruck gewinnen, das in den Führungskreisen der Medienunternehmen die Einbindung von einzelnen Social Media Funktionen mit social media tauglichen Geschäftsmodellen gleichgesetzt wird. Das wäre mehr als fatal. In dem Fall stirbt die Plattform lediglich besser sozial vernetzt.

Zukunftsfähigkeit, Handlungsoptionen und Zeitfenster

Ja, es gibt sie – zukunftstaugliche Handlungsoptionen. Man sollte sie nur nicht in der Gegenwart unserer etablierten Medienlandschaft suchen.

Ein bischen erscheint mir die etablierte Medienlandschaft wie der stolze Fuhrmann oder Reiter, der sich weigert vom Pferd / Kutschbock abzusteigen und hofft, das es reicht seinem Pferd eine Hupe umzuhängen, um zukunftsfähig zu bleiben.

Neben der guten Nachricht – es gibt noch zukunftsfähige Handlungsoptionen – muss aber auch klar sein, das die Zeitfenster für diese Möglichkeiten nicht ewig offen stehen und sich – teilweise zumindest – bereits zu schließen beginnen. Wer zehn Jahr mangelnder Innovation überlebt hat, sollte dies nicht als Garantie nehmen, weitere zehn Jahre mit dieser Strategie erfolgreich zu sein.

Wo finden sich zukunftsfähige Handlungsoptionen?

Sowohl

  • in der Nähe der etablierten medialen Geschäftsmodelle  als auch
  • in der Nähe des Bedarfsmodells der Konsumenten 

findet sich noch einiges an Handlungsoptionen um Geschäftsmodelle etablierter Medienplattformen zukunftssicherer zu machen oder neu zu gestalten.

Welche Optionen sich welcher Plattform bieten, hängt von einer ganzen Reihe von Einflussgrössen ab und sollte sinnvollerweise individuell betrachtet werden. Dazu kommt, das nicht jedes Unternehmen über alle Voraussetzungen verfüg um alle Handlungsoptionen auch nutzen zu können.

Handlungsbedarf

Wer ist betroffen?

Mir ist kein Medienunternehmen bekannt, das keinen Handlungsbedarf in dieser Sache hat. Je klarer man die eigene Situation einschätzt und die Realität wahrnimmt und je weiter man in die Zukunft des eigenen Geschäftsmodells und der Grundlagen, auf denen es basiert, sehen kann, desto stärker wird dieser Handlungsbedarf in den Unternehmen wahrgenommen. Das man im Hause Axel Springer so sehr auf eine digitale Zukunft setzt, ist eine Symptom dieser Erkenntnis. Ob die Aktivitäten dort zielführend sein werden und vor allem, wie weit sie dazu beitragen um den Kernmarken des Konzerns die Zukunft zu sichern, steht auf einem anderen Blatt. Als Optimist gehe ich davon aus, das man dort innovativeres in der Pipeline hat, als sich bislang in der Umsetzung zeigt.

Was kann man als Verantwortlicher tun?

Grundsätzlich ist zu empfehlen

  • das eigene Geschäftsmodell konsequent auf den Prüfstand stellen,
  • die vorhandenen Handlungsmöglichkeiten und Alternativen bewerten und
  • so zeitnah als möglich agieren.

Erfahrungsgemäß ist leider nicht davon auszugehen, das alle Handlungsmöglichkeiten die sich mit den Möglichkeiten von Internet und Social Media ergeben, in den Medienunternehmen auch im erforderlichen Umfang bekannt sind.

Bei Bedarf können wir die die Zukunftssicherung Ihrer Medienplattform / Medienmarke gern unterstützen:

Vortrag über die Veränderungen und deren Auswirkungen auf mediale Geschäftsmodelle, Optionen und Handlungsmöglichkeiten für Medienplattformen mit anschließender Diskussion.

Präsentation der Veränderungen und Ihre Auswirkungen auf das Geschäftsmodell und die zukunftsfähiger Handlungsoptionen für eine konkrete Medienplattform / Medienmarke mit Empfehlungen für die Medienmarke / Medienplattform.

Workshop zur Anpassung / Entwicklung von Geschäftsmodellen an die aktuellen Rahmenbedingungen.

Für Fragen dazu stehen Ihnen Alex Buchanan (0711 620415 64) und Wilfried Schock (o711 620415 60) gern zur Verfügung.

 

[imn-medien]

Mediale Geschäftsmodelle jenseits des App Hypes

Die Achillesferse der Apps

Apple gilt fast schon als Retter der Medienwelt. Via iPad und iPhone erhofft sich das eine oder andere Medienunternehmen seine Produkte wieder kostenpflichtig an den Mann oder die Frau bringen zu können.

Ein Blick auf die Situation hinter dem Hoffnungshype sollte ausreichen, die Begeisterung im Rahmen zu halten:

  • auch die geschlossenen Systeme von Apple sind internettauglich.
  • wenn die gleiche Leistung im Web kostenlos angeboten wird, ist die Chance via kostenpflichtiger Apps eine Refinanzierung im größeren Umfang zu erzielen deutlich geringer.
  • Apps sind Software und Software kann „geknackt“ werden. Die Methoden dazu verbreiten sich sehr schnell im Netz.

Die Ursache des Problems liegt tiefer und bleibt auch mit oder durch Apps ungelöst. Die für manche Unternehmen unerfreuliche Seite der digitalen Wirtschaft funktioniert immer noch:

Digitale Produkte können dazu genutzt werden, um als kostenloses Give away oder als Gratisdienst Reichweite im Markt zu erschliessen oder traffic zu generieren.

