Medienkrise: Paid Content – woran der Wunsch der Medienhäuser scheitert

Die Diskussion der Medienhäuser dreht sich in zunehmender Intensität um die Möglichkeiten paid content im Internet durchzusetzen. So verständlich und legitim dieser Wunsch ist, seinem Erfolg stehen einige Fakten entgegen, die zu beeinflussen nicht in der Macht der Medienhäuser ist. Nein – es geht hier nicht nur um die geringe grundsätzliche Bereitschaft der Internetnutzer für Content zu bezahlen. Es geht um die Strukturen, die es für den Nutzer nicht nötig machen, für diesen Content zu bezahlen.

Die aktuellen Strategien und ihre Achillesfersen

Die Verwertungsgesellschaft

Eine zweite Gema zu Gunsten der Medienhäuser ist ein Ansatz, der schon als Gedanke zum Scheitern verurteilt ist. Eine staatlich verordnete Sondersteuer zu Gunsten einer Branche, die nicht in ihrer Existenz bedroht ist und nur daran leidet, das sie nicht aus eigener Kraft ein Problem zu lösen vermag, ist nicht nur schlecht darstellbar. Es wäre  nicht nur ein Novum sondern als Präzedenzfall die Einladung zur Selbstbedienung für jede andere Branche, die gern besser verdient hätte, dazu aber aus eigener Kraft nicht in der Lage ist.

Die Einbindungsstrategie

Der Versuch das eigene Problem auch zum Problem der Allgemeinheit oder zumindest zum Problem anderer Internetunternehmen zu machen ist im Fall Google schon gescheitert und wird auch bei anderen Marktteilnehmern nicht auf Gegenliebe stoßen. Warum sollte die Telekom oder ein anderer Provider das Problem der Medienhäuser lösen wollen? Doch nur wenn sich damit sehr gut verdienen ließe. Womit für die Medienhäuser wieder nur die lousy pennys (Hubert Burda) blieben.

Freemium

Das Geschäftsmodell Freemium ist für Verlage nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Hier treffen die Risiken (teil-) digitalisierter Geschäftsmodelle und die daraus resultierenden zusätzlichen Wettbewerbsstrategien und Methoden der Markterschließung aufeinander und hebeln diesen Ansatz permanent aus. Die Fälle in dienen Freemium funktioniert basieren nun mal auf ganz bestimmten Voraussetzungen, die von den Verlagen für ihr Geschäftsmodell erst noch geschaffen werden müssten.

Die strukturellen Probleme der Verlage

Die Verlage / Medienhäuser sehen sich einem Bündel an Strukturen und Einflüssen gegenüber, die jeweils in der Lage sind, ihren Ansatz von paid content zu unterlaufen.

Nachrichten und Content im Ãœberfluss

Nachrichten sind kein knappes Gut und Content ist im Überfluss vorhanden. Nur außergewöhnliche Qualität hat eine Chance bezahlt zu werden. Um aktuell über das wichtige  Tagesgeschehen informiert zu sein, genügt es das Radio laufen zu lassen oder sich die Nachrichten im Fernsehen anzusehen. Solange diese Kanäle das Informationsbedürfnis abdecken, muss für paid content im Internet ein deutlich höherer Nutzen geboten werden. Zerstreuung und Unterhaltung sind auch mit user generated content möglich.

Print ist nicht gleich Internet

Bei Printprodukten wie Zeitungen und Magazinen erwerbe ich – technisch bedingt – ein Produkt, das mich nur zu einem mehr oder weniger großen Teil wirklich interessiert. Ich kaufe, weil mich ein, zwei Artikel ansprechen. Den Rest blättere ich zwar durch, aber wegen ihm habe ich das Exemplar meiner Zeitung oder meines Magazins nicht erworben. Im Internet fällt diese technische Argumentation weg. Warum sollte ich dort etwas kaufen, von dem ich den Großteil gar nicht haben will, wenn es möglich ist, nur das zu kaufen, was mich interessiert. Das erfordert redaktionelle Inhalte individuell zusammensetzen zu können und auch eine andere Form der Kommunikation, nicht zuletzt auch der Partizipation.

Bezahlen muss einfach sein

Einfache Bezahlformen mit einer weiten Verbreitung sind immer noch Mangelware. Für jeden Artikel die Kreditkarte zücken ist lästig. Sich bei verschiedenen Anbietern zu registrieren um kurz mal einen Artikel lesen zu können, steht in keinem Verhältnis. Insbesondere wenn der Zeitaufwand der Registration länger ist als die Lesedauer des Contents.

