2010 – kein gutes Jahr für die deutschen Social Networks II

Die Hausaufgaben nicht gemacht

Die Qualität der Plattformen

Wenn uns Weihnachten wie immer so gegen den 24. 12 unerwartet überrascht, stellen wir auch fest, das darüber hinaus auch das Jahr unerwartet schnell vergangen ist. Betrachten wir die Branche, bleibt uns die Erkenntnis nicht erspart, das sich in 2010 in vielen Plattformen der Fokus auf der Sicherung des laufenden Betriebs und auf überschaubare Verbesserungen und Leistungsergänzungen gelegen hat. Der Eindruck, das man weitgehend damit beschäftigt war, Sand aus dem Getriebe zu pusten, trifft all zu oft zu. Ein runderer, ergonomischerer und stabilerer Betrieb der Plattformen hat allerdings nicht zu deren weiterer positiver Entwicklung beigetragen. Mit Selbstverständlichkeiten behauptet man sich im Wettbewerb nun mal eher selten.

Verbesserte Kommunikationstools oder eine leicht verbesserte Möglichkeit des Selbstdarstellung oder der Einbindung externen Contents sind nicht ausreichend, auch wenn sie notwendig waren um nicht weiter an Attraktivität zu verlieren.

Die wirklich wichtigen Hausaufgaben wurden quer durch die Branche nicht oder nur marginal angegangen. Stellvertretend seien dafür nur

  • intelligentere Vernetzungstools
  • Tools für Community building und Community Management (Gruppen, Clans )
  • Marketingtools für Unternehmen

genannt.

Usabilityprobleme, konzeptionelle Probleme, überholte Websitestrukturen, überholte Designs und strategische Defizite in der Positionierung der Plattformen sind bei einigen Plattformen als Ursachen für die nachlassende Nutzung anzuführen.

Wenn die pure Existenz der Plattform eben nicht mehr als Existenzberechtigung ausreicht – weil es neue und bessere Alternativen gibt – führt die fehlende Antwort auf die Frage, warum die User dann noch bleiben sollen zur Marktbereinigung. Der Zeitpunkt des Marktausscheidens hängt dabei nur noch vom Volumen der User und der Größe der eigenen Defizite ab. Das Problem trägt in diesen Fällen – und das ist eher die Mehrheit, als die Minderheit – nicht den Namen Facebook. Facebook profitiert lediglich davon, das viele Plattformen – oder besser deren Betreiber – nicht in der Lage sind, die anstehenden Herausforderungen konstruktiv und kreativ zu bewältigen.

Die Ertragsstruktur

Mit für das Dilemma vieler Betreiber verantwortlich ist die geringe Ertragsqualität der Plattformen. Man würde gerne eine bessere, stabilere und vor allem attraktivere Plattform anbieten, kann aber die dafür nötigen Investitionen nicht aus den Erträgen der Plattform finanzieren. Damit ist die Abwärtsentwicklung gesichert. Die geringe Ertragsqualität der Plattformen ist nicht zuletzt die Folge der

  • einseitig auf Werbung ausgerichteten Ertragsstruktur.
  • unzureichenden Leistungsqualität der Plattformen in Sachen Werbung.

Die Werbefalle

Jeder Plattformbetreiber weiss, das Displaywerbung die am wenigsten wirksame Methode ist, um Menschen via Social Networks zu erreichen. Trotzdem stellt diese Methode die wichtigste Einnahmequelle der meisten Plattformen dar. Ich kenne keine Plattform, die 2010 erfolgreich versucht hätte, alternative Ertragsquellen aufzubauen. Dies nicht getan zu haben, wird sich ab 2011 ausgesprochen nachteilig auswirken und den Ertragsdruck auf die Plattformbetreiber deutlich erhöhen. Die Gründe dafür führe ich in einem weiteren Beitrag auf.

Das Profildilemma

Profile sind das Herzstück einer Social Network Plattform. Das ist eine Grunderkenntnis, der alle Betreiber einer Social Network Plattform ohne Zögern zustimmen können. Die wirtschaftlich relevante Qualität der Profile hängt bei den allermeisten Plattformen deutlich hinter deren Bedeutung zurück und ist mit eine der Ursachen für die miserable Ertragsqualität der Werbung in Social Network Plattformen.

