Social Media und Einzelhandel

Während eCommerce kräftige Zuwachsraten verzeichnet sinkt der Einzelhandelsumsatz real. Für die strukturellen Veränderungen des Lebensmitteleinzelhandels stand in der Vergangenheit das Sterben der kleinen „Tante Emma-Läden“ und der Aufstieg von Aldi und Lidl.

Wo wir den Aufstieg von Amazon bewundern, registrieren wir zugleich das Ende vieler Buchhändler, die teilweise seit Generationen bestehen und in ihren Märkten mit Herzblut und hervorragendem Service um ihre Existenz kämpfen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sieht die Zukunft des Buchs im eBook. Das dieses eBook dann über die lokalen Buchhandel vertrieben werden wird, ist eher unwahrscheinlich, das dieser Umsatz bei den Verlagen selbst – oder in eCommerce-Unternehmen wie Amazon – stattfinden wird, ist eher wahrscheinlich.

Social Media kann dazu beitragen, diesen Wettbewerb auf einer neuen Ebene zu verschärfen. Dies kann sehr deutlich zu Lasten des lokalen Einzelhandels gehen – und damit nicht zuletzt auch zu Lasten der Lebensqualität unserer Städte.

Die Wettbewerbsdimension von Social Media

Auch wenn die Entwicklung noch ganz an ihrem Anfang steht, ist die strukturelle Wettbewerbswirkung von Social Media klar erkennbar. Sie wirkt sowohl auf den Spontankauf als auch auf den geplanten Kauf und setzt dort an, wo lokale Einzelhändler in aller Regel nicht präsent und relevant sind.

Der geplante Kauf

Google hat in der Informationsbeschaffung längst nicht nur einen festen Platz als Wortschöpfung. Wenn wir etwas wissen wollen, googlen wir es. Wenn wir bei Google nach einem Produkt suchen, finden wir auch die Bewertungen anderer Konsumenten zu diesem Produkt. Nicht nur bei Reisen wirken sich diese Bewertungen kaufentscheidend aus. Wenn wir uns über Preise informieren, finden wir eine Marktübersicht in den Preissuchmaschinen. In beiden Fällen ist der lokale Einzelhandel in dieser Informations- und Entscheidungsphase nicht dabei. Wenn der Einzelhändler nicht selbst im Web erfolgreich präsent ist, hat er nur noch dann eine Chance als Anbieter in die Kaufentscheidung einbezogen zu werden, wenn der Konsument bei seiner Informationsbeschaffung daran denkt, auch bei ihm vorbei zu sehen und sich zu informieren. Das ist je nach Branche unterschiedlich stark ausgeprägt, setzt voraus, das der potenzielle Kunde das Unternehmen kennt, es schätzt und sich die Zeit und Mühe macht, dieses Geschäft aufzusuchen.

Wo der Kunde nach seiner Informationsphase nur einen Klick von Kauf entfernt ist, hat der lokale Einzelhändler schnell außen vor.

Der spontane Kauf

Spontankäufe haben einen Auslöser. Das kann ein Schaufenster in einer realen Einkaufsstrasse sein, aber auch eine Website, der Hinweis eines Bekannten in einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht oder die Kommunikation im Freundeskreis via Networks. Da nur in den Social Networks diese Hinweise automatisch vervielfacht weitergegeben werden, steigt die Chance, das durch den Hinweis in einem Social Network ein Interesse an einem Produkt und damit ein Spontankauf ausgelöst werden kann. Wenn dieser Auslöser über das Internet transportiert wird, ist er oft mit einem Link verbunden, der den oder die Empfänger direkt zu einem Anbieters bringt. Auch dieser Besuch kann im jeweiligen sozialen Netz weitere Informationen auslösen.

Wo bleibt da der lokale Einzelhändler? Richtig – er steht hinter seinem Schaufenster in der realen Welt. Mit einem möglicherweise hervorragenden Service kann er nur noch dann punkten, wenn ein Kunde diesen Service auch in Anspruch nimmt.

