2010 – kein gutes Jahr für die deutschen Social Networks I

Die Nutzerentwicklung

Die Zahlen der letzten agof haben es angedeutet. 2010 war unterm Strich kein wirklich gutes Jahr für die deutschen Social Network Plattformen.

Wirft man einen genaueren Blick auf die Branche und verzichtet auf die unique users, die mit ihrem Aktivitätskriterium eben nicht socialnetworktauglich sind, wird die Entwicklung aussagekräftiger.

Die Branche teilt sich in deutliche Verlierer, wenige Gewinner (neben Facebook) und einige Plattformen, die sich halten konnten.

Unique users und daily unique visitors

Diese beiden Messgrößen sind bei den Social Network Plattformen die Währung in der Markterfolg oder Misserfolg indirekt gemessen wird. Direkt sollte man den wirtschaftlichen Erfolg ganz grundsätzlich in Euro messen. Die agof ermittelt die User, die innerhalb von 30 Tagen auf einer Plattform aktiv waren als unique users. Die daily unique visitors sind die Besucher, die innerhalb eines Tages auf einer Plattform aktiv waren.

Beide Messmethoden bilden die Realität der Social Network Plattformen nur teilweise zutreffend ab.

Ich benutze die daily unique visitors weil sie

  • die Aktivität einer Plattform besser abbilden.
  • nur mit den täglich aktiven Usern Geld verdient werden kann.
  • die breitere Vergleichbasis bieten.

Die großen deutschen Plattformen

Von den großen deutschsprachigen Plattformen gehen nur MeinVZ.net und Wer-kennt-wen.de nach daily unique visitors besser aus dem Jahr als sie hinein gingen. Die beiden anderen VZs – StudiVZ und SchülerVZ zählen eindeutig zu den Verlieren des Jahres 2010. Ein Verlust, den auch MeinVZ nicht wirklich auffangen konnte.

Die mittelgroßen deutschen Plattformen

In der Mitte sehen wir 2 Absteiger und 1 Gewinner. Für Jappy war die Mitgliederentwicklung in 2010 ein Grund zur Freude. Lokalisten und KWICK! verlieren nach Google unterschiedlich stark. Bei der Münchner Plattform hat sich 2010 die Anzahl der daily unique visitors faktisch halbiert. KWICK! hat zwar nach agofs  in der letzten Studie deutlich an unique unsern zugelegt. Dieses Wachstum spiegelt sich aber in den daily unique visitors nicht wieder.

Die größeren ausländischen Plattformen neben Facebook

Während Netlog und MySpace deutlich verloren haben, konnte Badoo in Deutschland seine daily unique visitors in 2010 parallel zum Höhenflug von Facebook faktisch vervierfachen. Diese Entwicklung wird deutlicher, wenn wir die Grafik für Badoo isoliert betrachten.

Badoos Erfolg resultiert auf einem etwas anderen Ansatz. Während sich die Plattformen üblicherweise darauf konzentrieren primär den realen Freundeskreis abzubilden und sich der erweiterte „nichtreale“ Freundeskreis mehr oder weniger zufällig entwickelt, hat Badoo sich stark darauf fokussiert Fremde zusammen zu bringen. Das man sich hier aufs „matchmaking“ fokussierte, war naheliegend. Das große Defizit nahezu aller Plattformen – die aktive Vernetzung jenseits der wkw-Methodik – ist zugleich ein Ansatz um erfolgreich weiter zu wachsen. Facebook selbst hat hier ja auch noch deutliche Defizite abzuarbeiten.

Die 3. Liga der Social Network Plattformen

Jenseits der größeren und großen Plattformen zeichnet sich in der dritten und vierten Liga der Social Networks ein ähnlich uneinheitliches Bild für 2010 ab.

Die Verlierer

Stellvertretend für die Verlierer der 3. Liga sehen wir hier die Entwicklung von Gesichterparty, Lakeparty, Dampfer und MV-Spion. Bei allen Plattformen handelt es sich um typische ehemalige Platzhirsche, die in ihren geografischen Märkten Marktführer waren. Auch wenn die Ursachen für den Abstieg variieren, ist allen gemein, das man sich nicht oder nicht ausreichend weiter entwickelt hat und die Anforderungen der Zukunft nicht oder nicht richtig erkannt hat, bzw. ihnen nicht gewachsen war.  Die Zukunftsprognosen für diese Plattformen, bzw. für Plattformen die Entwicklungsdefizite aufweisen, sind alles andere als positiv.