Damit hängt auch – oder gerade – über erfolgreichen kostenpflichtigen Apps das Damoklesschwert der Kannibalisierung durch ein kostenloses Marketingangebot, sofern die der App zugrunde liegende Leistung nicht durch betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen oder Rechte gesichert ist.

Mediale Reichweite als Chance

Wie könnte eine sinnvolle Alternative zur Appomanie aussehen? Beispiele oder wenigstens Ansätze dafür gibt es bereits. Der Schlüssel des Problems liegt in der Fähigkeit erreichte Reichweite im Markt wirtschaftlich nutzen zu können. Wir erinnern uns an die Methode, die vor allem in Social Media genutzt wird:

  • Aufbau der Marktreichweite durch kostenlose Dienste.
  • Nutzung der Marktreichweite durch ergänzende Leistungen und Vermarktung der Reichweite.

Der Nachteil dieser Methode ist ihre derzeit geringe Ertragsqualität. Darüber kann man jammern, oder aber an besseren Lösungen arbeiten.

Das auf dem Ansatz „Reichweite als Ertragspotenzial“ auch jenseits der Werbung wirtschaftlich erfolgreiche Geschäftsmodelle aufgebaut werden können, steht außer Frage. Wer daran noch zweifeln sollte, werfe einfach einen Blick auf Amazon.

Der ehemalige Buchhändler nutzt seine (Markt-)Reichweite um auch andere Produkte zu vermarkten. Das er hierfür mal die Logistik mitliefert, die Amazon ausgezeichnet beherrscht, oder eben nur die mediale Reichweite (also den Markt) zeigt, wie man mit Möglichkeiten und Ertragspotenzialen agieren kann.

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was zum Beispiel eine Medienmarke wie BILD aus ihrer medialen Reichweite machen könnte, reicht ein Blick auf den ADAC, der mit Zusatzprodukten zur eigentlichen Leistung jährlich mehr als €50 pro Mitglied umsetzt und dabei aufgrund seiner besonderen Unternehmensstruktur sehr zurückhaltend agiert.

Infrastruktur statt Aktion

Um die Chancen in der Vermarktung medialer Reichweite in ihrer ganzen Dimension zu nutzen, ist der richtige strategische Ansatz der der Infrastruktur.

Bislang haben Medienunternehmen ihre mediale Reichweite für die direkte Vermarktung von Produkten und Leistungen mehr in Form einzelner Aktionen genutzt. Auch hier gilt, was wir aus dem Bereich Social Media an Erkenntnissen gewonnen haben – Infrastruktur schlägt Aktion.

Es ist wenig realistisch, das bei der Entwicklung und Vermarktung von Prototypen ein erfreuliches wirtschaftliches Ergebnis erzielt wird, als bei der Vermarktung von Produkten in Serie. Ähnlich verhält es sich mit dem Aktionsansatz.

Medienunternehmen mit Wurzeln im Printbereich agieren hier naturgemäß durch ihre Orientierung an einzelnen Ausgaben eher aktionsorientiert. Wer aber sporadisch Einzelprodukte aufwändig vermarktet, muss sich nicht wirklich wundern, wenn das Ergebnis daraus nicht begeistert.

Social Network Plattformen als Risikofaktor

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Diese Erkenntnis gilt für Medienhäuser auch und besonders hier. Der gleiche Ansatz für ein ertragsstarkes mediales Geschäftsmodell ist auch für die Betreiber von Social Network Plattformen zumindest genauso interessant wie für Medienplattformen.

  • Social Network Plattformen setzen pro Mitglied und Jahr deutlich weniger als €5 um.
  • Die kommunikative Reichweite von Social Network Plattformen kann problemlos mit erfolgreichen Medienmarken mithalten.
  • Social Network Plattformen können diesen Ansatz relativ einfach in ihr Angebot einbauen und dabei die Vorteile der sozialen Kommunikation und der automatischen Distribution von Angeboten im sozialen Graph nutzen.

Highlander-Prinzip, Lindbergh-Prinzip und Poker Prinzip

Es kann zwar nicht nur einen geben, aber es spricht viel dafür das es aus strukturellen Gründen nur wenige Plattformen geben wird, die diese Chance erfolgreich nutzen werden. (Highlander Prinzip).

Die erfolgreichen Plattformen müssen dabei nicht zwingend diejenigen sein, die diesen Ansatz als erste verfolgen. Entscheidend ist nicht der Erste zu sein, der mit etwas beginnt, sondern der Erste, der damit Erfolg hat (Lindbergh-Prinzip).

Das Amazon erfolgreich ist, steht außer Frage. Das es daneben noch Chancen für auf Erfolg für andere Plattformen gibt, liegt nicht zuletzt daran, das Amazon noch ausreichend große (Marketing-) Lücken lässt, in die andere Anbieter stoßen können. Eine davon liegt in dem Verzicht auf eine effiziente Nutzung von Social Network Strategien. Jede neue Technologie oder Methode leitet  eine neue Runde ein und  wie in einem Kartenspiel werden dabei die Karten auch neu gemischt (Poker-Prinzip). Natürlich kann ein Anbieter dabei möglicherweise von bestehender Infrastruktur profitieren. Sie kann aber auch genauso ein Nachteil sein.

Sie würden sich gerne konkreter mit dem Thema befassen?

Für diesen Fall empfehle ich Ihnen an einem Seminar zu diesem Thema teilzunehmen oder einen firmeninternen Workshop abzuhalten. Für den Aufbau von Social Media Kompetenz ist das Seminar Social Media für Unternehmen ein guter Einstieg.