Social Media in der Politik: Organizing for Action (OFA)

Mit einer eMail von Barrack Obama erhielt ich eine Einladung mich an dieser Aktion zu beteiligen. Betrachtet man den Einsatz von Social Media aus klassischer (auch deutscher) Politikperspektive macht es auf den ersten Blick wenig Sinn eine Organisation als Nachfolge der Kampagne für die eigene Wahl aufzustellen. Obama ist als Präsident schon wiedergewählt und eine erneute Wiederwahl ist für Barack Obama nicht möglich.

Ein anderer Blickwinkel macht diese Organisation aus mehreren Gründen durchaus sinnvoll wie auch zielführend. Aber sehen Sie sich doch zuerst das Video an, dann verstehen Sie einiges besser.

[responsive_vid]

Social Media in der Politik – mehr als ein Wahlkampfinstrument

Um zu verstehen, wie viel  mehr Social Media für und in der Politik leisten kann, reicht es sich zu erinnern, was Social Media vermag:

  • Social Media verbindet Menschen und
  • Social Media kann Menschen eine Stimme geben,
  • sie organisieren und aktivieren.
  • Social Media kann Meinung bilden und Meinung verändern.

Dieses Leistungspotenzial ist bei weitem nicht nur in Wahlkampfzeiten wertvoll. Im Unterschied zu den klassischen Medien geschieht dies nicht in der Einbahnstrasse Sender-Empfänger sondern als Dialog von Menschen.

Kennen Sie Campact? Unter dem Slogan „Demokratie in Aktion“ können dort Bürger ihre eigenen politischen Kampagnen aufsetzen oder sich an anderen Kampagnen beteiligen.

Barack Obama schafft sich mit Organizing for Action eine eigene Struktur, die ihm sowohl als amtierenden Präsidenten, aber auch für die Zeit danach ermöglicht, Politik zu gestalten.

Politische Strukturen jenseits etablierter Parteien

Denken Sie jetzt bitte nicht an die Piraten und deren Höhenflug und anschließenden Absturz. Der ursprüngliche Ansatz derPiraten war näher an Campact – also Plattform für Politik sein zu wollen – als an einer Partei. Nun soll aus den Piraten eine Partei werden und das führt zu einer deutlichen Reduzierung der Attraktivität.

Die Art von Struktur, für die Organizing vor Action steht, hat eine Position und hat klare Ziele, aber sie ist keine klassische Partei, sondern eine Bürgerbewegung. Gut, da haben die Grünen auch ihre Wurzeln, könnte man denken. Vielleicht wird daraus dann noch Partei. Muss es aber nicht.

Um Ziele zu verwirklichen braucht es keine weitere Partei. Es reicht die Erkenntnis der politischen Mandatsträger, das diese Ziele verwirklicht werden müssen, um an der Macht zu bleiben. Es reicht über Themen, Kommunikation und Engagement Wahlen entscheiden zu können, um Ziele voran zu bringen. Der Rahmen einer Partei ist dafür nicht nötig und eher schädlich. Social Media bietet hier ausreichend Möglichkeiten und Werkzeuge, vor allem aber beeinflusst es die Erfahrung von Social Media auch die Menschen. Da Wahlen heute immer wieder sehr knapp entschieden werden, ist dieser Ansatz zunehmend relevant.

Organizing for Action für Obama

Der amtierende Präsident hat Veränderungen als Ziel. Veränderungen, die er nicht in der ersten Legislaturperiode hat durchsetzen können und Veränderungen, die er auch in der zweiten Legislatur nicht ganz wird realisieren können. Politik ist in einer Demokratie die Kunst des Kompromisses. Es wäre naheliegend, nur umzusetzen, was in der verbleibenden Legislatur geht. Möglicherweise ist das nicht ausreichend für Barack Obama und vielleicht hält er es nicht für ausreichend für den Grad an Veränderung den er für die USA als erforderlich ansieht.

Am Ende seiner Amtszeit als Präsident wird Barrack Obamas Einflussmöglichkeit auf die Politik, werden seine direkten Gestaltungsmöglichkeiten faktisch in einem tiefen Loch verschwinden. Was bis dahin nicht geschafft wurde, kann für längere Zeit nicht realisiert werden. Und was an Veränderungen in die Wege geleitet wurde, kann manchmal auch wieder zurück genommen werden.

Eine breite und aktive und motivierte Bewegung, die groß und einflussreich genug ist, die Richtung der eigenen Partei und die Stimmung in den USA nachhaltig zu beeinflussen, ist ein Instrument, das Barrack Obama sehr wohl eine weitere Gestaltungsmöglichkeit – direkt in der ersten Reihe oder im Hintergrund – ermöglicht. Es wäre bestenfalls ein Novum, das ein US Präsident so agiert, denn diese Art von Organisation hat in den USA Tradition.

Social Media als Werkzeug für politischen Erfolg

Warum die Politik Social Media ernster nehmen sollte wird klar, wenn man das Potenzial von Social Media für die Politik betrachtet – nicht das was die Politik in Deutschland in Social Media betreibt.

Social Media kann

  • eine hohe kommunikative Reichweite für Ideen, Konzepte und Personen ermöglichen
  • Ãœberzeugungsarbeit in Form einer Graswurzelbewegung leisten, die mehr Menschen erreicht als ein Medien- und Strassenwahlkampf
  • Meinungen und Ãœberzeugungen beeinflussen, in dem Menschen, Argumente und Meinungen klug miteinander verbunden und vernetzt werden, bestimmte Positionen durch das Umfeld bestätigt, andere durch ein Umfeld in Frage gestellt werden.

Wo Parteien alle vier Jahre sich dem enormen Aufwand eines Wahlkampfs gegenüber sehen und dafür alle Kräfte mobilisieren, kann eine intelligent geführte Social Media basierte Organisation damit arbeiten, das ihre Arbeit permanent, auf der Ebene der Bürger durch die Bürger betrieben wird.

Betrachtet man die höhere Attraktivität der Mitwirkung in einer graswurzelähnlichen Bewegung – durch ihre größere Freiheit und Unverbindlichkeit – und dann noch die Potenziale des fundraisings in und über Social Media wird deutlich, das hier ein sehr ungleicher Wettbewerb den Parteien ins Haus stehen kann.