Mit relevanten Profilinformationen wären Social Network Plattformen in der Lage Werbung sehr viel erfolgreicher einzublenden, als sie das derzeit sind. Aktuell fehlt es den meisten Plattformen an der entsprechenden Informationsstruktur und an Anreizen und Methoden diese Informationen breit zu ermitteln und zu nutzen.

Der Verzicht auf weitere Ertragsquellen

Insbesondere Plattformen mit regionalen und lokalen Nutzerschwerpunkten bieten sich ergänzende Ertragsmöglichkeiten z. B. in Form von

  • Real Life Aktivitäten wie Events
  • regionalen Vermarktungsaktivitäten
  • Dienstleistungen für die regionale Wirtschaft

die für sich gesehen jeweils deutlich ertragsstärker sind als der aktuelle Ertragsschwerpunkt Werbung. Um diese Ertragsquellen zu nutzen, ist allerdings die entsprechende Kompetenz in der Vermarktung wie ein Mindestmaß an Unternehmensressourcen erforderlich. Nicht zuletzt ist hier einiges an Aufbauarbeit zu leisten und ein Spagat zwischen der Unternehmenskultur der Plattform und der Geschäftskunden erforderlich.

Regionale Wettbewerbsvorteile ungenutzt

Jenseits der großen Anbieter finden sich vor allem Plattformen mit einem regionalen Schwerpunkt. In diesem Schwerpunkt kann eine Grundlage für den Erfolg der Plattform liegen, der eben nicht nur in der intensiven Nutzung der Kommunikationstools durch die regionalen User liegt. Die Bindekraft des Sozialen Graphs sollte realistischer gesehen werden. Sobald genügend Freunde bei einer attraktiveren oder eben „aktuelleren“ Plattform sind, kippt die Attraktivität der alten Plattform weg. Mangelnde bis sporadische Nutzung sind die Folge. Diese gelegentlichen Nutzer mögen für die Zählung als unique user ausreichen, für Ertrag und  Zukunftssicherung der Plattform reicht diese Form der Aktivität nicht mehr.

Die Vorteile regionalen Contents werden in der Branche immer gern genannt, wenn es um die verbliebenen Chancen gegenüber Facebook geht. Dieser Vorteil wurden von vielen Netzwerken in 2010 nicht ernsthaft ausgebaut. Dieses Defizit wird sich in 2011 nachteilig auswirken. Das Thema regionaler Content verdient dabei einen genaueren Blick.

Regionaler Content, der die Qualität eines Wettbewerbsvorteils hat, muss unique sein und nicht beliebig im Netz vorhanden. Veranstaltungshinweise, die überall eingebaut werden können, taugen nur eingeschränkt als Wettbewerbsvorteil.

Facebook wird automatisch regionaler

Facebook als Plattform wird sich nicht die Mühe machen, überhaupt nach diese Content oder dessen Integration Ausschau zu halten. Dies werden lokale Interessenten – seien es Veranstalter, seien es Community builder – für Facebook unternehmen. Dadurch das Facebook für lokale Anbieter zunehmen interessant geworden ist, wird lokaler Content automatisch seinen Weg in Facebook finden.

Als nachhaltiger Wettbewerbsvorteil bleibt den Plattformbetreibern nur noch regionaler Content, der in seiner Natur unique ist und möglichst eine zusätzliche Nutzenstiftung für den User hat. Dieser Content ist nicht beliebig und nicht kostenlos verfügbar und dafür bedarf es konzeptioneller Überlegungen, Ressourcen und nicht zuletzt Zeit Angebote zu entwickeln und in den Markt zu bringen. Nicht alle Plattformen werden diese Zeit noch haben.

Herausforderungen in 2011

Lesen Sie im nächsten Artikel dieser Serie über die Herausforderungen die das Jahr 2011 für Plattformen und Betreiberunternehmen mit sich bringt.