Wo die Information über Produkte oder die Auslöser für Spontankäufe in Social Networks transportiert und der Kunde dort direkt in den virtuellen Shop abgeholt wird, bleibt der lokale Einzelhändler meist aussen vor – sofern er diesen Weg nicht ebenfalls nutzt.

Die Informationsqualität durch Social Media

Ein eCommerce Anbieter, der Social Media professionell nutzt, ist in der Lage den Kunden zum Verkäufer zu machen und zugleich die Interessensstruktur von Kunden und Interessenten immer besser kennen zu lernen. Er kann mit Produkten, die relativ genau zu dessen Interessenslage passen auf den Kunden zugehen bevor der Kunde selbst einen konkreten Bedarf hat. Diese Information fehlt dem lokalen Einzelhändler in aller Regel. Er ist immer noch darauf angewiesen, das ein Kunde einen Bedarf erkennt und den Weg zu ihm findet. Dieser Ablauf wird durch das proaktive Verhalten von innovativen eCommerce-Anbietern längst unterlaufen. Social Media liefert dazu das Wissen und die Kommunikationskanäle. Dieser Prozess steht erst an seinem Anfang. Was jetzt schon deutlich ist: Ein Einzelhändler, der bei seinem konventionellen Vorgehen bleibt, ist auch hier außen vor.

Servicequalität als Wettbewerbsvorteil des Einzelhandels?

Ein perfekter Service kann ein Wettbewerbsvorteil sein – wenn er auf einen Kunden trifft. Im Fall des lokalen Einzelhandels muss dieser Kunde allerdings erst einmal zum Einzelhändler gelangen und nicht vorher abgefischt werden. Wenn der Kunde vorher umgeleitet wird, nützt der beste Service nichts. Social Media bietet eCommerce-Unternehmen beste Möglichkeit potenzielle Kunden mehr oder weniger systematisch zu sich umzuleiten und diese Chancen werden zunehmend erkannt und genutzt.

Servicequalität als Wettbewerbsvorteil des Einzelhandels setzt nicht nur voraus das der Kunde in den Handel kommt. Servicequalität als Wettbewerbsvorteil setzt auch voraus, das der Service des Handels besser ist als der seiner strukturellen Wettbewerber. Das ist sicher nicht immer der Fall. Betrachtet man die Investitionen in die Logistik und den Kundendienst von großen eCommerce-Anbietern und orientiert sich hier am Beispiel Amazon, wird dem Kunden dort im „Standard-Bereich“ zumindest keine schlechtere Abwicklung einer Bestellung als im lokalen Buchhandel geboten.

Social Media ist extrem dynamisch

Das Wachstum von Facebook ist ein beliebtes Beispiel für die Dynamik von Social Media. Das die Nutzung von Social Networks eMail den Rang als wichtigste Nutzung des Internets abgelaufen haben ein anderes.

Was dabei übersehen wird, ist noch beeindruckender: Das Kommunikationsverhalten sehr vieler Menschen hat sich in sehr kurzer Zeit sehr nachhaltig geändert. Eine solche Verhaltensänderung – in kurzer Zeit – wurde bislang für sehr unwahrscheinlich gehalten. Damit lässt sich auch eine relativ kurzfristige umfangreiche Veränderung des Einkaufsverhaltens nicht mehr per se als absurd abweichen.

Vergleichen wir die Dynamik im Verhalten der Konsumenten und die Dynamik in der Reaktion des Einzelhandels auf diese Veränderung, sehen wird den eigentlichen Kern des Problems. Die Langsamen werden von den Schnellen überrollt.

Sie würden sich gerne intensiver mit Social Media befassen?

Für diesen Fall empfehle ich Ihnen an einem Seminar zu diesem Thema teilzunehmen oder einen firmeninternen Workshop abzuhalten. Für den Aufbau von Social Media Kompetenz ist das Seminar Social Media für Unternehmen ein guter Einstieg.

Veröffentlicht von

Wilfried Schock

ist seit 1980 im Marketing unterwegs und hat seit 2006 seinen Schwerpunkt in Social Media. Heute bildet er Social Media Manager aus, entwickelt Methoden rund um das Thema Social Media Strategie und digitale Geschäftsmodelle und berät Unternehmen in diesen Feldern.