Systemwechsel im politischen Wettbewerb

Wenn ich hier einen Systemwechsel sehe, dann nicht in einem Wechsel weg von unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der sozialen Marktwirtschaft. Dieser mögliche Systemwechsel im politischen Wettbewerb sieht anders aus. Von einem Wettbewerb

  • Partei(position) gegen Partei(position)

kann sich ein neuer, zusaätzlicher Wettbewerb

  • Idee gegen Idee

etablieren. Das sich Parteien auf wechselnde Stimmungen in der Bevölkerung einstellen müssen, ist nachvollziehbar.

Die GRÜNEN haben die Ökologie in die Politik getragen und dort verankert. Ihre zweite Leistung war, sich als Partei etablieren zu können und zu halten, auch wenn andere Parteien ökologischer wurden. Die zögerliche Übernahme dieser Ideen durch andere Parteien war mit ein Grund für das politische Überleben der Grünen. Sie blieben das Original, bestätigt durch das nachziehen der anderen und erforderlich durch eben ein zögerliches und weniger deutliches ökologisches Verhalten.

Machtfaktor organisierte Meinung

Wem es gelingt, Meinung in ausreichendem Mass mittels Ideen zu organisieren, der verfügt über politische Gestaltungsfähigkeit, egal ob er ein Regierungsamt bekleidet, einer Partei vorsteht oder in ein Parlament gewählt wurde.

Um dies zu verstehen, sollte man bedenken, das die „schweigende Mehrheit“ heute nicht mehr schweigen muss, wenn sie dies nicht will. Sie hat nicht weniger Medienmacht, als die etablierten Medien und sie kann mit ihren Medien schneller, direkter und nicht weniger glaubwürdig agieren.

Nicht zuletzt kann sie aber auch durch Präsenz und Organisation Einfluss nehmen – Themen setzen und Meinungen, Notwendigkeiten und Prioritäten der Mandatsträger und  Parteiverantwortlichen verändern. Es braucht kein Fukushima, um grundsätzliche Positionen zu verändern. Eine relativ sichere Erkenntnis, das die eigene Wiederwahl eine Veränderung erforderlich macht, reicht auch.

Betrachten wir die Aufmerksamkeit, die die Piraten bekamen, die nicht zu leugnende Politikerverdrossenheit und das immer noch vorhandene Interesse an Politik, könnte die Zeit auch hier schneller als erwartet reif für solche Formen der politischen Gestaltung werden. Egal, ob man das für gut oder weniger gut hält.

Organizing for Action, not Organization

Das Obama seine Struktur nicht als Organisation sondern als Organizing for Action und neben den Strukturen seiner Partei etabliert, zeigt, das Social Media in der US Politik weiter verstanden wird. Es ist leichter Menschen für eine Idee zu motivieren, als für eine Idee und eine Partei. Die Menschen eben nicht in eine Organisation einzubinden, sondern sie jenseits von Parteipositionen zu organisieren und zu aktivieren wird einer der Eckpunkte des Erfolgs von OFA (Organizing for Action) werden.

Es wollen nun mal mehr Menschen für eine ihnen wichtige Sache politisch aktiv werden, als für eine Partei, die zwangsläufig weniger attraktiv sein kann, weil ihre Positionen insgesamt grössere Filterwirkung haben.

Wenn politische Mitgestaltung auf diesem Weg Erfolg zeigt, wird dies zugleich die Position der Parteien tangieren. Wenn ich aktiv politisch gestalten kann, ohne Mitglied einer Partei zu werden, verlieren Parteien einen Teil ihrer Notwendigkeit.

Michelle, not Barack

Interessant ist, das Michelle Obama hier nach vorne tritt. Das gibt natürlicher weniger Angriffsfläche und mehr Gestaltungsfreiraum für dieses Konzept. Und vielleicht auch überraschende Optionen für die Zukunft.

Internationale Berichte über Organizing for Action

Yahoo News

„For the past six years, you’ve done something so much bigger than elect a president. You’ve given ordinary people a place in our democratic process again,“ she says. „The relationships you made, the tools you built and the lessons you’ve learned have already begun to change our politics. And in the coming years they can change our country.“

The group, which will be funded in part by corporate and individual donors, will exist independent of the Democratic National Committee, focusing primarily on progressive policy goals – Obama’s goals – rather than campaign politics, Democratic officials said.

The transition is unprecedented for a presidential campaign apparatus. Never before has any been re-imagined in this way, nor has one survived for so long or remained as active in social media. Few have had such potential influence – or a donor list of 4 million strong – to bolster the work of a sitting president.

 Global Post

Obama for America, President Barack Obama’s campaign group, is turning itself into a nonprofit organization that will advocate for issues like immigration reform, climate change, gun control, the implementation of the Affordable Care Act and middle class jobs, the Associated Press reported.

Chicago Tribune

Calling it „the next phase of this movement,“ former campaign manager Jim Messina described the new group as an extension of Obama’s successful bid for a second term, which used technology to engage volunteers at a new level in their communities.

„If we can take the enthusiasm and passion that people showed throughout the campaign and channel it into the work ahead of us, we will be unstoppable,“ Messina, who will be the chairman of the new group, wrote in an email to campaign donors early Friday morning.

The launch, which the Los Angeles Times wrote about Thursday, was the subject of chatter among Democratic activists and strategists, who predicted that it could upend the party’s power structure.

Social Media und Politik Рwas wir von den USA lernen und was wir besser machen k̦nnen

Social Media und Politik Рwas wir von den USA lernen und was wir besser machen k̦nnen.

Nachfolgend eine Grafik, die die Social Media Nutzung im aktuellen Wahlkampf um das Amt des Präsidenten zeigt. Die unterschiedliche Nutzung der einzelnen Kanäle ist genauso interessant wie das durchaus abweichende Ergebnis. Was erst auf den zweiten Blick ins Auge fällt ist die Bedeutung der Volunteers  und deren Einbindung in den Wahlkampf.

Social Media und Volunteers

Was in der Offline-Welt in ähnlicher Form nicht ganz so neu ist – die Beteiligung von Parteimitglieder im Straßenwahlkampf hat eine lange Tradition – findet in Deutschland in Social Media nicht in gleichem Maß statt.

