Youtube – Googles verpasste Social Media Chance?

Youtube – der Mediengigant

Mit Youtube hat Google einen global player in Sachen Medien eingekauft. Wirft man einen Blick auf die Zugriffszahlen von Youtube in Deutschland zeigt sich, das die Videoplattform nur noch von Facebook übertroffen wurde.

Bedenkt man, wie viele Versuche Google unternahm, um selbst ein Bein in die Social Network Branche zu bekommen, erscheint die Vernachlässigung des Social Network Potenzials in Youtube um so erstaunlicher.

Youtube spielt als global player eine beachtliche Rolle und wird deutlich intensiver frequentiert als MySpace oder Orkut – die Social Network Hoffnung von Google, die nur in Brasilien und Indien erfolgreich ist.

Youtubes unterschätztes Social Network Potenzial

Youtube hat – auch wenn das auf den ersten Blick nicht auffällt, den Ansatz eines Social Networks. Es verfügt über Profile und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Usern. Das beides bestenfalls rudimentär genutzt wird, liegt vor allem an der Qualität dieser Keyfeatures. Es macht nicht nur Mühe, die beiden Features zu finden – sie sind auch mehr als nur überholt, was Optik und Leistungsfähigkeit betrifft. Mit etwas mehr Sorgfalt gepflegt, hätte Youtubes Social Network Potenzial entwickelt werden können und sowohl das Wachstum der Videoplattform als auch den Einstieg von Google in Social Media deutlich beflügelt. Auch ohne die Entdeckung und Vitalisierung des Social Network Potenzials hat sich die Nutzung von Youtube weiter positiv entwickelt, fällt aber in der Wachstumsdynamik deutlich hinter Facebook zurück.

Youtube wurde von Google im Herbst 2006 übernommen. Das bei Google das Social Network Potenzial von heute knapp 150 Millionen täglicher Nutzer bis heute nicht erkannt und erschlossen wurde, zeigt, wie weit die Denkweise von Google vom Thema Social Network entfernt ist.

Die strategische Bedrohung

Facebook die neue Nr. 1 in Deutschland

Youtube kann als Abspielstation oder Storing-Website weiterhin erfolgreich sein. Seine Zukunft basiert aber nicht zuletzt darauf, das die Youtube-Nutzung sich als Gewohnheitsverhalten fest verankert. Die Gefahr für Youtube sind die Social Networks. Wenn

  • die Videonutzung stärker direkt in die Social Network Plattformen verlagert wird
  • die Impulse für die Videonutzung über den Freundeskreis stärker auf andere Plattformen führen

kann die bislang noch vorhandene Vormachtstellung von Youtube gefährdet, sein Wachstum begrenzt und die Nutzung reduziert werden. Beide Möglichkeiten liegen in der Hand von Facebook. Youtube kann unter den aktuellen Rahmenbedingungen nichts gegen diese Bedrohung unternehmen. Das bedeutet allerdings nicht, das es gegen diese Bedrohung keine Handlungsmöglichkeiten gibt.

Youtubes Handlungsmöglichkeiten

Youtubes Größe bietet ausreichend Ansätze, sich gegen diese Bedrohung zur Wehr zu setzen. Einige davon lohnt es sich genauer zu betrachten:

  • Die Festigung der habituellen Nutzung: Wenn der Medienkonsum via Youtube sich genauso als feste Gewohnheit etabliert wie der Medienkonsum über einen TV-Sender trägt dies zu einer Absicherung von Youtubs Zukunft bei. Individuell entwickelte Programme und Empfehlungen,die aktiv vorgeschlagen werden – auch bevor der User auf Youtube ist – sind ein Weg in diese Richtung. Ãœber die individuellen Nutzungsgewohnheiten lassen sich diese Vorschläge relativ einfach ableiten.
  • Der Zugriff auf den Freundeskreis: Der Weg Inhalte aktiv über den Freundeskreis zu verbreiten und damit den Medienkonsum via Youtube abzusichern, wirkt der Abhängigkeit von Social Network Plattformen entgegen. Um hier erfolgreich zu sein, ist ein Kanal in diese Freundeskreise und der Abgleich von Facebook Usern und deren Medienkonsum auf Youtube hilfreich.
  • Die Instrumentalisierung von Facebook: als offenes System lässt sich Facebook auch in einer Wettbewerbssituation konstruktiv nutzen. Ein Ansatz dazu ist die „Kanalisierung“ von wichtigen Themen innerhalb von Facebook – z. B. über die Öffnung von Facebook über Themenpages für den Content von Youtube. Dabei sollte nicht vergessen werden, den direkten Zugriff auf die Nutzer der jeweiligen Kanäle – und damit die Unabhängigkeit von Facebook – zu sichern.

Bescheidene erste Schritte

Es wäre unfair, die erkennbaren Versuche der Sozialisierung von Youtube zu verschweigen. Die Freunde der Youtube Nutzer sollen – nicht nur via Facebook – erschlossen werden um ein gemeinsames Nutzungserlebnis zu ermöglichen.

Dieser Ansatz wirkt noch etwas zögerlich und kann nur ein erster Schritt sein. Vor allem aber muss er in eine Gesamtstrategie eingebunden sein, die die Social Network Qualität von Youtube auf einen zeitgemäßen Standard anhebt und Youtube zugleich zukunftssicherer und unabhängiger machen kann. Das diese Gesamtstrategie noch nicht erkennbar ist, bedeutet nicht zwangsläufig, das sie nicht existent ist. Indiz für eine solche Strategie könnten Verbesserungen und Aktivitäten in die Richtung der erwähnten Handlungsmöglichkeiten von Youtube sein, also z. B. die Verbesserung der Youtube-Profile, möglichst in Verbindung mit angebundenen FB-Profilen, einer „individuellen Programmpolitik“ oder der aktiven Nutzung von Youtube-Themapages in Facebook um dort einen direkten Kanal für den Medienkonsum mit einem Zugriff auf den sozialen Feed und – bei elegantem Ansatz – auch auf die Nutzer selbst zu erhalten.

Fazit

Google wird weiterhin ein begehrliches Auge auf die Social Network Welt haben. Letztlich geht es darum, Potenziale zu sichern. Das Google beim Wettbewerb um die Vorherrschaft im Netz vorhandene Potenziale in der Größenordnung von Youtube nicht nutzen wird, ist eher unwahrscheinlich.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.