Digitalisierte Prozesse ändern Geschäftsmodelle und Wettbewerbsstrukturen

Digitale Güter können nicht nur preiswerter oder kostenlos angeboten werden. Sie eignen sich auch als Instrument der Markterschließung und des Aufbaus von Reichweite. Das führt zu komplett neuen Wettbewerbssituationen, was die Anzahl der Wettbewerber wie auch die Qualität des Wettbewerbs betrifft.

Des Einen Kerngeschäft ist des Anderen give away zur Markterschließung und Generierung von Reichweite.

Betriebswirtschaftliche Strukturen

Die Wertschöpfung im Internet durch Content ist eine völlig andere als bei Print. Die betriebswirtschaftlichen Strukturen im Printbereich werden gerade erst von den fetten Jahren der Vergangenheit auf neue Gegebenheiten angepasst. Die Quantensprung der Wertschöpfung des Contents im Internet ist so gravierend, das er m. E. durch eine reine Anpassung der Strukturen nicht machbar ist. Dies zu versuchen, kostet Qualität im Printbereich und scheitert trotzdem an den anderen Rahmenbedingungen des Internets.

Asymmetrische Ertragsstrukturen

Die Krise der Medienhäuser ist nur dort über paid content zu lösen, wo die Erträge aus dem redaktionellen Inhalt den Löwenanteil der Erträge ausmachen. Wo der Anteil der Werbung gleich hoch oder höher ist, wäre paid content durch die damit einher gehende Reduzierung der Reichweite schnell kontraproduktiv.

Wo das meiste Geld über Werbung verdient wird, ist der Einbruch dort für die Verlage deutlich schmerzhafter. Vor allem aber wird dieser Einbruch nicht auf das Internet begrenzt sein, sondern bevorzugt den traditionellen Bereich der Medienhäuser besonders schmerzhaft treffen. Die Suche nach Alternativen für die Rückgänge der Umsätze aus der Werbung führt zwangsläufig ins Internet. Wer dort durch paid content die eigene Reichweite reduziert hat, tut sich möglicherweise doppelt schwer.

Google News unterstützt paid content Bemühungen der Verlage

turi2 meldet, das Google News die paid content Bemühungen der Verlage dadurch unterstützt, das die kostenlose Nutzung von Verlagscontent über Google News durch eine technische Sperre auf maximal 5 kostenlose Abrufe pro Tag begrenzt wird. Basis der Sperre sind nach cnet alternativ Cookies oder die IP des Nutzers.

Welche Lösung zum Einsatz kommt, liegt in der Entscheidung des Verlags. Sicher sind beide nicht. Cookies können durch den Wechsel des Browsers, die Löschung des Caches oder möglicherweise den Privat-Modus ausgesteuert werden. Die Nutzung der IP als Basis der Begrenzung der Zugriffe hat dann Nachteile, wenn es sich um dynamische IPs handelt, die mehrfach am Tag vergeben werden. Damit würden Nutzer möglicherweise vom ersten kostenlosen Zugriff ausgesperrt, wenn ein vorhergehender Nutzer bereits das freie Kontingent an Zugriffen für die IP ausgeschöpft hat.

Google manövriert sich durch diesen Zug elegant aus der Schußlinie der Verlage. Die Entscheidung welche Methode eingesetzt wird und wie viele Zugriffe am Tag kostenlos sind den Verlagen zu überlassen ist ausgesprochen klug.

Am Markt vorbei gedacht – US Zeitungen als Beispiel

Das American Press Institute ermittelte das 60% der Zeitungsmanager in den USA überlegen Content kostenpflichtig zu machen, obwohl 90% von ihnen derzeit ihren Content kostenlos zur Verfügung stellen.

Forrester Research befragte akutell 4711 US Konsumenten nach ihrer Bereitschaft für den Zeitungscontent zu bezahlen. Die Ergebnisse sind eindeutig und unterstützen die Überlegung Zeitungscontent kostenpflichtig zu machen nicht wirklich.

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Der am meisten Erfolg versprechende Ansatz für paid content wäre nach Erkenntnissen von Forrester Research ein medienübergreifender Ansatz.

Ob die Konsumenten in Deutschland bezahlfreudiger sind, steht sicher auf einem anderen Blatt. Darauf wetten würde ich nicht. Die Nutzenstiftung für bezahlten Content im Web muss eben deutlich höher ausfallen, als dies ein simpler Transport von Content von Print auf Online darstellt.

Studien sind das Eine. Die Realität sieht immer wieder überraschend aus. Wir werden zumindest durch das Experiment von Murdoch sehen, wie der Markt wirklich reagieren wird.