Der Volunteeransatz geht in seiner Wirkung deutlich über die des Strassenwahlkampfteams im Netz hinaus, weil er weitaus mehr Menschen aktivieren und mit deren Kontakten eine weit grössere Zahl von Menschen erreichen kann. Deutschland ist auch hier noch Entwicklungsland. In den USA ist das Thema Volunteers schon deshalb deutlich weiter, weil Volunteers auch wesentlich für die Finanzierung des Wahlkampfes sind.

Was wir insgesamt besser machen sollten

Wer Social Media nur zu Wahlkampfzeiten neu entdeckt, hat das Thema Social Media nur auf kurzsichtige Weise verstanden. Letztlich ist diese Art der Social Media Nutzung nicht wirklich kompatibel mit dem was Social Media ist und kann. Social Media ist eine permanente Infrastruktur und sollte entsprechend verstanden und genutzt werden. Für die Politik bedeutet dies, Social Media nicht nur zu Wahlkampfzeiten zu entdecken sondern das ganze Jahr zu nutzen um die eigene Politik, die eigenen Positionen und Handlungen zu Problemen und Herausforderungen zu erklären und um Unterstützung zu werben. Gerade auch hier sind Voluteers ein nachhaltiger und langer Hebel, der politschen Erfolg schaffen oder verhindern kann.

Social Media und Politik – US Midterm Elections 2010

Bestandsaufnahme Social Media und Politik in den US Midterm Elections 2010

Barack Obama - Quelle: Facebook

In Social Times las ich heute einen kurzen Artikel über die Bedeutung von Social Media in den Midterm Elections 2010.

Auch wenn hier die Bedeutung – und die Nutzung von Social Media durch die traditionellen Medien – deutlich wird, fehlt mir in der Betrachtung der langfristige Aspekt des Potenzials von Social Media in der Politik. Das mag daran liegen, das diesem Aspekt zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, oder aber, das dieses Potenzial auch in den USA noch ungenutzt ist.

Die besondere Herausforderung des Infrastrukturcharakters von Social Media in der Politik

Social Media lässt sich nicht an- und ausschalten, wie eine Kampagne in den konventionellen Medien. Das ist eine Binsenweisheit – ja. Aber eine, deren Konsequenz immer noch auf sich warten lässt. Diese Konsequenz steht für nicht weniger als den permanenten Dialog zu pflegen. Das dieser Dialog nicht ohne entsprechendes Engagement zu haben ist, ist offensichtlich und sollte weitgehend bekannt sein. Die Bereitschaft zu einem hohen Engagement in den Dialog scheint in Zeiten des Wahlkampfes deutlich höher, als in Zeiten der „Normalität.“ Das ist nachvollziehbar, birgt aber Risiken mit sich. Wer seine Social Media Aktivitäten nach dem Wahlkampf vernachlässigt, wird im nächsten dafür büßen. Im besten Fall durch die Notwendigkeit aufgegebenen Boden und verloren gegangenes Terrain wieder erobern zu müssen. Und das dürfte schwerer fallen, als zuvor.

Die besondere Chance des Infrastrukturcharakters von Social Media in der Politik

Menschen zu überzeugen, sie mit zu nehmen, wird zunehmend zu einer strategischen Herausforderung in der Politik, gerade dort, wo Veränderung erforderlich ist. Diese Überzeugungsarbeit lässt sich in den traditionellen Medien immer weniger leisten, weil

  • darüber immer weniger Menschen erreicht werden
  • die Themen zunehmend komplexer und erklärungsbedürftiger werden, diese Komplexität aber immer weniger ausreichend umfassend behandelt wird. Wir versinken in politischem Talk und vermissen fundierte Information.
  • die traditionellen Medien zu wenig „Nachschlagequalität“ bieten.
  • ein Dialog – das klassische Nachfragen – darin eher nicht vorgesehen ist.

Social Media kann hier deutlich mehr leisten, als die klassischen Medien. Es bietet die M̦glichkeit umfassende Information dort zu installieren, wo sie gebraucht wird Рin der Diskussion innerhalb der Gesellschaft Рvulgo im sozialen Umfeld.

Hier sind nicht nur in den Midterm Elections 2010 Defizite zu erkennen. So hat sich z. B. die intensive Debatte um Veränderung nicht im Traffic von wichtigen Websites niedergeschlagen. Links sehen Sie die Entwicklung der daily unique visitors von barackobama.com und whitehouse.gov.  Wer Veränderung will, muss diesen begründen und überzeugen. Dies geht heute kaum ohne Dialog. Ein intensiver und in der Sache kontroverser Dialog über größere Veränderungen würde sich in entsprechendem traffic niederschlagen. Diese beiden zentralen Websites lassen davon wenig erkennen.

Das kann unter andere auch technische Ursachen haben. Besuchen Sie beispielsweise die Obama Pages in Facebook und finden Sie den Ansatz für den Dialog mit den Unterstützern / Fans.

Es gibt eine tatsächliche eine Diskussion innerhalb der Pages – aber aufgrund der Konstruktion der Pages ist sie optisch „unter ferner liefen“ angebunden. Hier ist die Kompetenz der Betreiber der Pages gefordert, den Dialog auch technisch auf eine sichtbarere Ebene zu heben und zu pflegen – bis Facebook hier eine sinnvollere Lösung anbietet.

In Deutschland stossen wir auf ein deutlich größeres Defizit an Information und Dialog, wie sich anhand des Kommunikationsdesasters rund um Stuttgart 21 ganz wunderbar erkennen lässt.

Natürlich birgt diese Form der Kommunikation und die rechtzeitige Nutzung von Social Media für die Politik im herkömmlichen Sinn auf den ersten Blick deutliche Risiken: Eine Politik im „Basta-Stil“ oder im „kleinen Kreis“ wird dadurch nicht mehr möglich, genauso wie die Kommunikation via glattgeschliffener und substanziell entleerter Formulierungen.

Das Politik ohne Bürgerbeteiligung zunehmend an ihre Grenzen stößt, zeigt die Reaktion auf Stuttgart 21. Wer will, das sich Stuttgart 21 nicht als neuer Standard im Verhältnis von Bürgern und Politikern etabliert, muss den Dialog rechtzeitig beginnen. Das geht am besten dort, wo er real stattfindet.