Die Hartnäckigen

Auch in der 3. und 4. Liga der Social Network Plattformen gibt es nicht nur die Gruppe der Verlierer. Für die „hartnäckigen“ sind in der Grafik stellvertretend die Plattformen Team-Ulm, willstequatschen und Schüler.CC aufgeführt. Alle Plattformen haben sich nach daily unique visitors in 2010 im Markt behauptet – nicht nur gegen Facebook, sondern auch gegen andere regionale und überregionale Plattformen. Die Ursache für diesen beachtlichen Erfolg liegt in der jeweiligen besonders klaren Positionierung der Plattformen.

Facebook wuchs 2010 quantitativ und qualitativ

Es ist nicht nur das quantitative Wachstum, das den deutschen Social Network Plattformen mehr als nur gelegentliches Kopfzerbrechen bereitet. Facebook ist 2010 in mehrfacher Hinsicht gewachsen:

  • Facebooks Mitgliederbasis wuchs nicht nur in der reinen Anzahl der Accounts. Auch die sehr hohe Nutzeraktivität blieb höher als branchenüblich.
  • Facebooks Ertragsqualität hat sich enorm verbessert. Auch wenn dies vorerst nicht in gleichem Maß in Deutschland der Fall ist, wie z. B. in der USA ist davon auszugehen, das dem Userwachstum auch ein Wachstum an Werbeerlösen in Deutschland folgen wird.
  • Die Qualität der Website hat sich in 2010 deutlich verbessert – sowohl für Werbetreibende wie für User.

Für die Betreiber der deutschen Social Network Plattformen werden sich auch die beiden letzteren Entwicklungen auf Dauer sehr nachhaltig auswirken.

Die Hausaufgaben nicht gemacht

Lesen Sie im nächsten Artikel dieser Serie über die qualitativen Herausforderungen, die in 2010 offen geblieben sind und in 2011 den Plattformen im Wettbewerb mit Facebook und in ihrer Vermarktung steigende Probleme bereiten werden.

agof if 2010/III – die Entwicklung setzt sich fort

Die agof Studie if 2010/III ist veröffentlicht

Die agof hat heute die Zahlen der if 2010/III veröffentlicht. Auch wenn die unique users für die Nutzung von Social Network Plattformen nicht der Weisheit letzter Schluss sind, geben sie doch einen Hinweis auf die Entwicklung, betrachtet man sie im Vergleich mit früheren Ergebnissen. Das wiederum ist durch den Wechsel der Erhebungsmethode mit den bekannten Ausreissern in 2010/I nur sehr eingeschränkt – auf die Studien if 2010/II und if 2010/III – möglich. Zudem sind in der if nicht alle Social Network Plattformen enthalten. Facebook tritt hier bestenfalls als das berühmte „Schwarze Loch“ auf, das Nutzung und User geradezu magisch an sich zieht.

Die wichtigsten Erkenntnisse der if 2010/III

Auf den ersten Blick „in 3 nix neu“ – so könnte man die wichtigste Erkenntnis für die größeren und in der agof ausgewiesenen Social Network Plattformen zusammenfassen.

Lässt man den Ausreisser von 2010/I ausser Betracht, setzt sich auf den ersten Blick die Entwicklung in den einzelnen Plattformen fort und gibt genauer betrachtet doch kleine Überraschungen preis:

  • KWICK! hat um beachtliche +25% an unique usern zugelegt. Dieses Wachstum gegen den allgemeinen Trend fällt schon aus dem Bild, das die Branche insgesamt gibt.
  • die VZs gaben etwas mehr als –4% an unique users ab,
  • MySpace hat den turnaround nach unique users zumindest – noch? – nicht geschafft und verlor im 3. Quartal -5.5% seiner unique users.
  • wkw verliert gegenüber 2010/II nur -2% an unique users
  • Stayfriends hat es mit einem Rückgang von knapp -15% in einem Quartal sehr viel deutlicher getroffen, auch wenn dieser Einbruch durch die andere Form der Refinanzierung nicht so schnell und hart durchschlägt, wie bei einer rein werbefinanzierten Plattform.
  • die Knuddels schrumpften im 3. Quartal um gut -3% ihrer unique users,
  • Netlog dagegen hat es mit dem Einbruch um -20% bei den unique users unter die Millionengrenze gedrückt.

Rote Zahlen – wohin das Auge blickt – sieht man mal von dem kleinen gallischen schwäbischen Dorf ab, das gegen die blaue Flut Widerstand leistet und sich standhaft weigert  tiefer gelegt zu werden unterzugehen.