Social Media Strategie und Politik

Social Media Strategie und Politik

Jenseits des omnipräsenten Beispiel Obama, dessen Kampagne auf andere politischen Kulturen nicht uneingeschränkt übertragbar ist, bietet Social Media eine ganze Reihe von strategischen Vorteilen, die in Deutschland noch nicht erkannt werden.

Neben politischen Parteien sind vor allem NGOs und Bürgerbewegungen damit in der Lage in einer neuen Qualität nachhaltig und anhaltend Einfluss auszuüben.

Dieser Beitrag befasst sich mit den strategischen Eckpunkten von Social Media in der Politik, beschreibt die Ursachen der strukturellen Veränderungen, zeigt die Konsequenzen für die politische Landschaft auf, skizziert die Eckpunkte einer politischen Social Media Strategie, gibt Hinweise auf die Voraussetzungen einer erfolgreichen Nutzung von Social Media und die Konsequenzen die sich daraus für politische Kräfte, Parteien und Bewegungen ergeben.

Social Media und die strukturelle Veränderung der politischen Landschaft

Die Parteien wirken nach unserer Verfassung an der politischen Meinungsbildung mit. In der Praxis ist ihr Einfluss auf die politische Meinungsbildung deutlich größer als in der Verfassung angesprochen. Dies hat praktische Gründe. Um Politik zu machen, benötigt man Mehrheiten und ohne Organisation und kommunikative lassen sich Mehrheiten kaum bilden.

Social Media verändert die politische Landschaft auf zwei Ebenen. Gruppen und Gruppierungen jenseits der etablierten Parteien können sich jetzt schnell, einfach und effizient organisieren.

Zugleich ermöglicht es Social Media eine eigene kommunikative Reichweite aufzubauen und macht damit unabhängig von der Wahrnehmung und Unterstützung durch die etablierten Medien.

Beide Veränderungen beinhalten das Potenzial die politische Landschaft strukturell zu verändern, weil sie den strukturellen Vorteilen der etablierten politischen Parteien – also deren Vorsprung in Organisation, Wahrnehmung, kommunikative Reichweite über die Medien – ein gleichwertiges Instrument entgegen setzen können.

Konsequenzen dieser Veränderungen

Kleinere Gruppen können sich jetzt mit Hilfe der Möglichkeiten von Social Media sehr viel schneller und effizienter organisieren und für Mehrheiten arbeiten, ohne darauf angewiesen zu sein, das die Medien sie wahrnehmen bzw. durch Berichterstattung unterstützen. Das Monopol der Parteien auf politischen Organisation hat sich in dem Grad erledigt, in dem sich Social Media als Instrument politischer Einflussnahme etabliert.

Social Media bietet nicht nur zusätzliche Wege der Information und Kommunikation, auch neue Formen der Mitwirkung werden dadurch möglich. Wer sich bislang politisch engagieren wollte, hatte lediglich die Wahl in welcher Partei er aktiv wird und musste sich um Wirkung zu erzielen relativ langfristig binden.

Volunteering über einen kürzeren Zeitraum kommt den Vorstellung einer breiteren politisch interessierten Öffentlichkeit die Mitwirkung jenseits einer langfristig verpflichtenden Parteibindung.

Bürgerbewegungen, NGOs und Protestbewegungen profitieren von dieser Möglichkeiten stärker als die etablierten Parteien, weil sie damit den Abstand zu diesen verringern oder beenden können. Die etablierten Parteien freunden sich mit Social Media eher zögerlicher an. Wo gewachsene Kommunikationsstruktur erst an die Anforderungen von Social Media angepasst werden müssen, wird sich diese Veränderung nur aufgrund äußeren Drucks ergeben.

Eckpunkte einer politischen Social Media Strategie

Reichweite und Vernetzung: Der Aufbau einer ausreichenden Reichweite ist Teil einer Social Media Strategie. Damit diese Reichweite auch zu einer Verbreitung von Inhalten und zu einer Aktivierung von Empfängern führen kann, ist deren Vernetzung nicht weniger wichtig.

Erreicht man nur Menschen, die kein breites soziales Netz haben oder dieses Netz nur offline pflegen, ist die Wirkung ungleich geringer, als wenn viele Menschen gut vernetzt sind und diese Vernetzung in einem Social Network stattfindet. Damit können Informationen und Empfehlungswirkungen weitaus effizienter verbreitet werden.

Die Zersplitterung von Reichweiten – z. B. auf verschiedene Plattformen – ist hier ein permanentes Risiko, dessen kontraproduktive Wirkung oft unterschätzt wird. Eine Reichweite von 100.000 Menschen, die auf 10 oder 20 Sites aufgeteilt ist, bleibt wesentliche wirkungsloser als eine Reichweite, die auf einem Punkt konzentriert ist. Gemeinsam sind wir stark ist auch eine Orientierungsgröße in der Plattformstrategie.

Community Management: Neben einem überzeugenden Grund sich zu engagieren – der in der Sache gegeben sein sollte – ist die Kommunikation und Integration von Interessenten ein entscheidender Schritt um auf Informationsempfängern aktive Beteiligte oder Volunteers werden zu lassen. Es ist die Aufgabe des Community Managements die Kommunikation mit und unter den Interessenten am Leben zu erhalten und zugleich Möglichkeiten aufzuzeigen, sich sinnvoll aktiv zu beteiligen.

Partizipation: Der Königsweg zur Aktivierung liegt darin, vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend ihren Möglichkeiten an einer Sache beteiligen zu können. Je vielseitiger und individueller hier das Angebot ist, desto breiter und vielschichtiger die Beteiligung. Partizipation heißt auch, einen Teil der Entscheidungen und der Steuerung an die Community zu übertragen. Ein enges und straff gesteuertes Partizipationskonzept begrenzt seine eigene Attraktivität und Wirkung.

Die Praxis in Deutschland

Vergleicht man die Social Media Aktivitäten der politischen Parteien in Deutschland zeigt sich, wie weit man dort noch davon entfernt ist, die Potenziale von Social Media entsprechend aktuellen Standards zu nutzen. Es reicht nun mal nicht, Social Media via Link zu integrieren. Man muss diese Instrumente auch verstehen und nutzen.

Die CDU beispielsweise ist mit ihrer Aktion „Unser Land“ auf dem Weg in den Dialog mit Menschen jenseits der eigenen Mitglieder. Die Umsetzung ist noch weit vom aktuellen Stand von Social Media oder einem ernst zu nehmenden Dialog entfernt.

Bei vielen Aktionen und Bürgerbewegungen sieht es leider nicht besser aus. Man ist um Informationsverbreitung bemüht, integriert Social Media via Link auf Facebook Pages oder Twitteraccounts und scheitert daran, Menschen zu motivieren und zu integrieren um sie darüber zu aktivieren. Auf der Seite der CSU findet sich zu diesem Thema ein treffendes Beispiel.

Fazit

Social Media ist längst Mainstream. Die Fähigkeit der etablierten Parteien wie der Bürgerbewegungen diese Instrumente zu nutzen, ist unterentwickelt. Derzeit wird Social Media im Ergebnis mehr verlinkt als eingebunden. Damit befindet man sich alles andere als auf der Höhe der Zeit.

Politik, die die Menschen nicht mehr erreicht ist zum Scheitern verurteilt – egal wie richtig sie sein mag. Auf eine hocheffiziente Möglichkeit zu verzichten, Menschen zu erreichen, zu bewegen, motivieren und zu integrieren, steht für den Verzicht auf eine erfolgreiche, zukunftsfähige Politik.

Politische Konsequenzen zum Thema Social Media

Ein Politiker der seine Ideen nicht kommunizieren kann, scheitert. Gleiches gilt für Parteien und Bewegungen. Um dies zu vermeiden sollten einige grundsätzliche Regeln und Erkenntnisse beachtet werden:

  • Die Fähigkeit Social Media effizient zu nutzen, ist nicht weniger wichtig, wie die Fähigkeit Standpunkte und Inhalte in den alten Medien zu kommunizieren.
  • Die erfolgreiche Nutzung von Social Media setzt die Kenntnis der Instrumente wie der Akzeptanz der Regeln voraus.
  • Social Media hat Infrastrukturcharakter. Es ist nicht wie ein weiterer medialer Kanal zu nutzen und Social Media kann nicht an- und abgeschaltet werden.
  • Um Menschen auf Dauer erfolgreich zu erreichen ist eine leistungsfähige Social Media Infrastruktur unverzichtbar.
  • Ohne fundierte und zukunftsfähige Social Media Strategie werden die Aktivitäten in Social Media weit hinter dem möglichen Erfolg zurück bleiben.

Praktische Konsequenzen

Social Media ist so komplex und vielschichtig, das es politisch Handelnden kaum möglich sein dürfte, sich dem Thema in der nötigen Qualität und Quantität zu widmen, ohne sich von ihrer eigentlichen Aufgabe zu entfernen.

Eine Lösung in Form eines Social Media Beauftragten innerhalb der eigenen Organisation bringt nur geringe Verbesserung. Im Gegensatz zu der Nutzung der klassischen Medien hat Social Media einen Infrastrukturcharakter – d. h. es müssen die kommunikativen Infrastruktur und ihre Reichweite aufgebaut und aktiv gehalten werden – während externe Medien situativ genutzt werden können. Wo der Medienberater bei der Nutzung von externen Medien unterstützt, muss der für Social Media Verantwortliche eine mediale Infrastruktur inklusive deren Aktivität und Reichweite zur Verfügung stellen können. Das ein Teil dieser Medieninfrastruktur auf externe Plattformen aufsetzt, erleichtert diese Aufgabe nur teilweise.

Die Schaffung qualifizierter Social Media Kompetenz ist dabei eine unverzichtbare Voraussetzung für die Nutzung von Social Media. Dem Augenschein nach herrscht hier unisono ausgeprägter Nachholbedarf.

Die Notwendigkeit zu handeln, ist für Parteien wie Bürgerbewegungen gegeben. Die etablierten Parteien verlieren weiter an Kontakt zu den Menschen und damit an Mehrheits- und Gestaltungsfähigkeit, wenn sie einen wichtigen Zugang zu den Menschen nicht erfolgreich nutzen. Die Bewegungen verzichten auf Wirkung, wenn sie Social Media nicht effizient nützen können.

Sie würden sich gerne konkreter mit dem Thema Social Media befassen?

Für diesen Fall empfehle ich Ihnen an einem Seminar zu diesem Thema teilzunehmen oder einenfirmeninternen Workshop abzuhalten. Für den Aufbau von Social Media Kompetenz ist das Seminar Social Media für Unternehmen ein guter Einstieg.

Obama steckt an – community building im Wahljahr 2009

 

cdu
CDU, SPD und FDP treten netzaffiner auf.
War bislang social networking nur auf die eigenen Parteimitglieder begrenzt sieht man plötzlich eine ungeahnte Öffnung in allen Sites.
Am überzeugendsten scheint mir da die Vorgehensweise der CDU mit dem teAM 2009. Wenn man da noch den Spendenaufruf prominenter platzieren würde, wäre das schon beinahe gut kopiert.

team1

Der Anspruch teAM Deutschland ist schon clever. Man vereinnahmt sprachlich die Republik um die Interessen der eigenen Partei mit denen des Landes als identisch zu bezeichnen. Schade nur, das das nicht mal mehr der CSU in Bayern gelingt. Es ist eher unklug den eigenen Anspruch zu weit von der erlebten Realität entfernt zu platzieren.

Die Sammlung von Unterstützern hat Obama in den Staaten zur Perfektion – und zum Erfolg – weiter entwickelt. Dies auch auf deutsche Verhältnisse übertragen zu wollen ist sinnvoll. Allerdings sind die Möglichkeiten sich im teAM zu engagieren, die dem potenziellen Unterstützer geboten werden, äußerst dürftig. Da hapert es noch am Mut sich auf die Unterstützer wirklich zu verlassen. Hauptsache anmelden und vernetzen und allen sagen, das man das AM im teAM Deutschland toll findet und CDU wählen. Politische Kommunikation kann doch so einfach sein.