Unique Users bilden die Realität in den Social Network Plattformen nur unzureichend ab

Wer einmal im Monat in einer Social Network Plattform vorbeisieht, ist nach dem Verständnis der Branche kein aktives Mitglied und eher dabei, der Plattform vollends verloren zu gehen. Nach der Definition der agof ist dieser User als unique user genauso wichtig, wie die Mitglieder, die mehrmals die Woche oder täglich auf der Plattform aktiv sind. Ähnlich ist es mit der Art der Nutzung: ein User, der kurz einen Blick ins Mailfach wirft und dann schon wieder weg ist, trägt deutlich weniger zu Attraktivität und Erhalt von Plattform bei, als der User der seine 2 Stunden durchschnittlich auf der Plattform aktiv verbringt.

Um dem unique visitor der agof eine begleitende Information zur Seite zu stellen, nachfolgend die daily unique visitors von Google – die auch nicht der Weisheit letzter Schluss sind, wie ich sehr wohl weiss.

Social Network Plattformen I

Die VZs und wkw sind sich in dieser Tabelle zumindest in der Richtung einig. Es geht abwärts. Der Rückgang hat auch meinvz.net erfasst.

Social Network Plattformen II

Hier zeigt sich besonders deutlich der Absturz von MySpace, gefolgt vom Rückgang bei den Lokalisten. Der deutliche Einbruch bei Netlogs unique users agof fällt hier optisch nicht so sehr auf. Interessant ist das sich das Userwachstum nach agof – immerhin stolze 26% innerhalb eines Quartals – bei den daily unique visitors nicht in gleichem Maß zeigt. Es ist lediglich ein dezenter Peak im Juli 2010 zu erkennen.

In diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf Jappy.de angebracht. Jappy wird – weil nicht gemessen – gerne übersehen. Die Entwicklung dieser eigenständigen Plattform ist zumindest einen Blick wert, weil die Plattform zu den größeren deutschen Social Network Plattformen zählt und eine relativ stabile Entwicklung bei den daily unique visitors hat. Ein Novum, das Jappy mit einigen kleinen Plattformen teilt.

Und Facebook?

Der Netzwerkgigant etabliert sich in Deutschland weiter. Da wir keine agof unique users haben, können und müssen wir als Vergleichsbasis auf die Google Trends zurückgreifen.

Der Vergleich von wkw (größte Einzelplattform) und Facebook für den deutschen Markt zeigt die Entwicklung ganz eindeutig. Facebook marschiert weiter durch. Dieses Bild ist auch für andere europäische Regionen typisch, wenn wir mal die Niederlande ausklammern. Dort ist Hyves.nl noch nicht von Facebook eingeholt worden, der Trend zeigt allerdings an, das auch damit zu rechnen ist.

Für die meisten deutschen Social Network Plattformen – sieht es eher düster aus. Viele kleine Plattformen sind für den Wettbewerb schlichtweg nicht gerüstet. Man hat all zu oft schlichtweg vergessen, eigene Stärken auf- und auszubauen, mit denen man einem globalen Gegner erfolgreich Paroli bieten könnte. Das ist schon aufgrund der Dynamik der Branche leicht verständlich. Wo es die kleinen Unternehmen hinter den Plattformen bis an und oft auch über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit forderte, die technische Plattform am Laufen zu halten, waren und sind plötzlich – neben dem ständig wachsenden Anspruch an Kommunikationstools und Möglichkeiten der Selbstdarstellung für die Mitglieder auch noch nutzenstiftende Elemente gefragt, die ein globaler Anbieter nicht kopieren kann.

Wird es neben Facebook noch eine Zukunft für andere Plattformen geben?

Ich bin davon überzeugt, auch wenn diese Zukunft sicher völlig anders aussehen wird. Nicht zuletzt lässt sich Facebook ja auch als Tool für Communitybuilding betreiben und ermöglicht den Aufbau von Communitys ohne dabei die technische Herausforderung stemmen zu müssen, die eine attraktive und zeitgemäße Social Network Plattform darstellt. Die Nische liegt meiner Meinung nicht im direkten Wettbewerb mit Facebook sondern in der Integration von Facebook in eine Nutzenstiftung für den regionalen und lokalen User, die ausserhalb der Möglichkeit eines global agierenden Unternehmens liegt.

wkw und vodafone kooperieren

wkwJetzt auch mit wkw könnte man bei vodafone sagen. Basic thinking meldet die Zusammenarbeit von Vodafone und wer-kennt-wen. Damit ist mit wkw, Facebook und den VZs der Sprung in die mobile Nutzung der Sozialen Plattformen mit eigenen Diensten oder Tarifen nicht mehr zu übersehen.

Es macht nun mal mehr Sinn an einem Dienst zu profitieren, als ihn nur anzubieten.