Die Hoffnung auf Reichweite scheitert bis dato

In diesem Zusammenhang ist interessant, in welchen sozialen Netzen die jeweiligen Parteien – in welchem Umfang – aktiv sind. MySpace fällt anscheinend komplett aus, vielleicht weil zu sehr auf Unterhaltung fokussiert. Die Fokussierung auf StudiVZ und wer-kennt-wen ist aufgrund der Reichweite der Netze verständlich, übersieht aber den sehr individuellen Grad an Aktivitätsmöglichkeiten. In Facebook hat das teAM Deutschland immerhin 356 Unterstützer, in StudiVZ schon 662 und in wkw finden sich 2 Gruppen mit 449 und 52 Unterstützern. Stand 26.2 09 18 Uhr. Erfolgreiches community building sieht beim Anspruch eine große Volkspartei zu sein eigentlich anders aus.  

Allein die technische Vernetzung ist nicht wirklich optimal:

* Der Link bei StudiVZ führt nur im eingeloggten Zustand direkt zur Gruppe.
* Bei Facebook klappt das schon besser.
* Bei WKW landet man nur auf deren Startseite.

fdp

Betrachtet man die anderen großen Parteien fällt auf, das man dort zwar in die gleiche Richtung unterwegs ist, die Konsequenz mit der dieser Schritt vollzogen wird, etwas geringer ausfällt.

Die Mitmacharena der FDP ist für Mitglieder und Nichtmitglieder geöffnet. Das macht natürlich Sinn, denn mit den Mitgliedern allein bekommt die FDP keinen Stammtisch voll. Beispielhaft ist die Konzentration aufs Wesentliche bei der Mitmachseite der FDP. Man verzichtet sogar darauf einen Grund anzugeben, warum man mitmachen sollte.

spd

Auch die gute alte Tante SPD vernetzt. „Seit an Seit“ sollen die Freunde der Sozialdemokratie virtuell für die gemeinsame Sache streiten. Ein bessserer Ansatz, weil zumindest schon mal erwähnt wird, was man da virtuell schönes machen kann. Optisch wird ein Publikum angesprochen, das mehr dem Wunschdenken entspricht, als der Wählerschaft der SPD und das sich dann wohl eher verirrt umsehen wird. 

 

grune2

Der Vollständigkeit halber noch die Grünen. Auch da kennt man schon einige / die gleichen soziale(n) Netze und nutzt sie. Mit den Links klappt es auch schon, wenn man mal von StudiVZ absieht.

Verpackung besser, Inhalt fragwürdig, timing verpaßt

Ein Anfang ist gemacht, was Optik und Verpackung angeht. Der Inhalt läßt noch zu wünschen übrig. Wie weit diese Form von Politik-Kommunikation den Wahlkampf überdauert und ob man wirklich Punkte macht, wenn hinter dem Angebot, sich zu beteiligen, keine realen Beteiligungsmöglichkeiten stehen, wird sich zeigen. Community lebt nun mal weniger von der Anmeldung als von der Aktivität und Beteiligung. Das bedeutet natürlich nicht, das jeder der sich anmeldet, auch gleich aktiv seinen eigenen Wahlkampf gestalten will. Es bedeutet, das jeder Unterstützer die Möglichkeit dazu haben sollte – mit aller möglichen Unterstützung durch die jeweilige Partei. Die Anmeldung ist eben nur der erste Schritt. Wenn dahinter die Mogelpackung wartet, verlassen die Akteure schnell wieder die Bühne. Community building ist keine kurzfristige Angelegenheit. Wer sich mit diesem Thema befasst hat und es ernsthaft betreiben will, weiß, das dafür Zeit erforderlich ist. Obama war für die Wahl im November 2008 schon zu Jahresbeginn 07 heftig aktiv. Natürlich mußte er die Vorwahlen bestehen. Das ist den Kandidaten in Deutschland erspart. Dafür agiert er in einem sehr viel stärker Volunteer orientiertem Umfeld und brauchte auch für die Vorwahlen mehr als ein Jahr Vorlaufzeit um ein so schlagkräftiges Unterstützerfeld aufzubauen und die nötigen Mittel für seinen Wahlkampf einzusammeln. Letzteres bleibt den Parteien erspart. Die Vorlaufzeit für den Aufbau einer größeren Unterstützergruppe eher nicht.  

Wenn von Web 2.0 und Marken die Rede ist, graut den Markenverantwortlichen bei dem Gedanken, das sie die Verfügungsgewalt über ihre Marke verloren haben. Das ist in der Praxis immer so gewesen, man wollte es aber ungern auch noch unterstützen. Wer Politik 2.0 betreiben will, sieht sich ähnlichen Herausforderungen gegenüber. Das Mitmachweb 2.0 lebt eben vom mitmachen. Und für’s mitmachen muß es einen glaubwürdigen Grund geben. 

Zur Erinnerung: Die Deutschen sind nicht politikverdrossen. Im Gegenteil. Sie sind politikerverdrossen. Wer jetzt zum Mitmachen einlädt, bekommt die ungeschönte Antwort auf die Frage nach der Attraktivität der eigenen Partei. 

Fazit: Was Obama gestern in den Staaten realisiert hat ist in Deutschland immer noch Zukunftsmusik. Aber es bewegt sich etwas. Möglicherweise in eine Richtung die den Politikern alter Schule weniger gefällt.

Obama und Social Networking – warum es eine vergleichbare Kampagne in Deutschland nicht geben wird.

Barack Obama hat mit seiner Form des Wahlkampfs bewiesen wie wirkungsvoll diese Methode ist. Ein Nobody schlug damit die etablierten Politiker eindrucksvoll aus dem Feld. In Deutschland ist nichts vergleichbares zu befürchten. Dafür gibt es Gründe, die sowohl in der Ausgangslage von Obama als auch in der Struktur unserer Parteienlandschaft und unserer politischen Verfassung liegen. 

Obama startete als sicherer Verlierer. 

 

Aktivieren durch Dialog
Aktivieren durch Dialog

Bis vor seiner Rede auf dem Konvent der Demokraten 2004 war Obama ein unbekannter Senator eines weniger wichtigen Bundesstaates. Niemand den man wirklich kennen musste. Als Obama 2007 als Bewerber für die Kandidatur der Demokraten antrag, war eigentlich längst klar, das Hillary Clinton das Rennen machen würde. Sie hatte die Partei hinter sich, war etabliert, verfügte über die nötigen Mittel. Obama hatte in der eigenen Partei wenige hinter sich, war den Amerikanern weitestgehend unbekannt und ohne die nötige wirtschaftliche Unterstützung. In einer Ausgangssituation wie dieser bleibt entweder die Hoffnung auf ein Wunder oder eine völlig neue Strategie. War es der Mut der Verzweiflung oder das Vertrauen auf die amerikanischen Bürger und deren Unterstützung? Vielleicht beides. Zumindest war dies die Voraussetzung für eine mutige, neue Vorgehensweise. Obama tat genau das, was mit Wahlen eigentlich bezweckt wird. Er legte sein politisches Schicksal ohne Wenn und Aber in das Hand derer, für die er antrat. Natürlich gehört zu dieser Vorgehensweise eine klare Position und eine ansteckende Überzeugungskraft und der Wunsch nach Wechsel bei der Bevölkerung.

Deutschland steht für Politik mit geringer Bürgerbeteiligung 

In Deutschland kann weder der Wunsch nach Wechsel noch das größte Charisma eines Außenseiters, ergänzt durch eine brillante Kampagne zu einem ähnlichen Ergebnis führen. Das ist in unserer Verfassung schlichtweg nicht vorgesehen und auch nicht möglich. 

Unser Regierungschef wird nicht vom Volk in direkter Wahl gewählt. Wir wählen Volksvertreter, die uns eine politische Partei vorgeschlagen hat. Diese Vertreter ihrer Partei wählen, sofern sie die entsprechende Mehrheit errungen haben, den Kanzler. Dieses System schützt die Politiker gleich auf 2 Ebenen vor Überraschungen. Die zur Wahl stehenden Volksvertreter werden nicht vom Volk gewählt, sondern von den Parteien. Wer eine Chance haben will, gewählt zu werden, braucht entweder einen sicheren Listenplatz oder einen sicheren Wahlkreis. Das immer mehr Menschen diese Form von Politik als Bevormundung empfinden, ist nachvollziehbar. Die Partei der Nichtwähler hat in Deutschland letztlich die höchste Zustimmung. Das führt dazu, das eine Partei, die mit Mühe geradeso die Stimmen eines knappen Viertels der Wahlberechtigten bekommen hat, die Geschicke des Landes lenken kann. 

Wer in Deutschland Regierungschef werden will, kann das nur über den Weg der Partei und deren Unterstützung werden. Aussenseiter müssen hier leider draußen bleiben. Die deutschen Parteien werden diese Situation nicht ohne große Not ändern. Und dafür das sie nicht in diese Situation kommen sorgt die Methode der repräsentativen Demokratie und die Wahl der Volksvertreter durch die Parteien. Der mündige Bürger soll bitte nur noch alle vier Jahre brav abnicken.  Wenn er damit nicht zufrieden ist, bleibt ihm ja die Wahl in eine Partei seiner Wahl einzutreten und damit das System indirekt zu erhalten.  

Es wird sehr oft über den Politikverdruss in Deutschland gesprochen, um nicht darüber sprechen zu müssen, das die Menschen nicht die Politik leid sind sondern diese Form der Politik und deren Repräsentanten. 

Social Networks und Politik

Was hat dieses Thema jetzt mit Communitys / Social Networks zu tun? ‚Auf den ersten Blick wenig. Auf den zweiten sieht man, das sich in Social Networks Bürger organisieren und vernetzen, das Social Networks Einfluss auf Stimmen und Stimmung haben und aufgrund ihrer kommunikativen Reichweite durchaus mit Medien zu vergleichen sind. Da wo unsere Medien sich mit den politischen Zuständen weitestgehend arrangiert haben, bieten Social Networks durchaus wirkungsvolle Ansätze, die Strukturen aufzulösen, die den Bürger möglichst weit von Entscheidungen fern halten soll. Die USA verfügen nicht nur über das System der Vorwahl, das den Bürgern die Wahl ihrer Vertreter erst ermöglicht, sondern auch über schlagkräftige Organisationen der Bürger, die dafür sorgen, das desen Rechte auch erhalten bleiben.

Bei einem Blick auf die Landschaft der Social Networks in Deutschland haftet dieser These  sehr viel fiktionäres an. Wir sehen StudiVZ, MeinVZ, wer-kennt-wen und nichts was politisch relevant ist. Das erinnert an den Wald, der den Blick auf die Bäume verstellt. Innerhalb dieser Strukturen kann sich jederzeit eine wirkungsvolle Bewegung entwickeln. Und wir sollten nicht vergessen, das wir in Deutschland erst am Beginn des social networkings stehen und dieser Prozess mit atemberaubender Entwicklung abläuft. 

 

Vernetzung und Kommunikation sind die Grundlagen der Veränderung. 

Was könnte der Bürger mit Hilfe der Organisation in Social Networks tatsächlich erreichen?Das Themen diskutiert werden. Erst in den Networks, dann in den klassischen Medien. Wenn wir bedenken, das die großen Netzwerke bereits heute eine mediale Reichweite haben, die deutlich jenseits von BILD liegt, wird deutlicher, das hier ein Instrument heranwächst, das Einfluß nehmen kann. Die Verhältnisse werden sich nur unter Druck ändern und dieser Druck muss erst einmal aufgebaut werden. Der Einzelne bewirkt hier naturgemäß wenig, aber schon wenige Einzelne erhalten in Social Networks eine beachtliche mediale Reichweite. Die Ansätze dafür, besser die Notwendigkeit, liefert die Politik allemal. Wer beispielsweise in der größten Wirtschaftskrise unseres Landes jemand zum Wirtschaftsminister ernennt, der selbst keinen Anschein von Kompetenz herbei argumentieren kann, hat als Politiker mehr als nur ein Vermittlungsproblem einer Personalie. Ein Regierungschef der sich in Krisenzeiten solch einen Minister vorsetzen läßt, weckt Zweifel an seiner Kompetenz und Handlungsfähigkeit. 

 

Veränderung ist möglich. Auch in Deutschland. 

Die Uhr kann für diese Form von Politik längst ticken, wenn die Bürger dies nur wollen. Die Organisationsformen und die Medien dafür stehen bereit.

In diesem Sinne hiesse das Motto auch bei uns change. Vom aktuellen Beispiel abgeleitet: Change Guttenberg oder change Merkel.

Politik, Internet und Social Network Marketing

Auf der DLD 09 vom 25. bis 27. Januar 2009 wurde unter anderem die DLD Internet Politics Study vorgestellt. Die Studie behandelt im ersten Teil die Bedeutung der Online-Wahlkampfkampagnen von Barack Obama für dessen Wahlerfolg über Hilary Clinton und John McCain. Die Studie ist nicht nur aufgrund Ihrer Fakten sondern auch wegen der darin vorgestellten brillanten Clips überaus empfehlenswert. Im zweiten Teil wird die deutsche Politik und das Internet vorgestellt. Der Leser fällt aus den strahlenden Höhen konsequent umgesetzten integrativen Social Marketings in das tiefe Loch deutscher Rückständigkeit. Die Studie können Sie hier herunter laden.

Politik online geht nicht ohne Social Media

Obama in Facebook
Obama in Facebook

Im Titel der Studie findet sich zwar kein Wort über Social Networks oder Social Network Marketing aber bei der Lektüre wird schnell erkennbar, das Politik im Internet nicht funktioniert, wenn sie nicht in Social Networks eingebunden ist. Der Grad dieser Einbindung ist letztlich auch ein Erfolgsmesser. Obamas Kampagnen waren 2.0. – eingebunden in die ganze Vielfalt der vorhandenen Social Networks Medien und aktiv über alle Instrumente kommuniziert – die seiner Wettbewerber waren hier deutlich weniger erfolgreich, obwohl sie die gleichen Instrumente nutzten. Obamas Online Kampagnen standen als Social Networking-Kampagnen im Zentrum seiner Kommunikation, seine Wettbewerber nutzten die gleichen Instrumente als zusätzliche Informationskanäle und verloren – gemessen an der Zahl der Nutzer, Partizipierenden und letztlich auch an der Zahl der Wähler.

Entwicklungsland Deutschland

Angela Merkel in Facebook
Angela Merkel in Facebook

Die Lage der Politik im Internet wird mit der Frage begonnen ob die Deutschen schon bereit für Social Media Kampagnen sind. Die Deutschen nutzen das Internet, die Deutschen nutzen zunehmend Social Media und wer die Geschwindigkeit dieser Entwicklung im Netz kennt, weiss, das wir auf diesem Gebiet kaum mehr als ein, zwei Jahre hinter den USA zurückliegen. Die jüngeren Deutschen nutzen bereits heute das Internet etwa so intensiv wie TV. Einen Wahlkampf ohne Fernsehen kann sich keine politische Partei vorstellen. Nicht zuletzt deshalb hat man sich ja den Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Sendern gesichert. Die Frage, ob die deutsche Parteien für Social Media reif sind, beantwortet sich in der Studie selbst. Es zählt nicht nur die quantitative Aktivität sondern auch die qualitative Aktivität, noch wichtiger ist die Aktivität der angesprochenen Zielgruppen. Obama gewann letztlich auch weil er deutlich mehr Menschen erreichen und aktivieren konnte als Clinton oder McCain.

Politisches social networking ist in Deutschland schwieriger

Es gibt für die Parteien keinen garantierten Zugang zu den Social Networks. Der Aufbau eigener Social Networks ist für die politischen Parteien für 2009 längst kein Thema mehr. Der Zug ist schon vor 2008 abgefahren. Obama hatte die Grundlagen seines Erfolgs im Web im Frühjahr 2007 gelegt und bedient sich der Vernetzung mit bestehenden Networks und der Nutzung aller verfügbarer Tools. Auch den Parteien in Deutschland bleibt nur die Nutzung der bestehenden Social Networks um Menschen zu erreichen und zu überzeugen. Hier sieht es aktuell schlechter aus, als die DLD Studie dies dokumentiert.

Kein ausreichender Zugang zur Kommunikation

In Deutschland ist die Lage bei den Social Networks deutlich heterogener aus als in den Staaten. Mit Facebook und MySpace läßt sich in den USA eine enorme Reichweite aufbauen und beide Netze sind für die politische Nutzung offen. In Deutschland stellen Facebook und MySpace gemessen an ihrer Reichweite in den USA nur einen Bruchteil der Kommunikationsleistung zur Verfügung, alles andere als ausreichend um darauf eine funktionierende Online Strategie aufzubauen. Die großen Netze (VZs und Wer-kennt-wen) sind – gemessen an den Kommunikationsmöglichkeiten von FB und MySpace – als Kommunikationsplattformen technisch nicht so leistungsfähig und konzeptionell nicht frei für Dritte verfügbar. Die VZs gehören zur Holtzbrinck, WKW zu RTL. Beide Netze leiden unter Aktivitätsschwund und dem Fehlen geeigneter Nutzungsmöglichkeiten durch Parteien, bzw. deren Integration. Entweder man schafft Aktivität durch bestehende Mitglieder oder das jeweilige Netz ist verschlossen. Und damit sieht es bei allen Parteien sehr düster aus. Ãœber dürftigste Ansätze kommt derzeit keine Partei hinaus. Um junge Wähler und Erstwähler zu erreichen, müsste eine erfolgreiche Kommunikationsstrategie zudem auch die kleineren regionalen Netze einbeziehen, also in deutlich mehr als einem Dutzend Social Networks aktiv sein.

Risiko Social Media

Aktivieren durch Dialog
Aktivieren durch Dialog

Den Parteien steht auch die typisch deutsche Reaktion auf Neuheiten im Weg. Wir fragen zuerst nach dem Risiko, dann vielleicht nach der Chance. Politik in Social Networks hat Risiken, weil sie davon abhängt die Menschen zu erreichen und zu aktivieren. Das ist allerdings auch bei der Politik an sich der Fall. Nur eben mainifestiert sich Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit in Social Media für alle sichtbar und nachvollziehbar. Damit umzugehen ist alles andere als einfach. Sich diesem Risiko auszusetzen bedarf Mut oder die Erkenntnis der Notwendigkeit.

Fazit

Die Situation in Deutschland ist wesentlich komplexer und heterogener und erfordert daher mehr Management und Kenntnis. Davon ist bei den Parteien hierzulande bislang nicht viel zu erkennen.